Mitten in Grafing:Brave Revoluzzer

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Junge Leute sind rebellisch und unvernünftig? Von wegen - in Grafing gehen sie sogar erst nach Schulschluss zum Demonstrieren

Kolumne von Anja Blum

Es ist ja so: Je älter Kinder werden, desto mehr entwickeln sie ihren eigenen Kopf. Sie bilden ihren Charakter aus, mit allem, was dazu gehört. Sie fangen tatsächlich an, eine eigene Meinung zu haben, und die auch noch argumentativ zu vertreten. Sogar zum äußersten Mittel greifen die Kinder und Jugendlichen in Grafing nun: An diesem Freitag, 3. Mai, demonstrieren sie das erste Mal. Mit einem Zug durch die Stadt wollen sie Werbung für den Klimaschutz machen, die Plakate dafür sind schon gemalt, die Parolen eingeübt. Die "Fridays for Future" sind in Grafing angekommen.

Nun ja. Solange man als Mutter oder Vater derselben Ansicht ist wie das renitente Kind: gar kein Problem. Und auch ansonsten ist jeder Schritt hin zu mehr geistiger Autonomie und organisatorischer Selbständigkeit beim Nachwuchs doch durchaus zu begrüßen. Denn wer will schon 18 Jahre lang Händchen halten? Außerdem können Eltern sich immer damit trösten, dass ein Stück Unangepasstheit ja gar nichts Schlechtes bedeuten muss. Oder?

Hinge da nicht ein verdammt scharfes Damoklesschwert über der noch jungen Familie, das da heißt: Pubertät. In dieser Ära nämlich, so hört man, ist an ein vernünftiges Gespräch mit dem Sprössling nicht mehr zu denken. Argumente? Kompromisse? Ha! Mit einem Teenager wird angeblich jede Kommunikation im Handumdrehen zum Hindernisparcours, das Kinderzimmer komplett zum Sperrgebiet, der Schulranzen zum alles verschluckenden schwarzen Loch, das Wlan zum Heiligen Gral. Oh weh!

Voller Sehnsucht werden wir dann zurückdenken an die "Fridays for Future" dieser Tage. Denn bei aller Eigensinnigkeit sind die Kinder eigentlich doch extrem zahm und vernünftig. Von wegen Revoluzzer... Demonstriert wird erst um 13 Uhr, also nach Schulschluss - auch um diejenigen nicht zu stören, die an diesem Tag Abiturprüfung schreiben müssen. Und auf den Plakaten stehen Forderungen wie "Mehr Strom aus der Natur!" So sinnvoll - wie brav. Dass im Zuge der Demo durch Grafing Steine fliegen, steht wohl auch nicht zu befürchten.

Hoffnung macht zudem, was die sechsjährige Tochter auf einen Zettel an ihrer Zimmertür geschrieben hat: "biete klopfen". Möchte Schokolade?

© SZ vom 03.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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