Poing:Besuch in der Vergangenheit

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1945 ist Leslie Waltz nur knapp dem Poinger Todeszug entkommen. Nun kehrt der ehemalige KZ-Häftling zurück - auf der Suche nach einer Frau.

Karin Kampwerth

Ein Glas Milch als größtes Glück. An diese bescheidene Gabe erinnert sich Leslie Schwartz bis heute. Eine Frau in Grub bei Poing hatte Ende April 1945 den damals 15-Jährigen mit ein paar Lebensmitteln und eben der Milch versorgt, nachdem er aus dem Poinger Todeszug fliehen konnte. Aber der Jugendliche kam nicht weit. Wenig später trieben die Nazis die Häftlinge wieder zusammen und richteten dabei ein Massaker an.

Plastische Erinnerung an den Todeszug: Auch das Poinger Mahnmal wird der ehemalige KZ-Häftling Leslie Schwartz besichtigen. (Foto: region.ebe)

Leslie Schwartz wurde angeschossen und zusammen mit den Toten in einen Waggon geworfen, in dem er in Tutzing bei der Befreiung des Zuges durch die Amerikaner noch lebend geborgen werden konnte. Dramatische Tage, die sich dem heute 80-Jährigen gebürtigen Ungarn natürlich ins Gedächtnis eingebrannt haben. Am kommenden Donnerstag kehrt Leslie Schwartz für ein Wochenende an den schicksalhaften Ort zurück.

Schwartz wird das Poinger Mahnmal, das an das Massaker in den letzten Kriegstagen erinnert und erst vor wenigen Monaten aufgestellt worden ist, besuchen und anschließend mit den Markt Schwabener Gymnasiasten diskutieren, die die Ereignisse um die Evakuierung des Dachauer KZ-Außenlagers in Mühldorf im Rahmen ihrer Ausstellungsreihe "Vergessener Widerstand" recherchiert haben.

Für Geschichtslehrer Heinrich Mayer, der die Projektarbeit der Gymnasiasten geleitet hat, ist der Besuch ein unerwartetes Ergebnis der Schülerrecherchen. Schwartz, der in New York lebt, sei auf die Ausstellungsreihe aufmerksam gemacht worden und habe dann mit ihm Kontakt aufgenommen. "Sein Angebot, Poing und die Schule zu besuchen, habe ich sofort angenommen", sagt Mayer. Zusammen mit der Stiftung Bayerische Gedenkstätten e.V. und Poings Bürgermeister Albert Hingerl habe die Reise organisiert werden können.

Vor seinem Besuch in Markt Schwaben und Poing wird Schwartz am morgigen Donnerstag noch in Dachau erwartet. Am Samstag ist ein Treffen mit Max Mannheimer geplant, einem der bekanntesten KZ-Häftlinge, die dem Todeszug entkommen konnten. Am Sonntag steht noch ein Besuch in Tutzing an. Unterdessen ist Geschichtslehrer Mayer auf der Suche nach Kindern oder Bekannten der Frau mit der Milch. Diese zu treffen, sei Schwartz' dringendster Wunsch, sagt Mayer.

© SZ vom 30.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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