Musikalische Erzählungen:Scharfe Zunge, sanfte Töne

Lesezeit: 3 min

Schauspieler und Chansonnier Ecco Meineke tritt zusammen mit Pianist Andy Lutter in der Schrottgalerie in Glonn auf. (Foto: Christian Endt)

Bei seinen Chansons zeigt Ecco Meineke in der Schrottgalerie das "Blattgold" des Lebens und was darunter liegt

Von Ulrich Pfaffenberger, Glonn

"Heut werden wir spielen, und ohne Ziel mit viel Gefühl im Bette wühlen. Mund an Mund und Bein an Bein, wie schön heut' wir zu sein. . ." Ach, könnte man doch so leichthin und fröhlich wie Ecco Meineke über derlei denken und singen, mag sich mancher am Freitagabend in der Schrottgalerie gedacht, den Chansonnier bewundert und dann den Arm etwas um die Schultern seiner Begleitung gelegt haben. "Blattgold" war das Programm betitelt, mit dem der Münchner Schauspieler und Sänger zusammen mit Pianist Andy Lutter nach Glonn gekommen war - und tatsächlich schwebten seine Lieder oft fein wie ein Hauch durch den Raum, legten sich geschmeidig an den Hörsinn und vergoldeten schließlich das Gemüt der Lauschenden. Wobei nicht jeder Titel von Lust und Liebe erfüllt war, sondern auch Melodien erklangen, die sich den Widrigkeiten des Lebens und den Widerlichkeiten des menschlichen Daseins widmeten. Etwa die "Pastinaken-Polka", Ergebnis eines traurigen Experiments, wie viele Menschen wohl dem Slogan "Pastinaken raus" folgten, dichtete man ihnen eine invasorische Bedrohlichkeit an. Oder die scharfzüngige Interpretation einer der von Georg Kreisler besungenen "Sieben Todsünden", in denen der Sänger spitzzüngig analysiert, wo die Vor- und Nachteile liegen, wenn es heißt: "Mein Weib will mich verlassen".

Meineke spielt entspannt und souverän mit seiner Herkunft aus der Jazzwelt und seiner Neigung zur Bühnenpoesie. Geschickt changiert er zwischen Lied und Sprechgesang, vom Stil her mal Udo Jürgens näher, mal Hanns Dieter Hüsch, mal Werner Schneyder. Das beschert dem abwechslungsreichen Programm eine bunte Reihe aus kabarettistischen und poetischen Elementen, verwandelt manches Chanson in ein veritables Couplet und fördert in geschliffener Sprache verblüffende Tiefenwirkung der Songtexte zutage. En passant offenbaren sich da die Weisheit und das erzählerische Geschick von einem, der es versteht, unterhaltend zu wirken, ohne die Moral von der Geschicht zu vernachlässigen. "Dein Fuß wird erst im Gehen groß" ist so ein Satz, der einen auch noch nach Ende des Konzerts verfolgt, für "man wird zu träg, wenn man zu lange überlegt" gilt das ähnlich.

Der Unterschied zwischen Chansonnier und Liedermacher schrumpft in solchen Augenblicken auf eine Kleinigkeit zusammen. Er liegt dann nur noch im flotteren Tempo und der heitereren Grundmelodie, aber nicht mehr in der Nachdenklichkeit oder dem Gedankenspiel, mit dem sich die Zuhörer auseinandersetzen dürfen. So kulturpessimistisch sich eine Zeile anhört wie: "Du bist ein Mensch und suchst Gesichter unter dem Blattgold dieser Zivilisation. Doch du findest nur Verpflichter und Verzichter und als Trostpreis - Illusion!", so ermutigend ist die Botschaft Ecco Meinekes: So lange wir darüber singen können, was uns in diesem Leben im Weg steht, so lange finden wir auch Wege, es zu umgehen.

Etwas gewöhnungsbedürftig an diesem Abend ist zunächst das elektrische Klavier, das sich Pianist Lutter mitgebracht hat. An einem Ort, an dem die meisten Auftritte unplugged über die Brettl-Bühne gehen, wirkt der Klang des Instruments seltsam künstlich, fast schon distanzierend. Aber es gibt keine andere Wahl. Der alte Honkytonk-Klimperkasten in der Galerie wäre eine Qual für den Sänger und seine Stilform, ein veritables Piano anzuschleppen ein unangemessener Aufwand. Also ein Kompromiss? Es spricht für Lutter, der einige der Arrangements des Konzerts selbst verantwortet, und sein Gespür für den Sänger, dass er den elektronischen Beiklang bald vergessen lässt und die Kraft der Melodien zum Klingen bringt. Einziges Manko: Da Meineke ohne Mikro singt, übertönt ihn das Piano gelegentlich.

Letztlich ist Lutter denn auch mehr Wegbereiter für Meineke als nur "Begleiter" und gibt dem Publikum eine griffige Idee davon mit ins Gehör, wie "chansonesque" die Lieder sind, denen sie auf diesem Weg begegnen. Lutter ist einer von jenen, denen sich ein Sänger an der Klaviatur und an seiner Seite bedenkenlos anvertrauen kann, weil er mehrdimensional arbeitet: Hier die tragende Melodie, dort der Brückenschlag zum Tempowechsel, hier der fließende Rhythmus, dort der aufblitzende Akzent - aber allseits und jederzeit im Dienst des Chansonniers und seiner Erzählung. Da haben sich zwei gefunden, von deren Miteinander man noch einiges erwarten darf. Die etwa drei Dutzend Gäste in der Schrottgalerie scheinen sich, dem leidenschaftlichen Beifall nach zu urteilen, schon darauf zu freuen.

© SZ vom 06.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: