Mitten in Ebersberg:Das Geheimnis des Zahnarztbechers

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Wie die Zahnarzthelferin erklärt, würden 90 Prozent der Kinder den Ausspülbecher stets komplett leer machen. Aber warum ist das so?

Kolumne von Anja Blum

Zu den Aufgaben verantwortungsvoller Eltern gehört es, mit dem Nachwuchs regelmäßig zum Zahnarzt zu gehen, selbst in jungen, teils eher lückenhaften Zeiten. Und das ist dann immer ein bisschen aufregend. Für die Kinder sowieso, aber auch für die Erziehungsberechtigten. Schließlich fällt es ganz schnell auf diese zurück, wenn die kleinen Beißerchen nicht ganz so weiß strahlen wie gewünscht. Nicht gut oder genügend geputzt? Zu viel Apfelschorle? Die falsche Zahnpasta? Zu oft noch ein süßes Betthupferl? Eieiei...

Schnell ist in der Ebersberger Praxis klar: Eine professionelle Zahnreinigung muss her. Während die Siebenjährige also behandelt wird, sitzt die Mutter etwas hibbelig daneben. Man kann das Kind in dieser schweren Stunde ja schlecht alleine lassen. Die Kleine jedoch hat die Ruhe weg. Jedes Mal, wenn es nach einem Behandlungsschritt ans Ausspülen geht, wird diese Prozedur regelrecht zelebriert. Immer wieder nimmt das Mädchen Wasser in den Mund, gurgelt und spuckt aus. So oft, bis der weiße Becher leer ist. Und das dauert. Die Schlucke einer Siebenjährigen nämlich sind klein. Beim dritten oder vierten Mal wird es der Mutter deswegen zu bunt. "Du musst den Becher nicht ganz leer machen", klärt sie ihre Tochter auf. Diese schaut sie nur mit großen Augen an - eine Antwort kommt stattdessen von der völlig entspannten Prophylaxeexpertin: "Ach, lassen Sie nur", sagt sie. "90 Prozent der Kinder machen den Becher immer leer."

Aha. Das ist doch mal ein interessantes Detail! Warum in Gottes Namen tun die Kleinen das? Ist der leere Becher etwa eine Folge der alltäglichen Debatten ums Aufessen? Aber wieso funktioniert das dann zuhause nicht? Wirkt der weiße Kittel vielleicht gerade in jungen Jahren dermaßen respekteinflößend, dass er vorauseilenden Gehorsam hervorruft? So, als wäre das Leeren des Bechers bis zur Neige eherne Pflicht. Oder steckt etwas ganz Anderes dahinter, irgendein hübscher Gedanke, der nur den langweiligen Erwachsenen abwegig erscheint? Möglicherweise ist es der Mechanismus, der den Becher wie von Zauberhand jedes Mal erneut bis knapp unter den Rand füllt, der die Kinder fasziniert. Oder die Behandlungsreste in Blau oder Rosa, die so schön aus dem Mund in das kleine weiße Becken spritzen? So oder so, klar ist: Hier wächst offenbar eine Generation mit mindestens besorgniserregendem Trinkverhalten heran.

© SZ vom 07.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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