Porträt:Arzt und Weltenbummler

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Nach 33 bewegten Jahren an der Kreisklinik Ebersberg ist Falk Schmelzer in den Ruhestand gegangen. Jetzt möchte der Anästhesist vor allem segeln - vielleicht sogar um den Globus

Von Valentin Tischer, Ebersberg

In einem Drittel Jahrhundert als Arzt erlebt man viel mit. Von Tiefschlägen - etwa dem Tod einer jungen Frau, die trotz aller menschenmöglichen Anstrengungen bei der Geburt ihres Kindes stirbt - bis hin zu positiven Entwicklungen wie dem ständigen Wachstum der kleinen Ebersberger Kreisklinik. "Es gibt 1000 interessante Sachen zu erzählen, mit allen Höhen und Tiefen", sagt Falk Schmelzer. Der 65-jährige Anästhesist war bis vor Kurzem an der Kreisklinik tätig und ist nun - nach 33 Jahren im weißen Kittel - in den Ruhestand gegangen.

Dass Schmelzer einmal Arzt wird, stand nicht von Anfang an fest. Der gebürtige Ebersberger, der nun schon länger in Maria Thalheim im Nachbarlandkreis Erding lebt, war vor seinem Medizinstudium Ausgrabungstechniker beim Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege. Damals habe die Behörde noch selbst Ausgrabung durchgeführt, erzählt Schmelzer. Bei seinem Chef hat er wohl einen guten Eindruck hinterlassen: Als dieser an die Universität Bamberg berufen wird, will er den Techniker jedenfalls mitnehmen. Er aber habe abgelehnt, erzählt Schmelzer, weil es für ihn zu diesem Zeitpunkt dann doch feststand, dass er Arzt werden wollte.

Folglich schreibt der Ebersberger sich an der Ludwig-Maximilians-Universität München für Medizin ein. Über die Umwege Landshut und Traunstein, wo er seine Facharztausbildung abgeschlossen hat, kommt Schmelzer wieder zurück nach Ebersberg. Die Entscheidung, kein Archäologe geworden zu sein, bereut er nicht. "Ich habe mir die Frage sehr oft gestellt: Würde ich etwas anders machen? Und ich bin immer zum gleichen Antwort gekommen: Nein", erklärt Schmelzer. Er wäre in jedem Fall wieder Anästhesist geworden.

Die Arbeit als Narkosearzt sei für ihn eine besondere gewesen, erzählt er. Im Operationssaal sei man abgeschieden vom restlichen Krankenhaus. "Ich hätte nie auf einer Station arbeiten können", so Schmelzer. Ein Einzelgänger scheint er aber nicht zu sein, die Teamarbeit habe immer gut funktioniert, erzählt er. Die Stimmung unter den Kollegen, Ärzten wie Krankenpflegern, sei immer sehr gut gewesen. "Aber die Zeiten haben sich verändert": Durch erheblich mehr Arbeitsaufwand, stressige Dienste und gestiegenen Druck seien gerade in den vergangenen Jahren die Gemüter immer mehr belastet worden. "Die Leute werden förmlich ausgelutscht. Das miss' ich weiß Gott nicht", sagt Schmelzer.

Sich im Ruhestand nun endlich wieder Spontanität erlauben zu können, ist für Schmelzer ein hohes Gut. Vor allem sich wieder Zeit zu nehmen, um Freundschaften zu pflegen, genieße er sehr, sagt er. "Es ist wie früher im Studium, bloß dass man da kein Geld hatte", beschreibt er seine Situation. Auch seine Familie freue sich über die viele freie Zeit, die langen und häufigen Dienste hätten im Privaten durchaus Spuren hinterlassen. "Ich hatte das Glück, eine sehr duldungsfähige Frau zu haben. Sie hat immer viel Verständnis aufgebracht. Weil immer, wenn was war, ob nun der Keller abgesoffen ist oder etwas mit dem Kind war, bin ich natürlich im OP-Saal gestanden", erzählt Schmelzer. Wegen seines Berufs habe es aber nie ein ernsthaftes Problem in der Familie gegeben.

Trotz aller Widrigkeiten erzählt Schmelzer viel Gutes über seinen Arbeitsplatz an der Kreisklinik. Er habe noch unter dem allerersten Chefarzt in der Anästhesie gelernt, sagt er. Zu dieser Zeit sei das Ebersberger Krankenhaus noch relativ klein und unbedeutend gewesen. Im Laufe der Zeit habe sich das Leistungsspektrum des Hauses aber immer weiter vergrößert. Jetzt stehe die Klinik sehr gut da und blicke in eine gute Zukunft, so Schmelzer. "Diese Entwicklung zu sehen, war sehr spannend." Voll des Lobes ist der Neu-Rentner auch für seine ehemaligen Kollegen: "Es ist selten, dass man so gutes und freundliches Personal wie in Ebersberg findet."

Ganz aufgegeben hat Schmelzer den Arztberuf indes noch nicht. Er unterhält noch zwei Notarztstandorte - in Dorfen und Ebersberg. Für viele überraschend empfinde er diese Arbeit aber als entspannend. "Ich kann mir die Dienste aussuchen und es ist nicht wirklich anstrengend. Natürlich gibt es Nächte, an denen viel los ist, aber es gibt auch welche, die man durchschlafen kann. Es macht einfach Spaß", erklärt er.

Obendrein unterrichtet Schmelzer nach wie vor an der Schwesternschule in Ebersberg. "Ich habe das 30 Jahre lang gemacht und ganze Generationen von Schwestern ausgebildet", erzählt er. Derzeit ist er als Lehrer für Pharmakologie im Einsatz, und wenn es nach ihm geht, wird das auch noch einige zeit so bleiben. "Wenn die mich nächstes Jahr noch einmal haben wollen, und ich Zeit habe, dann mache ich natürlich weiter", so Schmelzer.

Zeitlich aber könnte das eng werden, denn Schmelzer hat noch viel vor. Schon oft ist er in der Welt unterwegs gewesen: Bereits während des Studiums hat er viel Zeit im Ausland verbracht. In den 1980er Jahren dann war er als "Praktikant" auf eigene Faust in Südafrika unterwegs und hat in abgelegenen Krankenhäusern gearbeitet. Seinen philippinischen Chefarzt aus dieser Zeit hat er später auch in dessen Heimatland besucht. Dieser sei ebenfalls Anästhesist und eine Koryphäe gewesen, erzählt Schmelzer. Nur die Bedingungen, unter denen der Kollege gearbeitet habe, lassen den Ebersberger den Kopf schütteln. Auch war Schmelzer schon mehr als dreißig Mal zum Motocross fahren auf Kreta - nun überlege er, sich dort sogar eine Wohnung zu mieten, erzählt er.

Außerdem hat Falk Schmelzer ein sehr großes Projekt geplant: Ein Freund und er haben sich ein Boot gekauft, mit dem schon einmal jemand um die Welt gesegelt sei. Ein Kunststück, das Schmelzer auch einmal schaffen möchte. Bis dahin müsse aber noch viel Zeit, Material und Geld in die zweimastige Yacht gesteckt werden. "Der Motor funktioniert nicht", erklärt er. Deswegen habe er das Schiff inoffiziell "Razzle Dazzle" getauft, nach dem heruntergekommenen Schiff Jack Londons. Die erste Reise soll auch erst einmal keine Weltumsegelung sein, sondern die Freunde nur von Alicante nach Genua führen. Durch alle Höhen und Tiefen.

© SZ vom 12.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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