Mobilität im Landkreis Ebersberg:Hallo Taxi!

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Rufbusse gibt es unter anderem bereits auf der Linie 449, nun sollen auch Ruftaxis kommen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das Rufbussystem für den Landkreis Ebersberg nimmt konkrete Formen an, der Zeitplan aber ist ungewiss. Die bereits einmal diskutierte Einführung zum Fahrplanwechsel Ende 2022 scheint sich zu verschieben

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Das Wort Nachtruhe ist beim öffentlichen Nahverkehr besonders auf dem Land Programm. Wer nicht in der Nähe einer S-Bahnstation oder wenigstens einer der wichtigeren Buslinien wohnt, hat abends und auch am Wochenende keinen Anschluss. Der Landkreis will dies ändern, seit gut zwei Jahren steht das Ruftaxi-Konzept auf der Agenda, damit soll in Verbindung mit dem bestehenden Nahverkehr ein tägliches 24-Stunden-Angebot verfügbar sein. Im Umwelt- und Verkehrsausschuss des Kreistages wurde nun vorgestellt, wie das konkret aussehen könnte.

Grundsätzlich geht es darum, keine Konkurrenz zum Regionalbusangebot aufzubauen, sondern dieses zu ergänzen. Darum sollen die Ruftaxis an Werktagen zwischen 22 und 6 Uhr, samstags bis 8 und nach 16 Uhr sowie an den Sonn- und Feiertagen ohne Unterbrechung im Einsatz sein. In diesen Zeiten hatte eine Onlinebefragung den größten Bedarf festgestellt. Eine Ausnahme stellt dabei der südliche Landkreis dar: In einigen Ortsteilen von Baiern, Glonn und Egmating sei auch tagsüber ein Ruftaxiangebot sinnvoll, so die Experten der Firma "MVV-Consulting".

Diese ist eine auf Mobilitätskonzepte spezialisierte Tochter des MVV und hat in den vergangenen Monaten erarbeitet, wo und wie die Ruftaxis im Landkreis Ebersberg sinnvoll verkehren würden. Dabei wurden grob zwei Planungsbereiche - Nord und Süd - sowie verschiedene sogenannte Korridore erstellt. Denn im Gegensatz zum regulären Busverkehr, folgen die Ruftaxis, wie der Name nahelegt, eben keinem exakten Fahrplan. Stattdessen sollen sie gewissermaßen auf bestimmten Strecken Patrouille fahren, diese orientieren sich an bestehenden Buslinien und nutzen deren Haltestellen. Allerdings fahren die Ruftaxis nicht exakt einzelne Linien ab, vielmehr überlappen die Korridore oft mehrere davon. Auch die Korridore selbst haben Überschneidungen, so dass mit etwas Umsteigen ein Nahverkehr abseits der Bahnlinien beziehungsweise außerhalb deren Betriebszeiten möglich wäre. Idealerweise sollen die Ruftaxis im Stundentakt verkehren, auf einigen Linien dürfte es zumindest am Anfang ein Zweistundentakt werden.

Im Nordwesten des Landkreises sollen die Gemeinden Pliening und Anzing sowie die Vaterstettener Ortschaften Neufarn und Purfing mit dem Poinger Bahnhof verbunden werden. Vorgesehen ist dazu eine Route in Form einer 8 entlang der Buslinien 460, 463 und 464 im Norden sowie der Linien 461, 446, 465 und 466 im Süden. Die Nordschleife könne innerhalb von 35, die im Süden von 25 Minuten abgefahren werden, so dass mit einem eingesetzten Fahrzeug ein Stundentakt möglich ist. Dies gilt auch für die Strecken von Hohenlinden über Forstinning nach Markt Schwaben - diese entspricht den Buslinien 469 und 9410 - sowie der zwischen Markt Schwaben und Ebersberg, ebenfalls via Forstinning. Hier fährt der Bus die Linien 446 und 469 ab. Mindestens zwei Fahrzeuge bräuchte es für einen Stundentakt auf der Linie, die Poing, Vaterstetten und Zorneding verbindet und dabei zahlreiche Ortschaften und -teile miteinander verbindet. Hier geben die Buslinien 451, 452, 465 und 466 den Verlauf vor.

Deutlich komplexer sind die Korridore für den südlichen Landkreis, etwa zwischen Aßling, Ebersberg, Emmering, Frauenneuharting, Grafing und Steinhöring. Um diese sechs Kommunen miteinander zu verbinden, sind drei aufeinander abgestimmte Linien geplant, die dem Verlauf der Regionalbusse 444 und 447 folgen. Je nach Verbindung ergibt sich ein Zwei- oder Einstundentakt, letzterer soll vor allem zwischen den Bahngemeinden, also Aßling, Ebersberg, Grafing und Steinhöring möglich sein.

Drei Korridore sollen auch die Gemeinden Baiern, Bruck, Egmating, Glonn, Moosach und Oberpframmern miteinander und mit den Bahnhöfen in Zorneding, Ebersberg und Grafing-Bahnhof, sowie der U- und S-Bahn in Neuperlach Süd verbinden. Hier werden die Buslinien 411, 413, 440 und 453 abgefahren, meist im Zweistundentakt, zwischen Glonn und Neuperlach Süd via Egmating und Oberpframmern soll es jede Stunde eine Verbindung geben. Ebenfalls zweistündlich würden die Haltestellen des 440er Busses zwischen Baiern, Bruck, Glonn, Grafing und Moosach bedient, hier wären aber auch Abkürzungen und zusätzliche Haltepunkte möglich.

Quasi als reguläres Angebot während der normalen Betriebszeiten sollen die Ruftaxis in Baiern, Egmating und Glonn unterwegs sein. Hier könnten so die Ortsteile Peiß, Neumünster und Münster mit dem MVV-Bus in Glonn einerseits und dem Bahnhof in Aying andererseits verbunden werden. Von Glonn ausgehend sollen auf einer zweiten Route die Orte Wetterling, Berganger, Netterndorf, Antholing, Jakobsbaiern, Piusheim und Haslach angefahren werden.

Wann nun aber die ersten Ruftaxis auf zumindest einigen der Korridore unterwegs sein werden, ist völlig offen. Noch im August war im Ausschuss der Fahrplanwechsel im Dezember 2022 als Datum für den Start der ersten Linien genannt worden. Laut Verwaltung sei dies aber wegen der finanziellen Verwerfungen durch die Corona-Krise "nicht mehr gesichert", was die Mitglieder des Ausschusses offenbar ebenso sahen. Anders als bei der Verschiebung der zwischen Grafing und Ebersberg ebenfalls ursprünglich ab Dezember 2022 geplanten Ringbuslinie, gab es hierzu keinen Diskussionsbedarf. Stattdessen wurde einstimmig beschlossen, die Umsetzung des Ruftaxi-Konzeptes von der Situation des Kreishaushaltes und "dessen dauernder Leistungsfähigkeit seit der Corona-Pandemie" abhängig zu machen.

Dass dies so vorsichtig formuliert ist, liegt neben der allgemeinen Unsicherheit, was die Finanzen betrifft, auch daran, dass es bisher keine belastbare Berechnung der Kosten gibt. Allenfalls kann man sie schätzen, analog der Ausgaben, welche der Landkreis Fürstenfeldbruck - das Konzept ist Vorbild für Ebersberg - für seine Nacht- und Wochenendverkehre ausgibt: Vergangenes Jahr waren es 1,35 Millionen Euro.

© SZ vom 14.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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