Mitten in Zorneding:Jugend hat Vorfahrt

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Wer eine bestimmte Anzahl an Lebensjahren hinter sich gebracht hat, fragt sich manchmal, ob Glück und Dummheit nicht doch zusammenhängen; zu beobachten auch und gerade bei pubertierenden Jugendlichen

Von Karin Kampwerth

Das Glück ist mit den Dummen", lautet eine Redensart, die mitunter durchaus zutrifft. Zweifel an den Möglichkeiten der Gehirnleistung kommen wahlweise bei Betrunkenen auf, die auf dem Nachhauseweg nicht unter die Räder kommen, oder bei Landwirten, die besonders dicke Kartoffeln ernten - wobei gleich klargestellt sei, dass an dieser Stelle bestimmt keine Berufsgruppe verunglimpft werden soll - schließlich handelt es sich ja nur um ein Sprichwort, das gerne Neidern über die Lippen kommt.

Dennoch, wer eine bestimmte Anzahl an Lebensjahren hinter sich gebracht hat, fragt sich manchmal, ob Glück und Dummheit nicht doch zusammenhängen. Wobei ein schwarzes Loch im Kopf durchaus nur ein temporäres Schicksal sein kann - zum Beispiel, wenn Unerfahrenheit und Unerschrockenheit eine unheilvolle Symbiose eingehen. Dass das besonders häufig auf pubertierende Kinder zutrifft, wissen leidgeprüfte Eltern nur zu gut.

Da kann man die flügge werdenden Söhne und Töchter noch so viel vor den Gefahren da draußen in der Welt warnen, der Erfolg ist ungefähr der gleiche, als hätte man eine weiße Wand besprochen. Denn statt eines funktionsfähigen Denkapparats haben Teenager eher Brot zwischen den Ohren, beziehungsweise ein Durcheinander an Synapsen ohne weiteren Anschluss, als hätte man den Stecker gezogen.

Ähnlich muss auch das Paar gedacht haben, das dieser Tage mit seinen Fahrrädern an einer Kreuzung in Zorneding brav wartete, um die Straße zu überqueren. Beide vom Typ junge Eltern, die im Bewusstsein von Vorbildfunktion und Selbstschutz Helm trugen, ordentliches Licht am Rad hatten und Reflektoren an den Reifen. Während die beiden also anhielten, um ein herannahendes Auto passieren zu lassen, wurden sie lässig von hinten überholt. Ein Mädchen, Typ It-Girl auf dem Schulhof, 14 bis 16 Jahre alt, radelt mit einem alten Damenrad, dessen technisch einwandfreier Zustand stark bezweifelt werden muss, an den beiden vorbei schnurstracks auf die Straße. Natürlich hat das Mädchen die Ohren verstöpselt und schaut weder nach rechts noch nach links - und kommt dennoch heil auf der anderen Seite an. Natürlich. Das Paar verharrt konsterniert, wobei der stille Beobachter einen Moment daran zweifelt, ob die beiden empört über so viel Rotznäsigkeit sind, oder neidisch, dass die Zeiten der jugendlichen Unerschrockenheit leider vorbei sind.

© SZ vom 19.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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