Pliening:Gemeinsam gegen den Verkehr

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Die Gemeinde möchte mit einer landkreisübergreifenden Umgehungsstraße seine Ortsteile entlasten. Die Nachbargemeinden zeigen sich gesprächsbereit.

Von Alexandra Leuthner, Pliening

Die ganz große Lösung - eine Entlastungsstraße quer durch die Schotterebene östlich von München und südlich des Speichersees - könnte das Umgehungsdilemma der Gemeinde Pliening vielleicht lösen. Seit Jahren plant die Gemeinde eine Umfahrung, die ihre Ortsteile vom Durchgangsverkehr entlastet. Bisher sieht es aber so aus, als würden die Plieninger auf ihrem Problem sitzen bleiben, zumindest wenn sie sich nicht mit ihren Nachbarn zusammentun.

Das möchte Plienings Bürgermeister Roland Frick (CSU) ändern. Nur wenn die Kommunen hier mit einer Stimme sprächen, könne man genug Druck ausüben, damit sich die Regierung der wachsenden Verkehrsprobleme im Münchner Osten annehme. "Das muss doch eigentlich eine Aufgabe der Politik sein", sagt Frick.

Die bisher von Pliening favorisierte Trasse scheitert an den Nachbarn Poing im Süden und Kirchheim im Westen. Die Straße würde sich in einem großen "S" von Nordosten her nördlich um Pliening und Gelting winden, zwischen Pliening und dem Ortsteil Landsham hindurch in Richtung Poing führen, um dann in Kirchheim an die Staatsstraße 2082 anzuschließen.

Von anderen, kleineren Varianten hält man in Pliening wenig, sie würden jeweils nur einem Teil des Orts helfen. So hat Frick die Idee einer landkreisüberspannenden Straße aufgebracht und auch schon einmal mit seinen Bürgermeisterkollegen diskutiert. Die Trasse könnte, so erste Überlegungen, von der M 1 oder der A 99 bei Kirchheim zur Flughafentangente Ost hinüberführen.

Von konkreten Planungen ist man aber noch weit entfernt. Dem Straßenbauamt Rosenheim, das mit Pliening an der Abstimmung des Konzepts gearbeitet hatte, sind die Hände gebunden, weil die Ortsumgehung im Straßenausbauplan in der nachgeordneten Kategorie 1 R bleibt - und damit in der Priorität der Bauvorhaben hinter etwa 60 anderen Ausbauprojekten zurückstehen muss. "Wir haben den Plieningern geraten, erst mal alleine weiterzuplanen", erklärt Christian Rehm vom Staatlichen Bauamt. Frühestens 2021 bis 2025 kommt Pliening an die Reihe; allerdings steht nur die kleine Lösung im Ausbauplan.

Nach einem Gespräch der Plieninger Gemeindeverwaltung mit Vertretern von Innenministerium und Landtag im vergangenen Sommer waren im Bürgermeisterzimmer Hoffnungen aufgekeimt, die Gemeinde könne vom Wegfall anderer Baumaßnahmen profitieren und in der Prioritätenliste weiter nach vorne rücken. Damit wäre innerhalb der nächsten fünf Jahre die Planung und eventuell ein Baubeginn möglich geworden.

So aber tritt die Gemeinde bis 2020 weiter auf der Stelle, wenn ihr nicht die Quadratur des Kreises gelingt. Dafür aber müsste sie zum einen eine Route finden, von der kein Nachbar tangiert würde, was im kleinräumigen Umfeld kaum möglich ist. Zum anderen müsste sie so viel Geld im eigenen Haushalt erwirtschaften, dass sie die Straße in kommunaler Sonderbaulast übernehmen könnte. Planung, Grunderwerb und Bau gingen in diesem Fall vollständig zu Lasten der Gemeinde, sie bekäme aber eine Förderung vom Freistaat von bis zu 80 Prozent.

