Nicht nur bei Großprojekten:Zunehmendes Mitteilungsbedürfnis

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Obwohl es im Vaterstettener Gemeinderat keine Bürgerfragerunde gibt, ergreifen immer wieder Zuhörer das Wort

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

Das Publikum ist sichtlich bewegt von der Darbietung. Es wird getuschelt und kommentiert, es kommt sogar zu Zwischenrufen. So mancher Regisseur würde sich über solche Reaktionen freuen - schade nur, dass es hier nicht um die Aufführung eines modernen Theaterstücks geht, sondern um eine Gemeinderatssitzung, und da sind Zuschauerfragen und Zwischenrufe unzulässig. Eine Tatsache, auf die Vaterstettens Bürgermeister Georg Reitsberger (FW) in den vergangenen Monaten immer öfter hinweisen musste.

In Vaterstetten sind es vor allem zwei Themen, die nicht nur Zuhörer in die Sitzungen locken, sondern diese offenbar auch zur - wenn auch unerlaubten - Teilnahme daran animieren. Zum einen die geplante Umgehungsstraße für Weißenfeld und Parsdorf, zum anderen umfangreichere Bauvorhaben, die es in Vaterstetten ja immer sehr zahlreich gibt. Aber nicht nur bei Großprojekten scheint der Diskussionsbedarf auf den Zuschauerplätzen zuzunehmen. So ist es inzwischen schon mehrmals vorgekommen, dass ein Bauantrag abgelehnt wird, woraufhin der Bauwerber versucht, in die Debatte einzugreifen und dann mit manchmal mehr, manchmal mit weniger Mühe davon abgebracht werden muss.

Was vermutlich einerseits im Temperament des jeweiligen Zwischenrufers begründet liegt. Nicht allen ist es gegeben, ruhig daneben zu sitzen, wenn der Gemeinderat beschließt, dass auf dem Nachbargrundstück eine neue Wohnsiedlung entstehen soll, oder im Bauausschuss der Wintergarten zum nicht genehmigungsfähigen Projekt deklariert wird. Andererseits verzichtet Vaterstetten - als eine von wenigen Landkreiskommunen - auf die Möglichkeit, die Zuhörer in den Sitzungen offiziell zu Wort kommen zu lassen und so ihr Mitteilungsbedürfnis vielleicht ein wenig in geregelte Bahnen zu lenken.

Derzeit gibt es diese Fragerunden vor oder nach Sitzungen in 13 der 21 Kommunen sowie im Ebersberger Kreistag und seinen Ausschüssen. Was gefragt werden kann, ist unterschiedlich geregelt. So sind in manchen Gemeinden wie etwa Kirchseeon oder Aßling nur Fragen zulässig, die ein Thema behandeln, das nicht auf der Tagesordnung der aktuellen Sitzung steht. Genau umgekehrt ist es in Ebersberg, hier können sich die Zuhörer vorab ausschließlich zur aktuellen Tagesordnung äußern. In Poing und im Kreistag gibt es wiederum keine inhaltliche Einschränkungen.

Die Resonanz ist in den Kommunen sehr unterschiedlich. So hat sich die Grafinger Bürgerfragerunde als feste Einleitung jeder Sitzung etabliert, dass sich niemand zu Wort meldet, ist dort die absolute Ausnahme. Bei den Nachbarn in Ebersberg ist es fast schon umgekehrt, was vielleicht daran liegt, dass es die Fragemöglichkeit erst seit der vergangenen Wahl im Jahr 2014 gibt. Bei kontroversen Themen gibt es indes schon Wortmeldungen. Etwa von den Vertretern der Bürgerinitiative für eine Umgehung der Staatsstraße 2080, bevor das Gremium dann über die Möglichkeiten einer solchen Trasse debattierte. Im Kreistag und seinen Ausschüssen ist der Satz von Robert Niedergesäß (CSU), die Fragerunde entfalle "mangels Masse", dagegen schon so etwas wie die Einleitung jeder Sitzung geworden.

Was in Vaterstetten passieren würde, gäbe es dort eine Bürgerfragerunde, dazu gehen die Meinungen auseinander. Er sei zwar nicht dagegen, aber auch nicht sicher, ob ein solches Forum gewünscht sei, sagt CSU-Fraktionschef Michael Niebler. Zumindest habe ihn noch kein Vaterstettener darauf angesprochen - auf andere Probleme dagegen schon, die dann eben nicht mehr in einer Bürgerfragerunde erörtert werden müssten. Bei der SPD sieht man dagegen schon einen Bedarf, sagt SPD-Fraktionssprecher Sepp Mittermeier. Er hält er eine Bürgerfragerunde vor jeder Sitzung für eine gute Idee, denn "zwei Bürgerversammlungen im Jahr sind zu wenig." Zu denen kämen allerdings auch nicht immer viele Bürger, gibt Grünen-Fraktionschef Axel Weingärtner zu bedenken. Tatsächlich bleiben - im Gegensatz zu Parsdorf - auf den Versammlungen in Baldham und Vaterstetten oft viele Plätze leer. Und auch die Gemeinderatssitzungen sind zumeist keine Besuchermagnete. Aber vielleicht würden durch eine Fragemöglichkeit mehr Bürger kommen, meint Weingärtner, er schlägt vor, eine solche probeweise für einen gewissen Zeitraum einzuführen.

Sicher nicht scheitern würde dies an Bürgermeister Georg Reitsberger (FW). "Ich würde ja alle fragen lassen in der Sitzung", sagt er, aber da gebe es Widerspruch aus dem Gremium. Einige Gemeinderäte seien eben besorgt um die "Sitzungsökonomie", will heißen, dass man nicht mehr fertig wird. Eine Besorgnis, die der Bürgermeister auch irgendwie nachvollziehen kann: "Man weiß ja nicht, wie ausführlich das dann wird, es gibt sicher welche, die es unendlich auswälzen." Aber vielleicht gebe es ja eine Möglichkeit, die Bürger zu Wort kommen zu lassen, ohne dass die Sitzung in Zeitnot gerät. Reitsberger erklärt, er werde das Thema bei einer Amtsleitersitzung im Rathaus auf die Agenda setzen, "und einmal fragen, wie die Meinung dazu ist".

© SZ vom 21.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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