Mitreißender Auftritt in Vaterstetten:Lasst das mal die Kinder machen!

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Als die Erwachsenen in einen tiefen Schlaf fallen, übernehmen die Kinder das Ruder - mit Erfolg. (Foto: Christian Endt)

Die Musikschule überzeugt mit mehr als 60 Chorkindern und Live-Band beim Musical "Frieden auf dieser Welt"

Von Michaela Pelz, Vaterstetten

The Show must go on! Wie sehr man in der Musikschule Vaterstetten dieses Motto der Profis verinnerlicht hat, bekommen die Premierenzuschauer des Musicalprojekts 2019 "Frieden auf dieser Welt" freilich erst am Ende mit.

Zunächst einmal geht an diesem Samstagnachmittag im gut gefüllten Bürgerhaus Neukeferloh alles seinen geordneten Gang. Erstaunlich, denn mehr als 60 Buben und Mädchen zwischen sechs und zwölf Jahren, sanft dirigiert von Chorleiter Matthias Gerstner und diversen Eltern, müssen nicht nur gekonnt singen und spielen, sondern vor allem zur richtigen Zeit am richtigen Platz auf der ziemlich vermüllten Bühne sein.

Schnell wird klar, dass die Papierfetzen und Plastikabfälle für die Zustände in dem kleinen französischen Dorf stehen, in dem die Geschichte spielt. Denn die dort lebenden Erwachsenen versammeln sich lieber zum Trinken im Wirtshaus (Männer) oder zum Tratschen am Brunnen (Frauen), statt sich um Haus, Hof oder Kinder zu kümmern.

Das erfahren die rund 250 Besucher durch den schmissigen Auftaktsong "Wir sind die Kinder von Girouan", in dem diese auch gleich verkünden: "Wenn wir was zu sagen hätten - das ist ganz gewiss -, vieles muss geändert werden, ohne Kompromiss!" Die Notwendigkeit dazu kommt schneller als gedacht: Um seiner Forderung nach Frieden Nachdruck zu verleihen, lässt ein geheimnisvoller Unbekannter alle Männer und Frauen der Welt in einen Dornröschenschlaf fallen.

Nun sind die Kinder gefordert. Wie gut, dass sie Marcel haben! Der holt die anderen aus ihrer Schockstarre, bringt sie dazu, fest zusammenzuhalten und verteilt nach einer Bestandsaufnahme der Vorräte die Aufgaben. Dass die Mädchen automatisch am Herd landen, während die Jungs handwerkliche Arbeiten übernehmen, liegt sicher an der Entstehungszeit (Ende der 50er Jahre) des Buches "Der blaue Strahl", das dem Musical (Komponist: Hans-Georg Wolos, Text: Margarethe Johannsen) zugrunde liegt.

Auf jeden Fall ist die Figur des Marcel ungemein kompetent, was auch für Darstellerin Noemi gilt. Den völlig neidlosen Aussagen der anderen Sängerinnen ist zu entnehmen, dass die von Anfang an textsichere Sechstklässlerin nicht nur ihren eigenen Part beherrscht, sondern auch immer genau weiß, "wer wann dran ist und was jeder zu sagen hat".

Bei bestimmt gut 35 Sprechrollen eine fürwahr reife Leistung. Wie auch der ungeplante Stunt des neunjährigen Kilian, der mitten im Stück reaktionsschnell einen fallenden Mikrofonständer im Flug auffängt, was nicht nur den in der ersten Reihe sitzenden Bürgermeister Georg Reitsberger ganz besonders beeindruckt. Durchgängig sichtlich begeistert, findet der frühere Kirchenchor-Tenor, die Musikschule leiste Großartiges und vergisst auch nicht, das Engagement der Eltern zu loben.

Doch weiter im Stück: Weil die Kinder als Hauptursache allen Übels den Alkohol ausmachen, kippen sie im gleichnamigen Ohrwurm per Menschenkette sämtliche Schnapsflaschen in den Dorfbach. Was sich jedoch rächt: Denn das nun auftretende Federvieh ist zwar ganz entzückend, aber leider vom Wassergenuss völlig betrunken; gut zu erkennen an den beim Tanz gefährlich wippenden Gummihandschuh-Kämmen. Wie auch bei den, wenig später hinzukommenden, ebenfalls bezaubernden Kesselflicker-Kindern sind hier besonders viele Erstklässlerinnen mit großer natürlicher Bühnenpräsenz am Start.

Nach neunzig ohne Pause durchgespielten Minuten - noch beeindruckender im Hinblick auf die am Freitag und Samstag stattgefundenen drei- und zweistündigen Proben - folgt erst das Erwachen der Erwachsenen und dann das Happy End in Form eines furiosen Finales. Beim rockigen und Gänsehaut erzeugenden "Frieden" geben sie noch einmal laut und tonsicher alles - die von Matthias Gerstner kunstvoll zusammengeführten Chöre sowie die Musicalband "Haste Töne" unter Leitung von Bernd Kölmel.

Der tosende Applaus verstärkt sich, als der Musikschulchef erklärt, warum die neunjährige Marie mit Textheft auf der Bühne stand: Gerade mal eine Stunde vor Beginn der Vorstellung hatte die Drittklässlerin erfahren, dass sie für eine erkrankte Darstellerin einspringen und daher zwei Personen verkörpern musste. Besonders schwierig war es, bei jedem neuen Aufgang "immer zu wissen, welche Rolle ich gerade bin". Auch Christoph wurde viel abverlangt: Er hatte sich kurz vor dem Auftritt durch einen Sturz vom Podest den Fuß verknackst und kam mit Bandage.

Keine Frage: Nach einer solchen Darbietung, allen Hürden zum Trotz getragen von mitreißender Begeisterung, haben sich die jungen Chor- und Orchestermusiker das Prädikat "Showprofis" redlich verdient!

© SZ vom 15.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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