Mitten in Ebersberg:Krocket mit Kettensäge

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England-Fans, die sich angesichts vermeintlicher Krocketspieler am Ebersberger Stadtrand verwundert die Augen rieben, wurden bei näherem Hinsehen eines Besseren belehrt: Es ging zwar auch um Präzisionsarbeit, aber nicht beim Bälle durch Bögen schieben, sondern Baumstämme sauber zurechtschneiden

Kolumne Von Theresa Parstorfer

Die Krocket-Saison wurde offiziell eröffnet in Ebersberg, an diesem recht sonnigen Donnerstag. Krocket ist eine Präzisionssportart. Es geht darum, farblich markierte Bälle mit hammerförmigen Schlägern, genannt Mallets, in vorgegebener Reihenfolge durch Tore zu stoßen, die in der Regel aus U-förmig gebogenen Drahtbügeln bestehen. In England erfreut sich der Sport wie eh und je großer Beliebtheit. Sobald die Sonne das Gras wärmt, werden dort frohgemut die Schläger ausgepackt. Wer wiederum ein Fable für das Vereinte Königreich und vieler seiner merkwürdigen Traditionen und auch Sportarten hat, dessen Herz dürfte am Donnerstag kurz höher geschlagen sein. Und zwar beim Vorbeifahren an der Wiese vor der Ebersberger Landwirtschaftsschule am Stadtrand.

Da stapfen sie umher, die Spieler. In voller Montur mit Schlägern. Zwischen den gebogenen Toren, durch die die Bälle gekickt werden sollen. Aber Moment: Bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass da gar keine Bälle im Spiel sind. Ebenso wenig wie Sportbekleidung. Auch bei den Bügeln handelt es sich nicht um Tore, sondern um die Träger von Plastikkörben. Und die werden von den vermeintlichen Spielern gefüllt mit Ästen und Zweigen. Wie sich im Zuge genauerer Nachforschungen herausstellt, geht es auf dieser Wiese keineswegs um ein Turnier im Bälle-Schubsen. Sondern um landwirtschaftliches Fachwissen. Zu gewinnen gibt es allerdings tatsächlich etwas. Den Titel "Bester Jungbauer der Region" und darüber hinaus winkt den besten vier Baumschneidern die Teilnahme am bayernweiten Entscheid.

Jedes Jahr um diese Zeit, wenn die ersten Frühlingsblumen ihre Knospen öffnen, wird in Ebersberg nicht die Krocket-Saison eröffnet, sondern der Regionalentscheid des "Forstlichen Wettbewerbs" abgehalten. Dafür mussten in diesem Jahr 78 Teilnehmer keine Bälle schubsen, sondern ihr Können in Disziplinen wie Fällschnitt, Kombinationsschnitt und Baumpflanzung beweisen. Krocket hin oder her: Jeder, der schon einmal versucht hat, eine Hecke zu trimmen, dürfte zustimmen, dass auch das einiges an Präzisionsvermögen erfordert.

© SZ vom 06.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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