Neuer Raum für altes Brauchtum:Umzug der Masken

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Die Kirchseeoner Perchten kommen ihrem lang ersehnten Ziel eines eigenen Museums samt Depot mit großen Schritten näher

Von Anja Blum

Dass sie ein hervorragendes Gespür für den ganz großen Auftritt haben, das beweisen die Kirchseeoner Perchten jeden Winter aufs Neue, wenn sie wild tanzend und lärmend durch die Lande ziehen. Insofern verwundert es nicht, dass sie auch bei ihrem geplanten Museum nicht einfach von Information und Darstellung sprechen - sondern von "Dramaturgie". Tadah! Ein einzigartiges alpenländisches Brauchtum perfekt in Szene zu setzen, das soll das sogenannte "Maskeum" einmal leisten. "Wir haben da schon einen hohen Qualitätsanspruch", betont Rainer Eglseder, Chef des dazugehörigen Fördervereins.

Seit mehr als zehn Jahren verfolgen die Kirchseeoner Perchten das Ziel eigener Räumlichkeiten, in denen sie erstens ihre Masken angemessen lagern und zweitens ihre Tradition museal aufbereiten können. Nun steht das Projekt kurz vor seiner Vollendung: 260 Quadratmeter misst das neue Refugium im Nordbau der Kirchseeoner Mittelschule, die drei Räume werden als Depot, als Museum sowie als Büro und Werkstatt fungieren. Am Mittwoch sind endlich die ersten von etwa 400 Masken dort eingezogen, allen voran Frau Percht, die zentrale Figur des Kirchseeoner Spektakels. Bis zur Eröffnung wird es allerdings noch ein bisschen dauern, geplant ist sie für Herbst 2020. "Am besten kurz vor dem ersten Lauf der Saison", sagt Eglseder. Klar, die Dramaturgie muss ja stimmen. Außerdem will man nichts überstürzen: 2019 soll erst einmal Inventur gemacht und das Museum geplant werden, 2020 geht es dann an die Umsetzung.

Die Masken der Kirchseeoner Perchten sollen nun auch außerhalb des Laufs in Szene gesetzt werden. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Doch an diesem Mittwochabend heißt es erst einmal schleppen statt tanzen und lärmen: Zahllose Helfer rennen quer über den Innenhof der Schule, eine Baustelle, da das Haus gerade saniert wird. Sie alle tragen Regale, Gemälde, Masken, jedes Stück muss vom Rathaus, wo die Perchten bislang ihre Schätze auf gerade einmal 40 Quadratmetern gelagert hatten, herübergeschafft werden. Bis unter die Decke waren die Sachen dort gestapelt - völlig unübersichtlich, ungeschützt und vor allem hohen Temperaturschwankungen ausgesetzt. Ein Umstand, der dem obersten Ziel der Perschten-Stiftung Kirchseeon - nämlich dieses Brauchtum zu pflegen und zu bewahren - völlig zuwider lief.

Umso glücklicher zeigen sich die Verantwortlichen nun über das neue, bestens klimatisierte Depot: Auf etwa 80 Quadratmetern wurden 14 hochprofessionelle Rollregale eingebaut, in die Masken, Instrumente und sonstiges Zubehör hängend eingelagert werden können. Kostenpunkt allein dafür: 60 000 Euro. Doch den Perchten ist es das wert: "Die Holzmasken werden beim Laufen einfach sehr beansprucht", erklärt Wolfgang Uebelacker, Chef des Perschtenbunds Soj. "Man tanzt mit ihnen, schwitzt, schnauft, draußen ist es kalt..." Deswegen träten immer wieder Schäden auf. Die 60-jährige Frau Percht zum Beispiel hat schon mehrere Risse und darf deswegen nicht mehr auf die Straße. Sie wird im neuen Depot oder Museum eine sichere Ruhestätte finden.

Fiebern der Eröffnung des "Maskeums" in Kirchseeon entgegen: Rainer Eglseder, Martina Heiler-Reupold, Wolfgang Uebelacker. (Foto: Christian Endt)

Insgesamt belaufen sich die Kosten für das Projekt laut Eglseder auf etwa 250 000 Euro, wozu die Marktgemeinde Kirchseeon aber bereits 175 000 beigesteuert hat. Den Rest hoffen die Perchten durch weitere Fördergelder, Spenden und Sponsoring finanzieren zu können - jeder Euro sei willkommen, sagt Eglseder. Andernfalls müsse man beim Museum eben auf etwas verzichten.

Das aber wäre in der Tat schade, denn das Konzept für den Ausstellungsraum klingt fantastisch: Die dunkelblauen Wände verbreiten bereits jetzt die passende mystische Stimmung, eine professionelle Lichtinstallation soll "jede einzelne Maske in Szene setzen". Wer in das Museum eintreten will, wird durch das Maul einer überdimensionalen Maske schreiten müssen, vorbei an kniehohen Zähnen. "Ein bisschen Hollywood muss schon sein", sagt Eglseder und lacht. In der Mitte soll eine zweigeteilte Bühne stehen, auf der lebensgroße Puppen den Perchtentanz darstellen - die schönen hier, die schiachen da. Wissen über das Brauchtum vermitteln wird eine Multimediastation, sogar eine Tribüne und eine Leinwand wollen die Verantwortlichen einbauen. Geplant ist auch eine zweite begehbare Maske, deren Inneres eine Leseecke bietet, außerdem soll es eine "Selfie-Station für Feiglinge" geben: Hier kann man sich dann ganz ohne Risiko neben einem der finsteren Gesellen ablichten lassen. Darüber hinaus möchte der Verein über seine Arbeit informieren, seinem Gründer Hans Reupold, dem Kirchseeoner Perchten-Vater, wird eine ganze Ecke gewidmet sein.

Das freut eine Frau freilich ganz besonders: Martina Heiler-Reupold, die als Chefin der Perschten-Stiftung das Erbe ihres Vaters mit großem Engagement hütet und weiterträgt. Bereits als Kind war sie mit den Perchten unterwegs - unerkannt unter einer Vogelmaske, denn damals waren Frauen noch nicht zugelassen. Doch das sollte sich bald ändern, "Hans war da seiner Zeit weit voraus", sagt Eglseder.

Für Heiler-Reupold ist das Museum eine Herzensangelegenheit, weil es den Menschen die Möglichkeit geben wird, den Perchten einmal ganz in Ruhe näher zu kommen. "Während der Läufe geht das ja alles so schnell, dass man gar nicht alles wahrnehmen kann", sagt sie. Dabei hätten gerade die Masken so viel Symbolik zu bieten. Wichtig ist der Stiftungsvorsitzenden auch, dass "alles greifbar sein, nichts in Vitrinen liegen wird", und so vielleicht auch das ein oder andere Kind seine Angst vor den wilden Glücksbringern verliert. Überhaupt planen die Perchten auch, museumspädagogische Projekte anzubieten, sei es mit Schulen oder als Ferienprogramm.

Dass dieses außergewöhnliche Museum für den Landkreis eine große Bereicherung sein wird, steht außer Frage. Und auch weit darüber hinaus wird es wohl auf großes Interesse stoßen. "Unsere Läufe haben immer ein reges Medienecho - weltweit", sagt Eglseder und grinst über beide Ohren. Ganz ohne Maske.

Wer sich genauer über das Museumsprojekt der Kirchseeoner Perchten informieren oder dafür spenden möchte: www.maskeum.de

© SZ vom 07.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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