Neues Buch über Glonn:Braune Zeit

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Der Heimatforscher Hans Obermair hat in seinem Archiv auch zahllose historische Fotografien: Etwa um 1935 marschiert die Hitlerjugend durch Glonn. (Foto: Archiv Obermair/oh)

Der Heimatforscher Hans Obermair veröffentlicht die erste Glonner Ortschronik der Jahre 1933 bis 1945

Von Thorsten Rienth, Glonn

Georg Lanzenberger ist unzufrieden. Am 1. Juni 1935 notiert er in seinem Monatsbericht: "Immer wieder wird von Seite der Geistlichkeit versucht in Predigten durch äußerst geschickte Andeutungen den Nationalsozialismus zu verfluchen (...). Durch Besuche, die sie in letzter Zeit wieder viel in einzelnen Häusern machen, streuen sie ihr Gift aus". Lanzenberger ist so etwas wie die Hauptperson in der ersten Glonner Ortschronik, die dezidiert die Geschichte des Markts zwischen 1933 bis 1945 beleuchtet. Notgedrungen. Es sind die Jahre, in denen der Kunstmaler Lanzenberger als Glonner Bürgermeister wirkte.

Akribisch hat der mittlerweile 82-jährige Glonner Ehrenbürger Hans Obermair für sein Buch "Politik in Glonn. 1933 - 1945" jenen Zeitabschnitt untersucht. Er sichtete allen voran historische Zeitungsartikel, Polizeiberichte der Glonner Gendarmerie-Station und Gemeinderatsprotokolle. Rund zwei Drittel der auf die 50 Seiten verteilten beinahe 300 Fußnoten verweisen auf eine eben solche Quelle.

Sie zeichnen das Bild einer Gemeinde, in der es die Nationalsozialisten zunächst schwer haben. "In 27 von 29 Ebersberger Landkreisgemeinden hat jetzt die NSDAP die Mehrheit", berichtet Obermair über die Reichstagswahlen im März des Jahres 1933. "Lediglich in den Gemeinden Glonn und Baiern ist die Bayerische Volkspartei (BVP) noch vorne." Entsprechend mutig hätten die Glonner zunächst noch agiert, schreibt Obermair. So habe etwa der Gemeinderat im April 1933 einstimmig festgestellt, dass sich der Hauptlehrer Max Höllweger (NSDAP) wegen der Beleidigung Glonner Ehrenbürger "öffentlich unmöglich gemacht hätte".

Doch der Mut schwindet. Aus "Gesundheitsgründen", aber "wohl auf Druck der Nazis", reicht im August 1933 Bürgermeister Ludwig Mayer seinen Rücktritt ein. Für die Nachfolge ist offenbar schon alles vorbereitet, die Parteiverwaltung bestimmt Lanzenberger als Nachfolger. Spätestens im November 1933 sind die Glonner stramm auf NSDAP-Linie: Bei der Volksabstimmung über den Austritt aus dem Völkerbund votieren 97,5 Prozent der Glonner Wahlberechtigten dafür.

Davon ausgehend, arbeitet Obermair sich durchs Vereinsleben und in Richtung 1940er Jahre. Da ist Bürgermeister Lanzenberger, der die Vereine abschaffen und die Freiwillige Feuerwehr ganz in die Gemeinde überführen will. Der Veteranenverein, der am Kriegerdenkmal arbeitet. Die Feuerschützengesellschaft, die letztendlich dem Reichsverband für Leibesübungen unterstellt wird. Das Glonner Musik- und Gesangswesen, das angesichts an die Front beorderter Männer ab dem Jahr 1942 de facto in sich zusammenbricht. Der Trachtenverein, bei dem die Mitgliederzahl stetig sinkt, weil die "neue Einflussnahme nicht allen passte".

Am 1. Mai 1945, dem Tag, an dem die Amerikaner in Glonn einmarschieren, ist Lanzenbergers zwölfjährige Politkarriere zu Ende. Seiner Gemeinde erweist er einen letzten Dienst: Um ein mögliches Blutvergießen zu verhindern, legt er kurz vor der Ankunft der ersten US-Soldaten seinen Posten nieder.

Für gut zwei Jahre sei Lanzenberger dann "kraft seines Amtes" interniert gewesen, heißt es in Obermairs Buch. "Das Entnazifizierungsverfahren stellt fest: Es gab keine belastenden Aussagen, die darauf deuten, dass Lanzenberger ein strammer Nazi war."

Von den "bewegendsten, schwierigsten und weitreichendsten zwölf Jahren der Deutschen und damit auch Glonner Geschichte", schreibt der heutige Rathauschef Josef Oswald (CSU) im Vorwort des Buches. "Daher bin ich sehr dankbar, dass es mit diesem Werk eine neutrale Betrachtung des Zeitgeschehens von 1933 bis 1945 in Glonn gibt."

© SZ vom 23.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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