Orte der Besinnung, SZ-Serie, Folge 8:Messe im Mondschein

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In der Adventszeit kommen die Menschen in Aßling um fünf Uhr früh zum katholischen Gottesdienst zusammen. Anschließend treffen sich die Kirchgänger beim "Engelamt" im Pfarrhaus zum gemeinsamen Frühstück

Von Phil Klüh, Aßling

Es ist dunkel, es ist kalt, die Straßen sind nass und leer, nur der Mond scheint. In dieser Dezembernacht scheint es, als sei noch keine einzige Person auf den Beinen. Kein Wunder, ist es doch erst 4.52 Uhr. Auch wenige Meter vor der Eingangstür der katholischen Kirche in Aßling ist kein Ton, kein Licht, kein Leben zu vernehmen. Kaum vorstellbar, dass hier in wenigen Minuten eine besondere Veranstaltung beginnt.

Das ändert sich, sobald man die Kirche betritt. Einige Besucher haben sich dort bereits auf den Bänken niedergelassen, viele strömen nach und nach in die Kirche, nehmen sich eine leuchtende Kerze und stellen sie vor sich auf der Bank ab. Dann setzen sie sich nieder. Viele der Besucher sind seit Jahren Stammgäste beim sogenannten Engelamt, das jeden Freitag in der Adventszeit zur Kombination aus Messe und Frühstück einlädt. Jetzt wirken viele, als seien sie tief in Gedanken versunken. Obwohl der Andrang recht groß ist, bleibt es auch in der Kirche zunächst ähnlich still wie zuvor auf der Straße. Ausgenommen einem leisen Knarzen, das die Tür beim Schließen verursacht und das immer dann zu hören ist, wenn ein Besucher den Weg in die Kirche gefunden hat. Und einem freundlichen, aber bewusst leise gehaltenen "Morgen", mit dem eine Frau eine andere begrüßt. Dieser Morgen strahlt Ruhe aus, über dem Altar hängt ein Adventskranz mit drei brennenden Lichtlein - das Weihnachtsfest steht unmittelbar bevor. Das helle Strahlen der Kerzen auf den Bänken hilft dabei, die müden Augen mit jedem Atemzug etwas größer werden zu lassen.

Um Punkt fünf Uhr ist sie dann verflogen, die Müdigkeit. Von den Glocken im wahrsten Sinne des Wortes eingeläutet, tritt Aßlings Pfarrer Jakob Brandl an den Altar und eröffnet die katholische Messe. Mit lauten Stimmen beteiligen sich die Besucher am Gesang. Drei von ihnen treten jeweils kurz vor die Gemeinde und lesen einen Auszug aus der Bibel vor. Die restliche Messe wird mit Gebeten und Liedern gefüllt. Man merkt den Besuchern die Freunde an, gemeinsam und lauthals singen zu können. Es wirkt fast so, als hätten sie in den Minuten vor dem Gottesdienst ihre Energie gebündelt, um diese jetzt komplett ausschöpfen zu können.

In den Minuten bevor die Messe mit Pfarrer Jakob Brandl losgeht, hört man in der Aßlinger Kirche nur das Knarzen der Eingangstüre. Mit dem Glockenläuten um Punkt fünf Uhr kommt Musik in die morgendliche Stille. (Foto: Christian Endt)

Zum Abschluss bittet Pfarrer Brandl zum Segen, den er als Sinnbild für das Abendmahl mit Wein aus einem goldenen Kelch verteilt. Auffällig ist auch hier die Ruhe und Harmonie, mit der die Zeremonie durchgeführt wird. Man könnte meinen, die Zeit steht still und die Besucher hätten den alltäglichen Stress beim Aufstehen von sich abgeschüttelt. Nach rund 30 Minuten ist die Messe in der katholischen Kirche schließlich beendet. Gemächlich erheben die Besucher ihr Haupt, stellen ihre brennende Kerze zurück und bewegen sich langsam nach draußen.

Der Morgen ist aber noch lange nicht vorbei, jetzt, da die Uhr 5.30 anzeigt. Denn zu einem gelungenen Start in den Tag gehört eine ausreichende Kräftigung, vor allem nach einem Gottesdienst, der das Abendmahl thematisiert hat. Es geht zum rund 500 Meter entfernten Pfarrhaus, wo die Gemeinde zum gemeinsamen Frühstück einlädt. Bei Brot, Marmelade und Kaffee lässt man die morgendliche Frühschicht ausklingen. Während beim Gottesdienst jeder eher mit sich selbst beschäftigt war werden jetzt ausgiebig Unterhaltungen nachgeholt. Das Licht im Pfarrhaus ist hell, fast schon zu hell, die Augen sind noch an die Finsternis gewöhnt. Im Lichtschein rücken die Menschen jetzt eng zusammen und tauschen sich am großen Gruppentischen angeregt aus. Es wird berichtet, was man in der Woche seit dem letzten Gottesdienst Bedeutendes erlebt hat. Oder wie weit man in den Vorbereitungen für Weihnachten fortgeschritten ist.

Zum Engelamt gehört nicht nur der Gottesdienst, sondern auch ein ordentliches Frühstück. Dafür ziehen die Kirchgänger ins Aßlinger Pfarrhaus um. (Foto: Christian Endt)

"Beim letzten Termin vor Weihnachten gibt es sogar Brezen und Semmel", berichten zwei ältere Besucherinnen. Doch es ist nicht die kulinarische Auswahl, welche sie glücklich mache, sagen sie. Vielmehr das Erlebnis, den Start in den Tag mit anderen zu teilen. Das verbindet. Denn egal, wie verschieden der restliche Tag bei jedem aussehen mag: Den Anfang hat man gemeinsam gemeistert. Spätestens, als die Finsternis den ersten zarten Sonnenstrahlen weicht und das Pfarrhaus nicht mehr das einzige Gebäude im Ort ist, in dem Licht brennt, verlassen auch die letzten das Frühstücksessen. Die Wege trennen sich. Aber nur auf Zeit, man sieht sich wieder. Schon ganz bald und ganz früh. Im Dunkeln.

© SZ vom 19.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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