Selbstschutz:Die Ebersberger rüsten auf

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Zur Tierabwehr sind Pfeffersprays eigentlich gedacht. Wer im Landkreis danach sucht, steht häufig vor leeren Regalen - so groß ist die Nachfrage. (Foto: Roessler/dpa)

Selbstverteidigung, Pfefferspray und Kleine Waffenscheine sind im Landkreis gefragt wie noch nie. Vor allem Frauen wollen lernen, wie sie sich schützen können.

Von Annalena Ehrlicher

Eine Waffendichte wie in Texas gibt es in Ebersberg noch lange nicht. Und doch: Allein im Januar dieses Jahres wurden mehr "Kleine Waffenscheine" beim Landratsamt beantragt als in den beiden vergangenen Jahren zusammengenommen. 2014 wurden noch insgesamt 18 Anträge gestellt, vergangenes Jahr waren es bereits 60 und für 2016 gingen bisher mehr als 100 Anträge ein, sagt die Sprecherin des Landratsamtes Evelyn Schwaiger.

Gerade seit den Vorfällen von Köln haben offenbar viele das Bedürfnis, sich im Notfall selbst verteidigen zu können, das zeigt auch die gestiegene Nachfrage nach entsprechenden Kursen. Dabei hat die Polizei erst vor kurzem wieder klar gemacht: Die Zahl der Straftaten ist im Landkreis eher gesunken, Grund zur Sorge gibt es nicht.

Pariser Anschläge waren mit ein Auslöser

Dass der Absatz von Selbstschutzmitteln bundesweit bereits 2015 zugenommen hat, bestätigt auch der Verband Deutscher Büchsenmacher und Waffenhändler (BDV). Als "markanten Zeitpunkt" nennt ein Vertreter des Verbandes die November-Anschläge in Paris sowie die Silvesternacht in Köln und München, die zu einer "nochmals gestiegenen Nachfrage" geführt haben. In Ebersberg dauert die Bearbeitung des Antrags für den "Kleinen Waffenschein" derzeit zirka zwei bis drei Wochen.

Grundvoraussetzung für die Beantragung ist die Volljährigkeit, eine "Zuverlässigkeitsprüfung wird danach angefordert", so die Informationen des Landratsamtes. Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen mit PTB-Zeichen dürfen mit dem Kleinen Waffenschein geführt werden, registrierungspflichtig sind sie nicht, so Schwaiger. Genaue Zahlen über Schreckschusswaffen im Landkreis gibt es also nicht, die Zahl der registrierten scharfen Waffen beläuft sich derzeit auf 11 839.

Auch Pfefferspray, das eigentlich zur Abwehr von aggressiven Tieren gedacht ist, ist beliebter denn je. Im Internet ist die Reizgaswaffe frei zugänglich. In Läden wie dem Hagebaumarkt, einem der wenigen Händler im Landkreis, ist es "andauernd vergriffen", so einer der Mitarbeiter. "Das geht weg wie warme Semmeln." Ein Aufsteller mit zirka 100 Dosen halte momentan "vielleicht zwei Wochen", schätzt er. Allein im Januar dieses Jahres liege der Absatz bereits bei über 140 Pfeffersprays. "Das hat Hochkonjunktur dieser Tage", fasst er zusammen. Wer tatsächlich Pfefferspray kauft? "Das ist ganz durchmischt - von jung bis alt", antwortet er.

Selbstverteidigungskurse sind so gefragt wie nie

"Viele Leute setzten momentan darauf, sich selbst zu schützen", erklärt auch Alexander Berghammer vom Taekwondo-Verein Kirchseeon. Sein Verein bietet inzwischen Selbstverteidigungskurse speziell für Frauen und Mädchen an - weil "die Anfrage dieses Jahr deutlich angestiegen ist", so der Taekwondo-Großmeister. "Die Kinder sind verunsichert, und viele Eltern haben Angst, sie alleine rauszulassen", beschreibt er die Situation. Auch im Training achte er inzwischen darauf, reale Situationen durchzuspielen. "Was wir jetzt vermehrt üben, ist, auf Angriffe von mehreren Gegnern gleichzeitig zu reagieren - das simulieren wir im Training", erklärt er.

Berghammer spricht von "Selbstschutz" statt von "Selbstverteidigung". "Das muss auch vom Kopf her kommen", sagt er, "es geht da auch um die Einstellung, sodass man im Ernstfall wirklich bereit ist zu reagieren." Awi Rosenzweig vom Taekwondo-Verein Poing praktiziert den Kampfsport bereits seit seinem sechsten Lebensjahr. Auch er bietet dieses Jahr Selbstverteidigungsworkshops speziell für Frauen und Mädchen an. Im Februar und März gibt es mehrere Kurse, in denen Frauengruppen vier Stunden lang "einen Überblick über Maßnahmen zur Selbstverteidigung bekommen", so Rosenzweig - bis auf den letzten Kurs im März sind alle ausgebucht.

Pro Kurs werden zirka 15 Leute zugelassen. Den Überblick, den die Frauen in dem Blockkurs bekommen, hält er für richtig und wichtig - auch wenn "erst durch Regelmäßigkeit die Reflexe antrainiert werden". Mit mehreren Taekwondo-Großmeistern habe er sich inzwischen zu einem lockeren Verband zusammengeschlossen, der Selbstverteidigungskurse speziell für Frauen und Mädchen anbietet, erzählt er.

Das Angebot an Wochenendkursen wächst

"Bei uns ist das Thema Selbstverteidigung ja immer groß, aber nach dem, was in Köln passiert ist, sind viele Frauen an mich herangetreten", erzählt Rosenzweig. In "ironischer Anspielung", wie er sagt, auf den "unglücklichen Kommentar" der Kölner Oberbürgermeisterin, man solle als Frau eine Armlänge Abstand halten, haben sie ihre Internetseite einearmlaenge.de genannt. Marketingtechnisch ein Coup. "Wir machen das nicht nur deshalb, sondern bieten die Kurse seit mehr als zehn Jahren an", stellt Pitsch klar. Und dennoch: Die Nachfrage ist massiv gestiegen.

Entspannt ist die Lage hingegen beim Taekwondo des TSV Ebersberg. Trainer Bruno Zimmermann erklärt: "Unsere Mitglieder lernen ja sowieso Selbstverteidigung - aber von außen ist keiner gekommen." Anders im Fitness-Studio "Fit for Life" in Grafing. Dort werden Räumlichkeiten an externe Anbieter vermietet: Seit Jahren werde in ihren Räumen Kinderkarate und Wing Tsun gemacht, so Wolfgang Schnaitter, Inhaber des Studios. "Jetzt ist jemand an uns herangetreten, der Block-Selbstverteidigungskurse für Frauen gibt", erzählt er. Ein Wochenende lang, zweimal drei Stunden Intensivkurs, "um die effektivsten Methoden zu erlernen". Der Kurs kostet 79 Euro, auf seine Rundmail habe er "gute Resonanz bekommen", so Schnaitter.

© SZ vom 02.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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