Mitten im Amtsgericht:Zeugen ohne Aussage

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Die Wahrheitsfindung vor Gericht kann ein schwieriger Weg sein. Vor allem dann, wenn alle Geladenen ihre jeweils eigenen Gründe dafür haben, nichts mehr von der Straftat zu wissen

Kolumne von Andreas Junkmann

Die Wahrheitsfindung vor Gericht kann unter Umständen ein recht zäher und steiniger Weg sein. Vor allem dann, wenn sich der Tatverlauf nicht so richtig nachvollziehen lässt, widersprüchliche Angaben gemacht werden und überhaupt alles ein bisschen undurchsichtig ist. Zum Glück für die Vorsitzenden gibt es genau für solche Fälle Beweisstücke, die auch in noch so verworrenen Szenarien für klare Verhältnisse sorgen können. Der Klassiker dürfte wohl die blutverschmierte Tatwaffe sein, die am besten noch übersät von Fingerabdrücken im Keller des Verdächtigen gefunden wird. Aber auch Ton- und Videoaufnahmen, Mikrospuren vom Tatort oder ein DNA-Test können beim Erörtern der Wahrheit dienlich sein.

Unter den Juristen selbst rangiert in der Beliebtheitsskala aber ein ganz anderes Beweismittel auf dem ersten Platz: die Zeugen. Nichts und niemand, so die einhellige Meinung, ist derart verlässlich wie eine unvoreingenommene Person, die ein Verbrechen beobachtet hat und vor Gericht den genauen Hergang wiedergeben kann - zumindest in der Theorie. Denn dass auch Zeugen durchaus ihre Schwächen haben können, hat nun ein Prozess am Ebersberger Amtsgericht gezeigt.

Angeklagt war ein Mann, der einer jungen Frau per Faustschlag eine Platzwunde verpasst haben soll. Er selbst wollte zu dem Vorfall in einer Poinger Disco lieber erst gar nichts sagen, weshalb eben drei Zeugen Licht ins Dunkel bringen sollten. Doch das hat nicht so recht geklappt, denn jeder von ihnen hatte seine Gründe, warum er keine konkreten Informationen geben konnte. Die Geschädigte selbst war zwar unmittelbar beteiligt, hat aber nicht genau gesehen, wer ihr ins Gesicht geschlagen hat. Ein weiterer Mann gab gleich ohne Umschweife zu, viel zu betrunken gewesen zu sein, als dass er sich noch an irgendwas erinnern könnte. Und der dritte Zeuge wurde laut seiner Aussage selbst von zwei anderen Männern hart in die Mangel genommen, so dass auch er nichts mitbekommen hat.

Immerhin hat die Vernehmung zumindest folgende Erkenntnis gebracht: Mit der Discobesitzerin, einer Barkeeperin und einem DJ hätte es durchaus - sogar nüchterne - Beobachter gegeben, die den Vorfall mitbekommen haben. Nur die waren zum Termin am Amtsgericht eben allesamt nicht geladen. Und so blieb der Richterin nur übrig, die Verhandlung ein ander Mal fortzusetzen - um dann hoffentlich etwas beweiskräftigere Zeugen vor sich sitzen zu haben.

© SZ vom 21.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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