Pliening:Streicheleinheiten fürs Ohr

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Die Band "Table for Two" bei ihrem Auftritt am Freitagabend im Ottersberger Kulturstadl in Pliening, der gut besucht war. (Foto: Christian Endt)

Beim Auftritt der Band "Table for Two" im Ottersberger Kulturstadel braucht es feines Gehör, um die besonderen Momente herauszuhören

Von Ulrich Pfaffenberger, Pliening

"Easy listening" nennen die Amerikaner jene Art von Musik, bei der das Zuhören keiner Mühe bedarf, bei der Melodien unaufdringlich in den Fluss des Lebens hineinplätschern und unscheinbar auch wieder in die Atmosphäre verduften. Man vernimmt sie, zum Beispiel, am "Table for two" in der Teehalle eines Grandhotels oder aus dem Autoradio bei einer entspannten Überlandfahrt, bei der das Dahinrollendürfen auf der Straße wichtiger ist als das Ankommen.

Wenn also eine Band namens Table for Two am Freitagabend zum Konzert im Ottersberger Kulturstadel in Pliening antritt, was darf man erwarten? Stressabbau am Ende einer arbeitsamen Woche? Abkühlung - die nachwachsende Generation nennt es "Chillen" - zum Ausgleich für überhitzte Tage? Streicheleinheiten fürs Ohr? Von allem etwas serviert das Quartett aus München dem Publikum in Rudi Zapfs heiligen Hallen; und man kann an dessen Reaktionen ablesen, dass es das liebliche Dahinplätschern der musikalischen Darbietungen zu schätzen und zu genießen weiß. Da erleben wir keine Ausbrüche überbordender Leidenschaft, sondern sanftes Wiegen in der Melodie. Selbst bei gelegentlichen temporeichen Boogie-Woogies bleibt das Schlagzeug intensiver als das Mitklatschen im Publikum. Bei den Balladen wiederum sieht man viele Hände, die sanft zueinander finden oder zärtlich über den Rücken der Begleitung streicheln.

Die eine Dominante des Abends ist Harry Kulzer, Sänger, Gitarrist und Pianist des Quartetts. Von wenigen Ausnahmen abgesehen ist es seine Stimme, die den Ton an- und die Klangfarbe vorgibt. Die andere Dominante ist das Repertoire, das ausschließlich aus eigenen Kompositionen und Arrangements besteht, die im Lauf vieler gemeinsamer Bühnenjahre und inzwischen neun CDs zusammengekommen sind. Weshalb, so das Versprechen vor dem Konzert, es keine geplante Abfolge der Stücke geben werde, sondern die Band nach Lust, Laune und Eingebung sich für die jeweils nächste Nummer entscheide. Das hört sich dann fürs Publikum so an: "Mir ist's jetzt nach der 87..." Wobei, wie die Lautsprecher-Codes im Kaufhaus, die wahre Bedeutung der Zahlen dem Publikum verschlossen und damit das Versprechen unüberprüfbar bleibt.

Beide Dominanten zusammen münden in das, was anwesende Fans - einer ist mit seiner Familie sogar aus Ungarn angereist - als den typischen "Table-for-two-Sound" bezeichnen, was aber für Premieren-Hörer eine Herausforderung mit sich bringt: Es ist etwas mühsam, sich einzelne Songtitel einzuprägen, weil sie sich untereinander doch sehr ähnlich sind. Womit, trotz des Spielchens mit den spontan ausgewählten Nummern, ziemlich gut vorhersehbar ist, was da als nächstes erklingen wird.

Also lebt das Konzert aus dem Moment heraus, aus den kleinen Überraschungen, den Fluchten aus den Standards. Da greift zum Beispiel Kulzer zur kultigen Cigar Box, dem handlich-schlichten Gitarren-Selbstbaumodell, wie es im Mississippi-Delta zuhause ist, und versetzt damit einen Song lang dem säuberlich polierten Klangbild einige spannende Kratzer. Oder Schlagzeuger Thomas Froschmaier flicht - eine Art sprechender Untertitel zum Original - mit grummeliger Lässigkeit die bairische Übersetzung der englischen Gesangszeilen ein, mithin der Beweis dafür, dass die musikalisch adäquate deutsche Wiedergabe von Jazz- und Blues-Songs in Mundart der Vorlage am nächsten kommt. Selbst der Wechsel vom Saxophon zur Klarinette oder Querflöte, wie ihn Wolfgang Opitz gelegentlich vollzieht, sticht aus der gleichmäßigen Klangfarbe schon heraus wie eine Mohnblume aus dem Kornfeld. Damit die versteckten, feinsinnigen Ausflüge von Kontrabassist Willy Lichtenberg in die vierte oder fünfte Lage auf dem Griffbrett beim Zuhörer ankommen, braucht es schon extrem feines Gehör.

Etwas in die Jahre gekommen erscheinen gelegentliche Seitensprünge - bei Anmoderationen wie bei Songtexten - in jenen hemdsärmeligen, erotikfreien Männerhumor, der seine besten Tage nie gesehen hat. Wenn da von "my desire are bitches who send me on fire" gesungen wird oder Anspielungen auf die sexuellen Kräfte von Pferden erklingen, dann mag sich manch unbefangener Zuhörer schon denken: "Jungs, habt ihr das nötig?" Gleichwohl gab es freundlichen und ausgiebigen Applaus, getragen auch vom Dank dafür, dass sich das angekündigte Abendgewitter von Ottersberg fernhielt. Leider auch von der Bühne im Stadel.

© SZ vom 29.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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