Mehr-Generationen-Projekt:Sinnlich und swinglich

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Nicht mit krachendem Bläser-Gehupe, sondern mit elegant gespielten Stücken zeigen die Musiker von "Markt Schwabens Finest" unter der Leitung von Hermann Rid, was sie drauf haben. Eine Klasse, die man in der Marktgemeinde nur sehr selten zu Gehör bekommt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

"Markt Schwabens Finest" heizt beim Konzert im Unterbräu mit Leidenschaft und erstklassigem Big-Band-Sound alle Sinne an

Von Ulrich Pfaffenberger, Markt Schwaben

Im ersten Set das Publikum mit Swing vorglühen, im zweiten Set die Zuhörer dann mit Bebop, Funk, Latin und Rock zum Glühen bringen - ein geschickter Ansatz für ein Konzert, das unter dem Titel "A Hot Night in Markt Schwaben - Reloaded" steht. Ein geglückter Ansatz dazu. Denn noch während die Big Band der Musikschule sich feurig und cool zugleich durch ihr Programm bewegte, stand am Samstagabend der Saal im Unterbräu, wenigstens musikalisch gesehen, in hellen Flammen, in deren Licht dieses junge Ensemble, das sich doch schon einen respektablen Namen gemacht hat, glänzend leuchtete. Solche Konzerte brennen sich nicht von ungefähr nachhaltig ins Gedächtnis ein.

Schon in der Vergangenheit, etwa bei der "Langen Nacht der Musik", bei der die Big Band den Schwabener Marktplatz bespielte, war ihr markanter Sound eine der stärksten Anziehungskräfte fürs Publikum. Die Frage nach dem "Warum?" beantwortet sich zunächst durch die Einstellung und Ausstrahlung der Musiker, die mit allen Sinnen zu erkennen ist, und dann mit jenem, der als Bandleader die Verantwortung dafür trägt. Hermann Rid ist nicht nur Vollblut-Musiker, sondern ganz offensichtlich auch von einer immensen pädagogischen Strahlkraft und Inspiration für seine Schülerinnen und Schüler, mithin also das, was man genauso einen Glücksfall nennen darf wie die Tatsache, dass wir dank seiner Arbeit für erstklassigen Bigband-Sound nicht ins CD-Regal greifen müssen, sondern ihn live im Unterbräu erleben können.

Es sind dabei die Standards, an denen sich zweierlei erkennen lässt: Ob die Band ihr Metier beherrscht einerseits und ob sie gut genug ist, eigene Akzente zu setzen andererseits, sprich: zu interpretieren, statt zu reproduzieren. Bei beiden Kriterien lässt Markt Schwabens Finest nichts anbrennen, was nicht zuletzt der Zusammensetzung der Band als "Mehr-Generationen-Projekt" zu verdanken ist. Die "Junggebliebenen", wie Bandleader Rid sie bezeichnet, ziehen die Jungen mit ihrer Erfahrung nach oben, und die Jungen sorgen mit ihrem Ungestüm und ihrer Neugier dafür, dass da oben etwas passiert.

"Harlem Nocturne" zum Beispiel, eine Nummer, die ihren Eros aus den geflüsterten Passagen zieht, aus dem Knistern der Gedanken, die einen verrückt machen vor Sehnsucht nach der nächsten Bewegung, dem nächsten Klangreiz. Gerade im Big Band-Sound, wo die Versuchung maximal ist, mit krachendem Bläser-Gehupe den Raum zu erobern, sind derart elegant gespielte Stücke das Zeichen wahrer Stärke. Eine ähnliche Mischung aus Zuneigung, Respekt und Spielfreude äußert sich bei "Cute", einem balladenähnlichen Schlagzeugfeature von Neal Hefti. Daraus macht die Band einen lebendigen, inspirierenden Dialog zwischen Bläsern und Percussion, geschmeidig, sanft und suchend, eine Kunst, die auch im Leben außerhalb des Konzertsaals rar ist. Man darf vermuten, dass die Band das Stück so "cute" findet, dass sie sich daran nicht sattspielen kann.

Der "Nova Bossa", dem sich die Big Band in aller Lässigkeit hingibt, erweist sich als ebenso tanzbar wie die Sambaklänge, mit denen sie die Schwingungen der "Brazilian Love Affair" aufnehmen und variieren. Mit funkigen Einsprengseln zeigen die Trompeten, die sich mit den Saxofonen in einen edlen Wettstreit um die größere Sinnlichkeit begeben, dass bei einem leidenschaftlichen Tanz sich Musikalität und Körperlichkeit zusammenfinden können, wenn sie sich nicht wechselseitig unterwerfen, sondern anstacheln. Das ist "Latin", wie es nicht im Lehrbuch steht, sondern nur durchs wahre Leben heranreift - ein Niveau, auf das die Band stolz sein kann. Hier zeigt sich die erreichte Klasse deutlich: Präzision im Einsatz, Durchatmen der Pausen, Grooven zum sich drin Suhlen, Raum schaffen für die Kraft des Sounds, das Publikum ergreifen, nicht umblasen.

Eine Klasse, die sich quer durch die Band zeigt. Sie wird gerade dann spürbar, wenn Einzelne für ein Solo aus der Formation heraustreten, sich der strengen Sound-Disziplin einige Takte entziehen und die Leidenschaft für ihr Instrument ausleben dürfen. Der Bass und die E-Gitarre lösen sich da frech und herausfordernd aus ihrer Rolle als geduldige Begleiter, aus der Reihe der Trompeten und Saxofone zeigt fast jeder ein- oder mehrmals die Visitenkarte, die beiden Posaunisten lassen ihrer Lust am nachhallenden Statement freien Lauf, dem munteren Schlagzeuger sieht man die Spielfreude auch ohne das große Drummer-Feuerwerk an und der Mann am Klavier würde jeden Jazzkeller verzücken mit seinen kunstvollen Ausbrüchen. Aus dieser Rezeptur gelingt dann ein "Blues Brothers Medley", das auch in Chicago seinen Beifall bekommen hätte, umso mehr aber in Markt Schwaben, wo derlei sehr selten nur zu hören ist und wo das jubelnde Publikum auf den Beinen war, noch ehe die letzte Swingnote zum Saal hinausgetanzt war.

© SZ vom 25.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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