Im bayerischen Straßenausbauplan werden die Kosten für eine knapp sechs Kilometer lange Umfahrung mit 9,8 Millionen Euro beziffert. Alleine die Baukosten würden, erklärte Frick zuletzt im Gemeinderat, die Gemeinde mit zwei bis drei Millionen belasten, den Grundstückserwerb noch nicht mitgerechnet. Förderfähig aber ist nur ein Projekt, bei dem alle rechtlichen und regionalplanerischen Hindernisse beseitigt sind. Was wiederum heißt: Solange Kirchheim nicht mitzieht, kann Pliening nichts tun.

Der Gemeinderat der Nachbarn im Landkreis München aber hat vor zweieinhalb Jahren einer Änderung des Flächennutzungsplans zugestimmt, die eine Ausweitung des Gewerbegebiets auf die geplante Trasse der nachbarlichen Umgehung mit sich brachte. Dabei sei es für die Gemeinde zwar nur um eine städtebauliche Abrundung gegangen, stellt der Kirchheimer Bürgermeister Maximilian Böltl (CSU) klar. Er sagt aber auch: Durch die Anbindung einer Umgehung an die Staatsstraße 2082 in Kirchheim würde diese Straße noch attraktiver für den Verkehr. "Das geht bei uns direkt durch den Ort, an Wohngärten vorbei. Da haben wir eh schon eine hohe Lärmbelastung."

Plienings Nachbar im Süden, Poing, stört sich an der Nähe der Trasse zu seinen Wohngebieten an der Bergfeldstraße und an einer nahegelegenen Anschlussstelle. Die wiederum wünscht sich Pliening unbedingt, weil es hofft, dass dann weniger Bürger aus jenen Wohngebieten über die Poinger Straße durch Gelting und über die Staatsstraße 2332 Richtung Markt Schwaben zur Flughafentangente fahren.

Natürlich könne er die Plieninger Argumentation verstehen, sagt Poings Bürgermeister Albert Hingerl (SPD). Er legt Wert auf die Feststellung, dass seine Gemeinde nicht grundsätzlich gegen die Umgehungswünsche des Nachbarn sei. "Aber ich glaube nicht, dass ein Anschluss an die Umgehung und ein Abfließen der Autos aus Poing an dieser Stelle uns in dem Maße entlastet, dass das dann auch ein Vorteil für uns wäre."

Weiteren Gesprächen wolle sich Poing aber nicht verschließen, zumal auch Hingerl einräumt, dass die Verkehrsbelastung im Ballungsraum durch die Nähe des Flughafens München und auch den Zuzug weiter ansteigen werde. "Aber der Blick sollte über die Gemeindegrenzen hinausgehen."

Das sehen die Bürgermeister Frick und Böltl ganz ähnlich, die bereits ein weiteres Treffen vereinbart haben, um über eine Lösung zu reden. In Kirchheim, wo es seit längerem Überlegungen zu einer quadratischen Umfahrung der Gemeinde gibt, sei allerdings jede Trasse ausgeschlossen, die mehr Verkehr zur A 99 und auf die Staatsstraße bringt, sagt Böltl: "Nur was in die M 1 mündet, ist für uns noch erträglich."

Eigentlich hatte man, wie er erklärt, die Osttangente, also eine Verbindung zwischen der Staatsstraße und der M 1, schon verworfen. Es gebe Annahmen, dass eine solche Tangente mit Anschluss an die M 1 weiteren Verkehr auf die Staatsstraße ziehe, weil dann mehr Fahrzeuge aus Poing über diese Route fahren würden. "Wir sind aber gesprächsbereit für eine gemeinsame Lösung." Wenn immer jeder nur sein eigenes Süppchen koche, führe das doch nur zu einem "Flickenteppich" und einer Verlagerung des Verkehrs.

Und vielleicht, gibt Böltl schließlich noch zu bedenken, sei dieses Dilemma ja auch ein Ansatzpunkt dafür, dass man sich künftig Gedanken über die Organisation des Verkehrs machen sollte, bevor man immer neue Wohngebiete plane.

© SZ vom 25.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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