Musik umsonst:Oper zum Kaffee

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Begeisterte Senioren beim "Konzert am Nachmittag" in Ebersberg

Von Alexandra Leuthner, Ebersberg

Voller Saal im Alten Speicher, werktags um 15 Uhr: Das Ensemble einer Münchner Stiftung spielt die Oper "Don Pasquale" im Kleinformat. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Silbern war die klar überwiegende Haarfarbe im Alten Speicher. Die lange Wand gegenüber der Bühne hatte sich in einen Parkplatz für Gehwägelchen verwandelt, und die Frequenz derer, die nach dem Ausgang zur Toilette fragten, war für ein klassisches Konzert ungewöhnlich hoch. Stadtarchivarin Antje Berberich half noch kurz vor knapp einer alten Bekannten in den Saal und platzierte sie vorn an einem der mit Kaffeegeschirr gedeckten Tische, dann nahm sie selbst auf deren Gehwägelchen Platz und harrte der Dinge.

Keine zwei Tage hatte es gedauert, bis alle Karten vergeben waren. Es war Bürgermeister Walter Brilmayer oben auf der Bühne anzusehen, wie sehr er sich freute. Nicht nur über den Erfolg der "Musik am Nachmittag", sondern auch auf die Opernaufführung, die er und der voll besetzte Saal gleich erleben sollten. "Meine Frau und ich lieben Donizetti" fügte er noch hinzu, bevor er wieder vor der Bühne Platz nahm und auf die Ouvertüre wartete.

Zum zweiten Mal war die "Internationale Stiftung zur Förderung von Kultur und Zivilisation" in Ebersberg zu Gast, diesmal mit einer Aufführung von Gaetano Donizettis Opera buffa "Don Pasquale". Seit 1995 gibt es die Stiftung, ins Leben gerufen von Erich Fischer, dem aus dem Sudetenland stammenden Gründer eines europaweit erfolgreichen Vertriebsunternehmens in der Halbleiterbranche. Ein Drittel seines Unternehmens schenkte der Menschenfreund der von ihm gegründeten Stiftung. Mit ihrem Projekt "Musik am Nachmittag" hat sie seit 1996 deutschlandweit mehr als 7600 Konzerte für Senioren organisiert. Etwa 745 000 ältere Menschen kamen so kostenlos in den Genuss klassischer Konzerte. Um die zweite Aufführung dieser Art in Ebersberg auf die Beine zu stellen, beteiligten sich neben der Stadt die Kreissparkasse und die Organisation "Christl Glas & und ihre Geburtstagsgäste". In der Pause gab es Kuchen vom Bäcker Freundl - was vielleicht nicht der Höhepunkt des Nachmittags war, wie Moderator Johannes Erkes augenzwinkernd anmerkte, aber den Genuss für die knapp 340 Gäste sicher nicht schmälerte.

Nun, Pauken, Schlagzeug und Blechbläser, die eine werkgetreue Inszenierung des 1843 uraufgeführten Stücks nötig gemacht hätte, wären für die Stiftung wohl auf Dauer weder zu organisieren noch zu finanzieren. So fand das Verwirrspiel um den reichen, aber, was seine Wirkung auf junge Frauen angeht, etwas fehl geleiteten Don Pasquale im so genannten Taschenbuchformat seinen Rahmen. Zwei Violinen (Tanja Conrad und Georg Roters), ein Cello (Anna Khubashvili), und eine Bratsche (Johannes Erkes) übernahmen den Streicherpart, ein Akkordeon (Konstantin Ischenko) ersetzte das komplette Restorchester. Und es war erstaunlich, wie großartig die gewöhnlich für so unterschiedliche Stile verwendeten Instrumente harmonierten. Vier Gesangssolisten gaben die bekanntesten Arien des Stücks. Es spielt 1841 in Rom und weist in vieler Hinsicht Anklänge an den im Vorjahr im selben Rahmen aufgeführten "Barbier von Sevilla" auf - von dem die Ebersberger Senioren damals schon angetan gewesen seien, berichtete der Seniorenbeirats-Vorsitzende Thomas John.

Auch diesmal war den Protagonisten der Applaus sicher, so sich die beiden Bassbaritone Thomas Schütz als Doktor Malatesta und Torsten Frisch als Don Pasquale mit Genuss im irrlichternden Duett in das nicht ganz koschere Verwirrspiel um die junge Braut verstrickten, die eigentlich den Neffen des Dons, Ernesto, (Tenor Gustavo Martín-Sanchéz) heiraten möchte. Wunderbar waren aber auch die Einlagen der jungen Sopranistin María-José Rodriguez als Witwe Norina. Wenn er nicht die Bratsche strich, sorgte Stiftungsmusikdirektor Johannes Erkes mit süffisant-ironischen Überleitungen für Lacher. Da flogen graue Löckchen, wenn er nicht ganz ernst über das generell schwere Los des Mannes philosophierte, der nach der Hochzeit statt einer liebreizenden Braut eine Xanthippe vorfindet. Bei einem jüngeren und im Hinblick auf klassische Rollenverteilung kritischeren Publikum hätte er vermutlich seine Worte anders gewogen. So aber war das Vergnügen groß und die Aufführung wurde auch den vielen kulturbeflissenen Senioren gerecht. Viele waren unter ihnen, die auch den langen Weg ins Gasteig oder die Oper nicht scheuen. "Doch wenn schon mal hier so etwas zu sehen ist", sagte Anita Feneberg, mit ihrem Mann Helmut aus Kirchseeon angereist, "dann lassen wir uns das nicht entgehen". Die Ebersbergerin Rosemarie Schedu war zu Fuß gekommen, genoss das Konzert im Kreise von Freundinnen und lobte die schlichte Darstellung: "Von modernen Operninszenierungen" sei sie ohnehin "wenig begeistert".

© SZ vom 26.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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