Pliening:Ein Ort soll rund sein

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Die Ortsteile haben sich unterschiedlich schnell entwickelt. Die Gemeinde versucht sich in einem Balanceakt zwischen der Bewahrung gewachsener Strukturen und einer ausgewogenen Entwicklung

Von Alexandra Leuthner, Pliening

Als die Nachricht, dass die Gemeinde Pliening ein Neubaugebiet in ihrem Ortsteil Landsham plant, zum allerersten Mal öffentlich gemacht wurde, erreichte den Bauamtsleiter der Gemeinde die E-Mail eines privaten Interessenten, der sich gerne gleich drei Einfamilienhäuser sichern wollte. "Ohne zu wissen, was wir planen, was wir verlangen, was wir wollen. Nichts." Martin Schmidt-Roschow kann es immer noch nicht fassen. Schließlich ist das Baugebiet, das in 45 Ein- und Mehrfamilienhäusern sowie etwa 150 Wohnungen mehr als 200 Neubürgern Platz bieten soll, noch ein gutes Stück von der Planungsreife entfernt. 2017 sollen die ersten Grundstücke verkauft werden. Trotzdem: "50, 60 Bewerber haben wir schon, und das sind nicht nur Leute aus Pliening", berichtet Bauamtsleiter Schmidt-Roschow.

Der Siedlungsdruck macht so etwas möglich, und je stadtnäher ein Ort liegt, desto größer sind die Begehrlichkeiten - ein Unterschied, der sich sogar innerhalb einer Kommune bemerkbar machen kann. Zumal wenn ein Ort wie eben Pliening im Zuge der Gebietsreform aus mehreren Einzelgemeinden entstanden ist, die noch bis heute unterschiedlich strukturiert sind. Landsham, der Ortsteil, den man unter der Münchner Vorwahl "089" erreicht, orientiert sich stark zum nebenan gelegenen Kirchheim und teilt sich mit der Gemeinde im Landkreis München sogar die Pfarrei. Auch das Gewerbegebiet, wo als größter Betrieb der Verpackungsgroßhändler Ratioform sitzt, trägt zum vorstädtischen Charakter des Ortsteils bei. Der Bodenrichtwert in Landsham liegt bei etwa 740 Euro und könnte noch steigen, wenn die Verkehrsanbindung nach München besser wird. Ein Expressbus, der das Gewerbegebiet an die Messe in Riem anbindet, schwebt dem Bürgermeister vor; und eine Neuauflage der Busverbindung zur S-Bahn in Heimstetten, die wegen geringer Auslastung vor Jahren eingestellt wurde, aber durch einen Wachstumsschub wieder rentabel werden könnte.

In Pliening selbst ist der Baugrund noch etwas billiger zu haben, der Bodenrichtpreis liegt hier bei etwa 650 Euro für den Quadratmeter. "Das heißt allerdings nicht, dass Sie auch Grund kriegen können für das Geld", sagt Bürgermeister Roland Frick (CSU). Insgesamt rechnet der Planungsverband München in seiner Bevölkerungsprognose für die 5 500-Seelen-Gemeinde mit bis zu 1000 neuen Einwohnern bis 2021. Den größten Batzen macht dabei das Neubaugebiet Landsham-Süd aus, das im Besitz der Gemeinde ist und bei seinem Verkauf für verschiedene Investitionen dringend notwendiges Geld in die Gemeindekasse spülen soll. Unter anderem ist ein neues Gerätehaus für die Feuerwehr Pliening in Planung, das unmittelbar neben der Feuerwehr Gelting entstehen soll.

Eine Goldgrube für die Gemeinde ist der Plieninger Ortsteil Landsham: Der Bodenrichtwert liegt hier bei etwa 740 Euro und könnte noch steigen. (Foto: Christian Endt)

"Landsham-Süd ist für uns das A und O" , sagt der Bürgermeister - was im Endeffekt nichts anderes bedeutet, als dass das Geld, das im einen Ortsteil erworben, im anderen verbraucht wird, um dort eine Investition zu tätigen, die - ketzerisch ausgedrückt - vielleicht gar nicht nötig wäre, wenn alle drei Ortsteile eine Wehr gemeinsam betreiben würden. Doch in Gelting haben einige Feuerwehrkameraden sogar mit dem Austritt gedroht, als es mit der Planung für das neue Plieninger Gebäude ernst, und als klar wurde, das es wirklich gleich nebenan stehen wird. Auch der Synergieeffekte wegen, die bei den gestandenen Feuerwehrlern Existenzängste wecken. Ist es also so schwierig, die gewachsenen Ortsteile unter einen Hut zu bringen?

Bürgermeister Frick verneint das vehement. "Dass ein paar Alteingesessene immer noch dieses Heimatgefühl nur für ihren Ortsteil haben, das mag ja sein. Bei den Jungen aber ist das nicht mehr so." Das habe die 1200-Jahr-Feier vor zwei Jahren gezeigt, die hätten alle Vereine im Ort gemeinsam gestemmt, "die Burschenvereine in Landsham und Pliening, die arbeiten sowieso hervorragend zusammen." Auch bei der EiP, der Plieninger Elterninitiative, die Trägerin des Horts, der Mittagsbetreuung und mehrerer Kleinkindergruppen ist, mischen sich die Mitglieder, auch im Vorstand. "Und schauen Sie unseren Maibaumverein an. Da sind die Vorstände aller Plieninger Vereine mit drin". Der Maibaumverein ist federführend bei der Gestaltung eines neuen Dorfplatzes, der wiederum in Landsham liegt - und die Begleichung des Kredits, den die Gemeinde hatte aufnehmen müssen, um den Platz zu erwerben, ist ein weiterer Grund, warum die Gemeinde dringend Geld aus dem Verkauf der Flächen in Landsham-Süd braucht. Nicht zuletzt muss sie langfristig auch ein weiteres Kinderhaus finanzieren, in dem die Sprösslinge der neu Zugezogenen betreut werden können. Die Gemeinde verlangt von Bauwerbern im Außenbereich jeweils 30 Prozent der Fläche als Bauland für Einheimische, hält sich in Landsham-Süd aber auch selbst an diese Vorgaben. "1000 Euro für einen Quadratmeter, wer soll sich das denn sonst leisten", sagt der Bürgermeister. In Landsham hat die Gemeinde überdies Flächen für Sozialen Wohnungsbau reserviert. Der Ortsteil wird vermutlich durch die Neubürger deutlich jünger werden.

Auf Bevölkerungszuwachs, wenn nicht in gleich hohem Maße, werden sich aber auch Gelting und Pliening einstellen können. Auf dem Platz des früheren Traditionsgasthofs Greimel entstehen demnächst Einfamilienhäuser, was auch hier die Ortsstruktur weiter verändert, weg vom Bauerndorf hin zum städtischen Vorort. An die 60 Neubürger könnten hier einziehen. Weitere Wohneinheiten entstehen in den beiden Geltinger Baugebieten Tanzfleckl Nord und Süd, mit 40 beziehungsweise etwa 55 Neubürgern, also auch hier Wohnbebauung, wo früher gleich hinter dem Pfarrhof der Geltinger Pfarrkirche und dem ältesten Bauernhof am Platze, dem Zehmerhof, Felder lagen. Mitten im Ortsteil Pliening, in der Nähe des Rathauses, könnte in den kommenden zwei oder drei Jahren ebenfalls Platz für modernes Wohnen entstehen und ein weiterer Hof aus dem Ortsbild verschwinden. 53 Wohnungen stehen zur Debatte, wenn der betreffende Bauer vom Siglweg in einen Aussiedlerhof umzieht. Und schließlich könnte auch der kleine Ortsteil Ottersberg wachsen: Zwei Hektar potenzielle Entwicklungsflächen hat der Regionale Planungsverband in einer Untersuchung des Gemeindegebiets aufgelistet.

