Archäologie in Poing:Aufschlussreiche Relikte

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Die Ausgrabungen am Poinger Lerchenwinkel sind abgeschlossen. Die Funde in der Nekropole geben Hinweise auf die Glockenbecherkultur

Von Aurelia Hennes, Poing

Beeindruckender Blick auf das Grabungsgelände im Poinger Norden aus der Vogelperspektive. (Foto: ARGE Poing "Am Bergfeld"/Klaus Leidorf/oh)

Dort, wo in Poing das neue Wohnbaugebiet "Lerchenwinkel" entsteht, haben bereits einmal Menschen gewohnt - und zwar vor etwa 3000 Jahren. Dank aufwendiger archäologischer Ausgrabungen, die nun abgeschlossen sind, konnte annäherungsweise rekonstruiert werden, wie das Leben der Bewohner damals wohl ausgesehen haben könnte. Allen Anschein nach waren sie nämlich unter anderem Teil der in Europa nicht weit verbreiteten Glockenbecherkultur.

Seit Januar 2018 wurde Schaufel für Schaufel am Lerchenwinkel die erste Bodenschicht abgetragen und von einem Archäologenteam sorgfältig nach Funden durchsucht. Nun wurden die Ausgrabungen abgeschlossen - mit Erfolg. Durch aufwendige Digitalisierung der Entdeckungen konnte mit Koordinaten eine vollständige Siedlung, die man auf die späte Bronzezeit und die beginnende Hallstattzeit datiert, rekonstruiert werden. Was von ihr übrig ist: Dunkle Verfärbungen im Boden, die auf die Holzbauweise der Siedlung hindeuten.

Viele Jahre lang haben Archäologen das Areal erkundet, auf dem jetzt ein Neubaugebiet entstehen wird. (Foto: Thomas Schächtl/oh)

Allein die Tatsache, dass sich an diesem Standort Menschen ansiedelten, ist nach Einschätzung der Fachleute bemerkenswert: "Die Niederlassung einer Siedlung ausgerechnet an diesem Ort ist eher ungewöhnlich, da dort weder ein Fluss oder eine Handelsstraße verlief, an den sich die Menschen damals normalerweise strategisch orientierten", erklärt Thomas Schächtl von der Agentur für Standortmarketing und Kommunikation "Schwebende Elefanten". Man vermutet allerdings, dass der ausschlaggebende Faktor, wieso Menschen dort siedelten, die leichte Erreichbarkeit des Grundwassers war.

Gefunden wurde außer den Resten der Wohnhäuser eine Nekropole mit neun Gräbern sowie zwei Kindergräbern. Auffällig an den Grabstätten: den Verstorbenen wurde ein bauchiges, keramisches Gefäß mit in das Grab gelegt, die sogenannten Glockenbecher. "Insgesamt können die beigegebenen Keramikgefäße relativchronologisch in die mittlere beziehungsweise durch das breite Spektrum an Begleitkeramik vornehmlich in die jüngste Stufe der Glockenbecherzeit eingehängt werden", heißt es in dem offiziellen Grabungsbericht des Büros Planateam Archäologie. Nicht nur die Gefäße selbst, sondern auch die Ausrichtung der Skelette sind ein Indiz auf die sogenannte "Glockenbecherkultur", so Schächtl: Die Toten wurden in einer hockenden Stellung in Seitenlage beigesetzt.

Das Archäologenteam fand Reste von Wohnhäusern und eine Nekropole. (Foto: Thomas Schächtl/oh)

Wenn der Körper mit dem Kopf Richtung Süden und Füßen Richtung Norden mit den Extremitäten nach rechts gewandt beerdigt wurde, geht man davon aus, dass es sich bei dem Leichnam um eine Frau gehandelt haben muss. Analog dazu wurden mutmaßlich Männer mit den Kopf im Norden, die Füße in Richtung Süden sowie Arme und Beine nach links gedreht beerdigt. Die Anfänge der Glockenbecherkultur werden in Spanien vermutet, von wo sie sich Richtung dem heutigen Ungarn ausbreitete. Zeitlich wird die Kultur schätzungsweise ab 2600 vor Christi Geburt bis circa 2200 vor Christi Geburt datiert.

Der Grabungsbericht bilanziert neben den Gräbern insgesamt fast 100 Hausgrundrisse. Von März 2021 soll an diesem historisch-bedeutungsschwangeren Ort moderner, bezahlbarer Wohnraum mit großzügigen Grünflächen gebaut werden. Die Relikte wie Knochen und Keramikstücke werden dann als Zeugnis der Poinger Glockenbecherzeit in der Bayrischen Staatssammlung archiviert und von Historikern tiefergehend analysiert.

© SZ vom 11.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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