Moosach:Die Rache der Wasserschlange

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Claus Biegert hat einiges zusammengetragen an Geschichten über Menschen, deren Schicksal auf tragische Weise verknüpft ist mit Uranabbau und der Nutzung von Kernenergie. Begleitet wird er von Sebi Tramontana. (Foto: privat/oh)

Autor Claus Biegert erzählt im Moosacher Meta Theater "Atom-Geschichten". Darin geht es um die Folgen des Uranabbaus vor allem für indigene Völker

Von Rita Baedeker, Moosach

Es ist ein apokalyptisches Szenario, mit dem sich der Autor und Aktivist Claus Biegert seit ein paar Jahrzehnten intensiv beschäftigt, ein Thema, das ihn nicht loslässt, auch weil es in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wird: der Abbau von Uran, beispielsweise in den US-amerikanischen Bundesstaaten Arizona und New Mexico, aber auch in anderen Regionen der Erde.

Anlass, für Biegert, sich mit der tödlichen Gefahr zu beschäftigen, war eine Konferenz der Vereinten Nationen im Jahr 1977, bei der eine Abordnung der Indianer Nordamerikas gegen die Ausbeutung ihrer Bodenschätze und die Zerstörung ihrer Kultur protestierten. Bei dieser Gelegenheit traf Biegert eine junge Indianerin, Winona LaDuke, die als erste das Thema Uranabbau auf indianischem Land und dessen gesundheitliche Folgen zur Sprache brachte. "Ihre Aufforderung, das Drama zu benennen und an die Öffentlichkeit zu bringen, führte dazu, dass ich mich auf das Thema konzentriert habe", sagt Biegert. Richtig greifbar sei das Ganze aber erst nach dem Atomunfall von Tschernobyl geworden. Erst da befasste man sich mit jenen Menschen, die andauernder Strahlendosis ausgesetzt sind, krank werden und daran sterben. Doch die Gefahr, die auch der fortgesetzte Abbau mit sich bringe, werde damals wie heute konsequent verschwiegen.

Was Biegert im Laufe der Jahre zusammengetragen hat an Geschichten und Schicksalen, ist Gegenstand einer Veranstaltung am Freitag, 24. März, 20 Uhr, im Meta Theater Moosach. "Kern, Spaltung, Macht, Sünde" lauten die Stichworte der "Atom-Geschichten", die Biegert erzählen wird. Sie handeln von Ohnmacht, Tod und einer Mauer des Schweigens. "Es gibt keine Navajo-Familie, die nicht einen Angehörigen an den Krebs verloren hat", sagt Biegert. Meist wurden den Indianern Reservate zugewiesen, die für die weißen Siedler wenig begehrenswert erschienen. Später fand man gerade dort große Vorkommen an Bodenschätzen. Schätzungsweise mehr als die Hälfte der Uranvorkommen der USA lagert im Boden der Indianer. Uran, so Biegert, werde aber auch in Australien abgebaut und an alle Welt geliefert; dort seien vor allem die Aborigines betroffen.

"Die Geschichte des Urans ist eine indianische Geschichte", sagt Biegert. Die erste Atombombe der Menschheit wurde in einer Forschungsstadt bei Los Alamos unter dem Decknamen "Manhattan Project" entwickelt. "Das Los Alamos National Laboratory" erstreckt sich über 43 Quadratmeilen - Land der Tewa aus den Pueblos San Ildefonso und Santa Clara, die ihre heiligen Stätten nicht mehr betreten können: "Die indianischen Gebetsplätze sind entweder abgesperrt oder radioaktiv verseucht", schreibt Biegert auf der Website von Denkmalfilm TV. Einer der heiligen Orte sei das Bild von Avanyu, der Wasserschlange, in den Fels gehauen, lange bevor die Europäer kamen. Die Schlange sei die Hüterin der Quellen: Wer das Wasser zerstöre, müsse mit ihrer Rache rechnen. Längst sei das Grundwasser verseucht. Die Warnungen der Indianer würden aber nicht beachtet, mahnte er. Und erzählt von alten indianischen Mythen, von Bergen und Quellen, die mit einem Tabu belegt sind. "Die wussten schon lange um die Gefahr."

Claus Biegert wird an dem Abend in Moosach auch von jener radioaktiven Wolke aus Tschernobyl erzählen, die in Richtung Moskau schwebte und "geimpft" wurde, so dass sie abregnete und eine andere Stadt verseuchte. Er wird auch aus dem Leben von Hans-Peter Dürr, dem Elementarteilchenphysiker, der zu den einflussreichsten Forschern des zwanzigsten Jahrhunderts zählte, erzählen. Dürr habe bei Edward Teller studiert, ohne zu ahnen, dass dieser zu den Vätern der Wasserstoffbombe gehörte. Vielleicht wird er auch von den Wochenschauen berichten, die er als Bub mit der Oma im Bahnhofskino in Uffing am Staffelsee sah. "Es gab jedes Mal Bilder von Tierbabys, von Adenauer, von Papst Pius - und von den neuesten Atombombentests in Nevada und in der Südsee. Das hat mich schon damals tief berührt."

Die "Atomerzählungen" von Claus Biegert werden begleitet von dem italienischen Posaunisten Sebi Tramontana, Beginn ist um 20 Uhr im Moosacher Meta Theater. Der Eintritt ist frei, um Spenden für den "Nuclear-Free Future Award" wird gebeten. Die Auszeichnung ehrt Menschen, die sich für eine atomkraftfreie Zukunft einsetzen.

© SZ vom 23.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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