Millionenprojekt kurz vor Fertigstellung:Bis zum ersten Gong

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Kommenden Dienstag geht Vaterstettens Grund- und Mittelschule in Betrieb. Dafür schieben die Bauarbeiter am Wochenende Sonderschichten. Ein Rundgang durch das neue Schmuckstück der Gemeinde

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

"Je näher wir der Schule kommen, um so mehr ist fertig", verspricht Georg Reitsberger. Der Bürgermeister hat zu einem Rundgang durch Vaterstettens größtes und teuerstes Projekt geladen, die neue Grund- und Mittelschule. Rund 420 junge Leute im Alter von sechs bis 16 Jahren sollen hier von Dienstag an lernen. Knapp 42 Millionen Euro wird die Gemeinde dafür ausgeben, oder auch etwas mehr, aber dazu später. Zunächst müssen die Besucher beachten, was auch für Schüler gilt: Aufpassen!

Denn der Weg in die neue Bildungseinrichtung ist wortwörtlich ein steiniger, er führt zunächst über einen mit Baucontainern zugestellten Schotterplatz - hier, so erläutert Ralf Schloemilch vom Bauamt, werden einmal die Schulbusse halten. Weiter geht es über den gerade im Entstehen begriffenen Pausenhof, Schubraupen und kleine Bagger fahren herum, Arbeiter sägen und verlegen Pflastersteine, einen davon legt Bauamtsleiterin Brigitte Littke persönlich aus dem Weg der Besucher, es soll ja keiner darüberfallen. Schloemilch nutzt die kurze Pause des Mannes an der Rüttelplatte, um zu erläutern, wo die Fahrradständer hinkommen und wo das Schultor, wo die Grundschüler ihren Pausenhof haben und wo die Älteren. Ach ja: und bis Dienstag wird der Hof weitestgehend fertig und benutzbar sein.

Dass hier bis kurz vor dem ersten Schulklingeln noch gearbeitet wird - und das ist wörtlich zu verstehen, denn die Firmen werden auch übers Wochenende einschließlich Sonntag an der Schule werkeln - hat mit einem Rechtsstreit um die Vergabe der Fassadenarbeiten zu tun. Der hat dem Projekt gut ein Vierteljahr Verzögerung eingebracht, das muss jetzt gewissermaßen auf den letzten Metern aufgeholt werden. Und es war knapp: "Vor drei Wochen hatte ich noch meine Zweifel", gibt ein sichtlich erleichterter Martin Wagner zu. Inzwischen ist der Vaterstettener Vizebürgermeister aber deutlich zuversichtlicher: "Es wird knapp, ist aber zu schaffen." Eigentlich könne man täglich die Fortschritte beobachten, sagt Littke, "es geht sehr schnell."

Dies lässt sich im Inneren der Schule beobachten. Es riecht nach Holz und Silikon, Vertreter aller Gewerke gehen hier ihrer Arbeit nach. An der Treppe, die die Besuchergruppe in den ersten Stock führt, ist ein Arbeiter damit beschäftigt, das Geländer zu polieren, eine Flucht darüber ist sein Kollege noch mit der Schleifmaschine zugange. Ein Treppenhaus weiter werden die Geländer schon mit der Spraydose behandelt, Schloemilch rät daher davon ab, sie beim Treppensteigen anzufassen.

Bei der Mittagsbetreuung kann es sofort losgehen, hier waren die Möbelpacker schon da. (Foto: Christian Endt)

In der Aula ist bereits die Umzugsmannschaft zugange. Davon zeugt ein hoher Stapel Kartons auf der einen Seite, auf der anderen steht eine Ansammlung von Instrumenten, hauptsächlich Trommeln und Xylophone - der Musikraum ist gleich nebenan und wird gerade eingeräumt. Auf dem tiefergelegten Boden des Schulsaales sind noch die Arbeiter zugange, man sieht offene Luken und Kabel. Der Bürgermeister hat aber vor allem Augen für die zwei Stockwerke darüber liegenden großen Dachfenster: "Ist das auch alles dicht?", fragt er scherzhaft, offenbar eine Anspielung auf das chronisch inkontinente Glasdach seines Dienstsitzes.

Ein Stockwerk darüber erläutert Schulleiterin Catherine Aicher das Raumkonzept: Jeweils mehrere Klassenzimmer sind zu einem gemeinsamen großen Flur angeordnet, der sogenannten Lernlandschaft. "Es ist ja nicht alles Frontalunterricht", so die Rektorin, darum seien solche Lern- und Arbeitsräume außerhalb der Klassenzimmer sinnvoll. In den Klassenzimmern - deren Türschilder schon beschriftet sind, teilweise sogar mit dem Namen des jeweiligen Klassenlehrers - wird gerade die Einrichtung aufgestellt, immer wieder fahren Arbeiter eine Ladung Tische durch die Gegend. Die Kollegen, die für die Tafeln zuständig sind, waren schon da, und das wohl erst kürzlich: Auf den Flächen, wo von Dienstag an Lehrstoff dargeboten wird, prangen noch die aufgeklebten Zettel mit den Pflege- und Benutzungshinweisen.

