Mitten im Advent:Ja, ja, wir wissen es

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Im strukturlosen Corona-Weihnachten muss man froh sein, wenn man an ein paar Weihnachtsbäumen auf der Straße erkennt, welche Stunde es geschlagen hat

Glosse Von Wieland Bögel

Nun ist es auch schon wieder 36 Jahre her, seit auf allen Radiostationen und rund um die Uhr die musikalische Frage "Do they know it's Christmas?" ertönte. Was, die Älteren erinnern sich, ein Paradebeispiel aus der Kategorie "gut gemeint, schlecht gemacht" war: schließlich ging es um Hilfe für notleidende Menschen in Äthiopien, die indes einer der ältesten christlichen Kirchen der Welt angehören, also sehr wohl wissen, was und wann Weihnachten ist. Viel ist darum in den vergangenen dreieinhalb Jahrzehnten darüber gespottet worden. Aber wie verhält es sich hier und heute? Wissen die von Corona und den möglicherweise dagegen helfenden Schutzmaßnahmen gebeutelten Menschen von Weihnachten?

Immerhin sind nahezu alle traditionellen Vorbereitungen auf das Fest der Feste abge- und untersagt: Weihnachtsfeiern finden nicht statt, dasselbe gilt für Christkindlmärkte. Wo früher Glühwein und andere geistige Getränke den Schädel dröhnen ließen, was zuverlässig das Nahen der Weihnachtsfreuden ankündigte, ist nun nichts als dröhnende Stille. Diese herrscht ebenso in den Fußgängerzonen und Einkaufsstraßen landauf landab. Vorbei die Zeit, als man an den blauen Flecken, die man im Shoppingnahkampf errungen hatte, wie beim Adventskalender die Tage bis zur Bescherung hochzählen konnte. Die heuer sicher ebenfalls oftmals Enttäuschung beschert, wenn Geschenke im - wegen Corona geschlossenen - Geschäft liegen bleiben mussten, die im Internet bestellten Gaben aber beim Nachbarn abgegeben wurden, der sie leider die nächsten zwei Wochen wegen Quarantäne nicht hergeben darf. Und auch die Struktur der Weihnachtstage, früher zuverlässig ablesbar an der Besetzung der Debattierrunde am heimischen Esstisch, ist wegen Besuchsverboten nahezu unkenntlich.

Doch es gibt sie noch, die Hoffnung und sie ruht, wie so oft, in den kleinen Dingen. Etwa mitten auf der B304 bei Kirchseeon, da stapfte kürzlich jemand mitten durch den Verkehr, der offenbar drauß' vom Walde gekommen war. Gut, weder Nikolaus noch Weihnachtsmann, aber immerhin jemand, der mit einer Ladung Christbäume unterwegs gewesen war, von denen einige nun die sonst so triste Straße schmückten. Und im Supermarkt wird derzeit Hundefutter mit Rentier angeboten.

© SZ vom 19.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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