Ganz gemächlich lässt es Kirchseeon angehen - mit einem Bevölkerungswachstum von einem Prozent. (Foto: Christian Endt)

Seit der Gebietsreform gehören Pliening, Landsham, Ottersberg und der älteste Ortsteil Gelting zusammen. Auf das Gründungsdatum des letzteren bezieht sich nun die Gesamtgemeinde und hat das vor zwei Jahren auch mit großem Brimborium gemeinsam gefeiert. Ein gutes Zeichen für das Zusammenwachsen? Mit der Gebietsreform sollten leistungsfähigere Großgemeinden geschaffen werden, dass sich aber die Gemeinden tatsächlich zu Einheiten entwickeln, dafür hat es möglicherweise erst den Siedlungsdruck gebraucht. Dennoch ist sicher nicht von der Hand zu weisen, dass sich manche Orte in der Zwangsehe lange unwohl fühlten. Die Sache mit der eigenen Feuerwehr kennt man aus anderen Gemeinden auch. Pöring etwa leistet sich nicht nur eine eigene Wehr, obwohl es längst zu Zorneding gehört, sondern auch eigene Jagdgenossenschaften.

Für die Gemeinden ist der Umgang mit dem Zwiespalt zwischen gewachsenen Strukturen und dem Bemühen, zusammenzufügen, was zusammen gespannt ist, ein Drahtseilakt. So sitzt im Plieninger Gemeinderat seit Jahren die Wählergruppe Gelting, die ihren Namen nicht von ungefähr trägt. Obwohl sie nur einen Vertreter im Gremium hat und damit eigentlich ohne Fraktionsstatus ist, hat ihr der Gemeinderat auf Vorschlag des Bürgermeisters Zugang zu allen Ausschüssen gewährt. Gelting ist von den drei großen Ortsteilen nicht nur der älteste, sondern auch der dörflichste. Und doch muss die Gemeinde auch hier versuchen, einem verträglichen Wachstum Raum zu geben. "Ein Ort soll rund sein", sagt Bauamtsleter Schmidt-Roschow, "das ist ein Grundsatz der Bauleitplanung" - der in Pliening schon aus rein geografischer Sicht schwer zu erfüllen ist.

Um die Entwicklung besser steuern zu können, will sich die Gemeinde nun eines Instruments bedienen, das ihr das Baugesetzbuch an die Hand gibt: Mit seiner Novellierung aus dem Jahr 2013 räumt es der Entwicklung der Innenräume mehr Gewicht ein, was besonders in Ballungsräumen zunehmend an Bedeutung gewinnt. So hat die Gemeinde nun begonnen, in Zusammenarbeit mit dem Regionalen Planungsverband ein Flächenkataster zur Ermittlung möglicher Innenbereichspotenziale zu erarbeiten. In einem ersten Schritt hat der Planungsverband Flächen aufgelistet, die bebaut werden könnten - Baulücken und größere Parzellen im Innenbereich, die unter Bebauungsplänen liegen oder im Flächennutzungsplan schon als Baugebiet gekennzeichnet sind. Über 27 Hektar an solchen Leerflächen sind in der Studie aufgelistet, das entspricht, so das Bauamt, etwa zehn Prozent des gesamten bebauten Gemeindegebiets. Dabei verteilen sich die Potenzialflächen allerdings unterschiedlich auf die Gemeindeteile: 11,5 Hektar sind es in Landsam, über sieben in Gelting, etwas mehr als zwei Hektar immerhin im kleinen Ottersberg und der Rest in Pliening. Mit den endgültigen Ergebnissen habe die Gemeinde dann ein gutes Steuerungsmittel in der Hand, um auf unschöne Auswüchse und Anträge auf Baulandausweisungen in Außenbereichen zu kontern, so Schmidt-Roschow. Die Ortsteile aber werden sich verändern - und sich dabei immer ähnlicher werden.

© SZ vom 02.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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