In der Mensa gibt es wohl erst in zwei oder drei Wochen etwas zu Essen. (Foto: Christian Endt)

Digitale Tafeln wird es in der neuen Schule im übrigen nicht geben, sagt Aicher, man habe sich bewusst für die analoge Variante entschieden. Whiteboards, wie es sie andernorts gibt, seien zu anfällig und wenig benutzerfreundlich. Auf moderne Technik im Unterricht müssen die Vaterstettener Kinder indes nicht verzichten, ein dicker Strang aus Elektro- und Datenkabeln, der über den Kreidetafeln aus der Wand ragt, zeugt davon. Dort werden Beamer angebracht, auch Visualizer, also Dokumentenkameras, gehören zur Standardausrüstung, genau wie Tabletcomputer für die Schüler. Diese sollten aktiv an und mit der Technik lernen, sagt Aicher, statt auf oftmals nicht funktionierende Whiteboards zu starren.

Weiter geht es in die Mensa, die Ausgabetheke ist schon drin, im Essbereich stehen allerdings noch keine Tische und Stühle, dafür Kisten mit Geschirr und einige Leitern. Denn gerade werden die Deckenlampen montiert. Unter diesen sollen einmal bis zu 120 hungrige Schulkinder Platz finden, erläutert die Direktorin. Damit es aber nicht zu ungemütlich voll wird, sind die Mittagspausen nicht für alle Klassen zur gleichen Zeit - schließlich geht man von rund 250 Essen aus, die täglich über den Tresen wandern. Allerdings nicht gleich in den ersten Tagen, vermutlich eröffnet die Mensa erst in der zweiten oder dritten Woche des neuen Schuljahres. Für die älteren Schüler dürfte sich dann ein gewisses Wiedererkennen einstellen - den Caterer habe man nämlich behalten können, erst kommendes Jahr muss wieder neu ausgeschrieben werden.

Auf allen Etagen der Schule wird noch fleißig gearbeitet. (Foto: Christian Endt)

Richtig gekocht wird dagegen einmal in der Lehrküche, pardon: im "Kochstudio", so steht es an der Tür. Drinnen sieht man noch viel Verpackungsmaterial, aber auch schon manches leuchtendes Display an den Geräten, nebenan in den Forscherlaboren genannten Räumen für die Naturwissenschaften wird noch verkabelt. Auf ihren Laptops prüfen derweil zwei Techniker im Elektroraum im Gang, dass das auch alles seine Richtigkeit hat, ihre Kollegen diskutieren derweil, wo man einen Monitor am besten aufhängt. In den Werkräumen könnte man dagegen eigentlich sofort loslegen, die Maschinen aus der alten Schule sind schon umgezogen, inklusive der Werkbänke mit den Schülerkritzeleien.

Alle Arbeiter werden übrigens nicht Schlag Dienstag verschwunden sein, sagt Schloemilch, kleinere Nacharbeiten, etwa an Fugen und Bodenleisten, werde es auch noch während des Schulbetriebes geben. Trotzdem sei er froh, wie viele Firmen sich bereit erklärt hatten, Sonderschichten zu fahren, als sich vor drei Monaten herausstellte, dass man sonst nicht fertig wird. Was allerdings auch seinen Preis hat, im Juni nannte das Rathaus eine Summe von 350 000 Euro. Ob es bei diesem Aufschlag bleibt, könne man derzeit aber nicht sagen, so Bauamtsleiterin Littke.

Aufgemerkt: Ralf Schloemlich vom Bauamt erläutert Georg Reitsberger und Martin Wagner die Baufortschritte. (Foto: Christian Endt)

Ganz fertig wird das Schulzentrum übrigens wohl erst zu den Herbstferien, denn auch bei der Turnhalle mit Schwimmbad gab es Verzögerungen. Hier nicht durch einen Rechtsstreit, sondern durch einen Wasserschaden. Für den Bürgermeister ist der Schulbau, auch wenn er noch nicht ganz fertig ist, "etwas Großartiges", ja "Bombastisches". Bei seiner eigenen Einschulung - 60 Jahre ist das jetzt her -, sei man "noch bescheidener" gewesen, was Schulen angeht. Auch die Schulleiterin lobt die Ästhetik und Funktionalität des Neubaus, man könne hier viel umsetzen, sagt Aicher. Die Verzögerung bei der Halle sei indes ein eher kleines Problem, die Wochen bis Allerheiligen könne man auch ohne Halle auskommen, da finde der Sportunterricht ohnehin noch oft im Freien statt.

Die nächsten Wochen werden sich Lehrer und Schüler dann in dem neuen Haus einrichten, es gibt Führungen - auch für die Eltern, wie Aicher betont. Ganz offiziell eingeweiht werden soll der Schulbau dann am 8. November - wenn man dann auch von Weitem sieht, dass er fertig ist.

© SZ vom 06.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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