Musik mit Flaschen:Pfandtastisch!

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Die Gruppe "Glas Blas Sing" legte am Samstagabend im Alten Kino in Ebersberg einen furiosen "Flaschmob" hin. (Foto: Christian Endt)

In ihrer Musikshow "Flaschmob" mischt die Berliner Gruppe "Glas Blas Sing" in Ebersberg guten Sound mit Wortspielereien

Von Daniel Fritz, Ebersberg

Schon der ungewöhnliche Aufbau macht neugierig auf das Konzert. Die Bühne voller Gerätschaften sieht aus wie ein Proberaum im Getränkelager - Mikrofonständer, Kabel, diverse Pfandkisten in Regalen und jede Menge Flaschen verschiedenster Größen und Materialien.

Anfänglich als Straßenmusiker unterwegs, ist die Berliner Gruppe Glas Blas Sing seit 2006 professionell auf der Bühne - und die lockere Routine ihres mittlerweile fünften Programms macht Laune. Das erste Stück am Samstagabend im Alten Kino Ebersberg umreißt, wohin die Reise geht: Ein außergewöhnliches, selbst gebautes Instrumentarium dient als Klangpool für eine bunte Revue musikalischer Häppchen. Die Stücke sind kurz und kurzweilig. Die Flaschenmusiker haben ein gutes Gespür dafür, in welcher Länge ihre Coverversionen und Bearbeitungen funktionieren. Das Programm ist voller musikalischer Zitate von "Pippi Langstrumpf" über Richard Clayderman bis Ed Sheeran. Je mehr Originale und Anspielungen man erkennt, desto besser ist man unterhalten. Sie parodieren Bekanntes aus E- und U-Musik; die popkulturelle Bildung des Publikums wird gefordert. "Valerie" von Amy Winehouse wir als "Sellerie" zum Bildungsbeitrag über Potenzsteigerung umgedichtet. Man experimentiert zudem mit einer mathematischen Formel für das perfekte Gute-Laune-Lied und kennt auch den Grund, warum ein D-Moll-Dreiklang schlechte Laune erzeugen kann: die Tonfolge AFD.

Das Programm ist amüsant bis albern, jedoch nicht klamaukig oder unsinnig. Das Quartett ist wie ein gut eingespieltes Clownensemble und gibt sich etwas tapsig und chaotisch, allen voran Jan Fritze Lubert. Dabei ist das Miteinander eingespielt und detailliert abgestimmt. Es gibt klare Typen und Rollen und man sieht bei grandioser Spontanität, dass die interne Chemie stimmt. Wiederkehrend sind Witze und Wortspiele rund um das Showkonzept Flasche, zum Beispiel spaßig benannte Instrumente oder Slogans wie "Keine Macht den Dosen", denn musikalisch kommt nichts aus der Konserve. Alles wird live auf der Bühne erzeugt, auch die Loops, die das Spiel der Gruppe hin und wieder ergänzen.

Die Musiker spielen selbstironisch wie niveauvoll. Die Stimmung der Flaschen mittels "Stimmflüssigkeit" oder Luftdruck, die Harmonien und der oft mehrstimmige Gesang sind sauber. Rhythmik und Ensemblespiel sind beeindruckend exakt. Das Programm ist nicht nur amüsant, sondern auch klanglich geschickt arrangiert - keine Selbstverständlichkeit bei musikalischer Comedy. Hauptschlagzeuger David "Möhre" Möhring wirkt, als habe er oft am "normalen" Drumset gesessen. Selbstverständlich und sicher klingen seine Beats. Sein rares Stehschlagzeugertum huldigt man rappend über "Cantaloop Island". Besonders faszinierend sind die auf verschiedene Musiker verteilten Melodien und Arpeggios - toll umgesetzt die bekannte Melodie vom Tetris-Computerspiel. Depeche Modes "Personal Jesus" kommt wuchtig als ganzjähriges Weihnachtslied mit einem fetten Shuffle-Groove.

Der Aufwand dieser abwechslungsreichen Show ist sichtbar groß. Es kommen über 20 Tonkanäle von diversen, teils fest verbauten Trommelmikrofonen von der Bühne zum Mischpult. Man kann sich vorstellen, dass sehr viel Konzeptions- und Probenarbeit in dem Programm steckt. Ein stets wechselndes Arsenal an Glasblas- und Ploppflaschen wird erweitert durch PET-Shaker, Plastikflaschen-Guiro, Sprühflaschen-Cabasa und eine selbstgebaute Monochord-Flaschengitarre. So erfrischend anders das Instrumentarium schon optisch ist, umso beeindruckender sind dessen klangliche Qualitäten. Die Wasserspender-Bassdrum klingt druckvoll und tief, die geblasenen Flaschen weich wie Panflöten. Volltönige Ploppsounds (feuchter Daumen!) und harte Malletsounds vom "Jägermeister-Flachmanninoff-Xylophon" (rasant: Mozarts "Alla Turca") ergänzen sich mit den Stimmen zu einem runden Klangbild. Eine der besten Nummern des Abends ist das bluesige Hörspiel über die hochhackig trampelnde Nachbarin im hellhörigen Wohnhaus. Hauptsänger Andreas Endie Lubert lenkt mit seinem schnörkellosen Gesang den Fokus auf den Text, seine Einwürfe auf einer Pedal-Steel-Gitarre klingen authentisch.

Viel Zeit zum Entspannen bleibt mit Glas Blas Sing nicht. Ganz leise wird es im Saal nur als die Besucher andächtig dem gefühlvoll vorgetragenen "Halleluja" von Leonard Cohen lauschen. Gerade scheint man einmal vergessen zu haben, dass hier ein paar kreative Quatschköpfe zu Werke sind, schon wird das schöne Lied abrupt und fast brutal als Dance-Medley in Dr. Albans und sogar Händels "Halleluja" gestampft. Man ist wieder wach gerüttelt und lacht - überhaupt viel und herzhaft. Musik und Humor kommen gut an, der lockere Dialog mit dem Publikum wird gepflegt, man spielt zusammen ein Musikmemory mit Schnipseln der Hitsongs des Abends.

Beim großen Finale wird noch einmal aufgefahren. Von brasilianisch klappernden Getränkekisten bis hin zum "Wasser-Spender-Jazzbass", erdacht und bespielt vom Düsentrieb der Band Frank Wegner, zeigen Glas Blas Sing, dass sie zwischen all den Flaschen zu Experten ihrer ungewöhnlichen Profession geworden sind. Begeisterter Applaus entlässt die Gruppe nach einigen Zugaben in den Feierabend zum Inspizieren neuer Mehrweg-Instrumente hiesiger Braukultur. Und auch hier wird nochmals die Genialität des Konzepts klar: Falls diese Karriere dann doch mal vorbei sein sollte, gibt es fürs Equipment beim Getränkemarkt Bares.

© SZ vom 04.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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