Mobilität im Landkreis Ebersberg:Abwarten und Rad fahren

Lesezeit: 3 min

In München stehen die E-Scooter an jeder Ecke. Im Landkreis finden sie dagegen noch wenige Fans. (Foto: Alessandra Schellnegger)

E-Scooter finden bisher in der Region wenig Resonanz. Anbieter verweisen auf Rechtsunsicherheiten, Politiker und der ADFC auf ein unzureichendes Verkehrsnetz

Von Elisabeth Urban, Ebersberg

Wer mit dem E-Scooter unterwegs ist, braucht keinen Helm, kein Kennzeichen, keinen Führerschein, kann dafür aber mal eben mit bis zu 20 Stundenkilometern vom Bahnhof zur Arbeit rollern und ist dabei noch an der frischen Luft. Eigentlich sollten die seit Juni 2019 zugelassenen Fahrzeuge eine praktische Ergänzung zu öffentlichen Verkehrsmitteln oder eine Alternative zu Kurzstrecken mit dem Auto werden, doch sie scheinen im Landkreis Ebersberg bisher nicht wirklich angekommen zu sein. Konkrete Zahlen, wie viele E-Scooter hier tatsächlich pflichtgemäß versichert sind, liegen laut dem Gesamtverband deutscher Versicherer noch nicht vor.

Interessierte Kunden gebe es immer wieder ein paar, erzählt Gerhard Geiselhöringer vom Zornedinger Fahrradgeschäft Zweirad Hofmann, aber noch warte man ab und führe keinen E-Scooter im Sortiment. Zu viele gesetzliche Fragen, zum Beispiel, ob nicht doch noch eine Helmpflicht kommt, seien noch nicht eindeutig geklärt, die Lage zu unsicher. Dieser Meinung sind auch die meisten anderen Fahrradhändler aus dem Landkreis. Bei der Frage nach dem Zukunftspotenzial der E-Scooter ist man sich noch uneinig. Das Radlhaus in Grafing bietet zumindest schon ein günstiges E-Scooter-Modell an, allerdings nur für bis zu 70 Kilogramm Belastung, "also eher für Jugendliche".

In Großstädten können die Scooter von verschiedenen Anbietern flexibel entliehen und für Kurzstrecken verwendet werden. Wären E-Scooter also vielleicht eine sinnvolle Investition für die Autoteiler- Initiativen im Landkreis? Yvonne Grossmann vom Verein "Poinger Autoteiler Initiative" verneint das. Sie befürchtet, dass mit Scootern und Fahrrädern "weniger pfleglich als mit einem Auto umgegangen wird und deshalb öfter kleinere Reparaturen fällig sind. Auch wenn es nur Kleinigkeiten sind, muss sich jemand darum kümmern, was dann recht aufwendig wird". Aufwendig sei auch das regelmäßige und zeitlich passende Aufladen bei gemeinschaftlicher Nutzung. Wilma Österreicher von den Markt Schwabener Autoteilern erklärt, man habe in der Vergangenheit bereits einen Elektroroller, der wie ein normaler Motorroller nur eben mit E-Antrieb funktioniert, wieder aus dem Angebot genommen. Er war zu wenig genutzt worden.

Will man sich einen E-Scooter für den Eigenbedarf anschaffen, sieht Fahrradhändler Stephan Hattenberger aus Glonn die Scooter eher als Artikel für den Onlinehandel: Sie seien klein, kompakt und könnten dementsprechend leicht verschickt werden. Für ihn liegt ein klares Problem in der Kurzlebigkeit der Roller. Bei den meisten gebe es nach einigen Monaten Probleme mit der filigranen Technik, die dann oft nicht repariert, sondern als Elektroschrott entsorgt werde. Ein weiterer Dämpfer für die Nutzung der Scooter ist aus seiner Sicht die Infrastruktur: "Es gibt zu wenig Radwege." E-Scooter dürfen nicht auf Gehwegen benutzt werden, sondern müssen mit Höchstgeschwindigkeiten bis zu 20 Stundenkilometern auf der Straße oder auf Radwegen fahren. Auch Jürgen Friedrichs vom ADFC Ebersberg findet das problematisch. "Sehr kritisch sehen wir, dass die sowieso schon unzureichend ausgebauten Radwege nun von Radfahrern und E-Scooter-Fahrern gemeinsam genutzt werden." Vor allem, weil sich die Regelungen für Scooter- und Fahrradfahrer im Detail unterschieden, das aber kaum jemand wisse. Einbahnstraßen etwa dürften teilweise mit dem Rad gegenläufig befahren werden, mit dem E-Scooter jedoch nicht.

Auch einige praktische Eigenschaften der Roller kritisiert Friedrichs. Durch die kleinen Räder seien sie instabiler, also sturzanfälliger auf unbefestigten Wegen. Außerdem habe man kaum die Möglichkeit, Gegenstände zu transportieren. Eine ausreichende Rückbeleuchtung sei aufgrund mangelnder Befestigungsmöglichkeiten für Lampen am Roller ebenfalls schwierig. "Tatsächlich kann man aktuell kaum einen Vorteil an E-Scootern erkennen, die nicht mit einem Fahrrad auch schon gegeben sind."

Auch Phillip Goldner, Verkehrspolitischer Sprecher der Grünen Kreistagsfraktion, sieht kaum Mehrwert und Potenzial in den elektrisch betriebenen Tretrollern. "E-Scooter sind bis jetzt im Landkreis ein wenig diskutiertes Verkehrsmittel. Meine Prognose ist, dass die Zahl der E-Scooter im Landkreis überschaubar bleiben wird." Es sei wesentlich sinnvoller, sich für eine Verbesserung der Bedingungen für Fahrradfahrer einzusetzen, vielleicht sogar Leihfahrräder an Bahnhöfen und Marktplätzen zu etablieren. "Normale Räder haben einen viel geringeren Wartungsaufwand und sind für "die letzte Meile vollkommen ausreichend". Laut Goldner gibt es keinerlei Anfragen von Anbietern oder Firmen, die E-Scooter im Landkreis etablieren wollen. Und da schließlich auch die Sprecherin des Landratsamts erklärt, man werde die Entwicklung zunächst beobachten, wird man hier wohl weiterhin abwarten und Rad fahren.

© SZ vom 09.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: