Moosach:Spirituelle Wandlungen

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Akira Matsui drückt mit wenigen Bewegungen und Gesten eine Skala von Emotionen aus. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Akira Matsui zelebriert einmal mehr die Tradition des Nô

Von Peter Kees, Moosach

Das Meta Theater in Moosach ist berühmt für seine internationale Theaterarbeit. Immer wieder sind dort beeindruckende außereuropäische Theateraufführungen zu erleben. Axel Tangerding, der Leiter des Hauses, wurde nicht umsonst am Montag mit der Wilhelm-Hausenstein-Ehrung für seine Verdienste um kulturelle Vermittlung an der Bayerischen Akademie der Schönen Künste ausgezeichnet. Vergangenes Wochenende hatte er Akira Matsui aus Japan zu Gast in seinem Haus. Matsui leitete einen Nô-Workshop und war von Freitag bis Sonntag mit einer Nô-Trilogie auch auf der Bühne zu erleben. Ihm zur Seite standen die Flötistin Kinuyo Kama, die Pianistin Masako Ohta, die Schauspielerin Marion Niederländer und der Trommler John Oglevee.

Auf die Rückwand der Spielfläche war das Bild einer Nô-Bühne projiziert. Neun mal neun Meter ist sie klassischerweise groß, ein schlichter Holzbau, nur mit einer Kiefer im Hintergrund, Symbol für den Sitz der Götter. Zwei bis drei Trommler und eine Flöte begleiten das Spiel. Die Darsteller tragen aufwendige, prächtige Kostüme und spielen meist mit Masken, die unterschiedliche Charaktere darstellen.

Nô ist eine der ältesten Theaterformen Japans, die Tänze unterliegen strengen traditionellen Regeln. Nicht Neues soll entwickelt werden, sondern Altes verfeinert. Der Tänzer verkörpert mythologische Gestalten, spirituelle Verwandlungen und die Geister von Verstorbenen. In Moosach war ein aus dem Mittelalter überliefertes Stück zu sehen, aber auch Szenen, die sich mit europäischen Theaterformen mischten. Zunächst traten ein Trommler und eine Flötenspielerin auf, Akira Matsui faszinierte mit jenem original überlieferten, poetischen Götterspiel. Sparsam seine Bewegungen, stark der Ausdruck seines Tanzes, die eher monotonen Klänge der Trommel, der Flöte und des Gesangs. Selten, dass man in Europa derartiges zu sehen bekommt. Das Publikum war gebannt. Man traute sich kaum zu applaudieren.

Als ein Flügel auf die Bühne geschoben wurde und Masako Ohta anfing zu improvisieren, schien es, als würden ihre Klänge das eben Gesehene transformieren, eine Art musikalischer Kommentierung. Danach setzte sich die Schauspielerin Marion Niederländer auf einen Stuhl und rezitierte Samuel Becketts dem Nô-Theater gewidmeten Einakter "Rockaby" - europäisches Theater also begleitet von Matsuis fernöstlichem Tanz. Es geht darin um eine Frau, die im Sterben liegt. Der Nô-Tänzer mimt ihren Geist, der sich vom Körper löst. Auch hier zeigte sich die wunderbare Ausdrucksfähigkeit des Spielers, der trotz Maske und üppigem Kostüm gewissermaßen energetisch Emotionen zu vermitteln vermochte. Der Darstellung folgte ein Flötensolo mit fernöstlichen Klängen, die an eine Mischung von Block- und Piccoloflöte erinnerten, für hiesige Ohren ungewohnt.

Dass man an diesem Abend im Meta Theater - musikalisch, wie darstellerisch - versuchte, Fernöstliches mit Westlichem zu verbinden (einem kurzen traditionellen japanischen Flöten-Solo etwa folgte Debussy, jäh in eine Improvisation übergehend), ist als Experiment zu verstehen, das zumindest im Falle Becketts, der mit Nô den Minimalismus gemein hat, beide Bühnenwelten bereichert.

© SZ vom 13.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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