Dreh in Markt Schwaben:Verfolgung vor der Kamera

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Die ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY... ungelöst" dreht für ihren Zuschauerpreis in Markt Schwaben. Dafür werden am Dienstag sogar eine Straße und eine Tankstelle teilweise gesperrt.

Von Max Nahrhaft, Markt Schwaben

In den häufigsten Fällen macht sich ein couragierter Einsatz von Menschen bemerkbar, wenn sie bei Handgreiflichkeiten, Beleidigungen oder sonstigen Anfeindungen einschreiten. Ziel ist zu deeskalieren und Hilfe zu holen. Eher selten ist es, dass ein Mann einem Fremden den Autoschüssel abzieht, um ihn daran zu hindern, weiterhin eine unschuldige Frau zu verfolgen.

So ereignete es sich aber im Juni des vergangenen Jahres in Markt Schwaben. Zwei Autos rasten von der Autobahn A 94 über die Landstraße in die Gemeinde. Im vorderen Wagen saß eine Frau mittleren Alters, die verzweifelt nach Hilfe Ausschau hielt. In ihrer Panik versuchte sie sich vor ihrem Verfolger in die Esso-Tankstelle am Ortseingang von Markt Schwaben zu retten. Heimgesucht wurde sie von einem Kleintransporter - und das ohne ersichtlichen Grund. Es wurde lediglich festgestellt, dass der Fahrer zum Tatzeitpunkt betrunken war.

An der Tankstelle mehrere Wagen gerammt

Schon während der Verfolgungsfahrt fuhr der Mann den Wagen der Frau mehrmals von hinten an und brachte sie in gefährliche Situationen. Als die Frau an der Tankstelle ankam, flüchtete sie sich in das Gebäude, um Schutz vor ihrem Verfolger zu suchen. Dieser fuhr mit einem so hohen Tempo auf das Tankstellengelände, dass er sowohl das Auto der Frau, als auch die Wagen anderer Kunden rammte und quer über die Tankstelle schob - nur knapp an den Zapfsäulen vorbei.

Genau dann schritt ein unbeteiligter Anwohner ein: Er lief über die Hauptstraße zur Tankstelle und zog den Autoschlüssel des Verfolgers ab. Der Helfer in Not war der Fliesenlegermeister Erich Kandlbinder, der in dieser Ausnahmesituation Zivilcourage zeigte. Er ging nicht einfach weiter mit seiner Familie zum Pizzaessen, sondern half einer Frau in Not.

Mutiges und besonnenes Eingreifen

Diese Heldentat wurde nun von der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY... ungelöst" nochmals aufgerollt und im Film nachgestellt. Der Grund: Kandlbinder wurde von einem Zuschauer für den "XY-Preis für Zivilcourage" vorgeschlagen. Es ging also nicht darum, wie ansonsten in der Sendung, ungelöste Kriminalfälle zu entschlüsseln, sondern mutiges und besonnenes Eingreifen zu ehren. "Damit wollen wir Menschen darstellen, die durch ihren Einsatz für die Gesellschaft ein Verbrechen verhindern konnten", sagte Nicola Haenisch-Korus, die Redakteurin des Preises und Verantwortliche für den Filmdreh.

Insgesamt haben es sechs Vorschläge in die engere Auswahl für die Preisverleihung zum Ende des Jahres geschafft - von denen einer die Hilfeleistung des Fliesenlegermeisters war. Eine Fachjury wird dann drei Gewinner auswählen, die jeweils mit 10 000 Euro belohnt werden und den Preis von Bundesinnenminister Thomas de Maizière in Berlin überreicht bekommen.

Ein ganz besonders aufwendiger Dreh

Der Dreh für die Verfolgungsjagd in Markt Schwaben war laut Haenisch-Korus einer der aufwendigsten, den sie je produziert hatten: "Normalerweise benötigen wir nur einen Drehtag, aber hier ging es nur in zwei, da wir die Verfolgungsjagd und die Szene in der Tankstelle filmen mussten. Andererseits hatten wir viele teure Requisiten wie die Autos im Einsatz, die wir demolieren mussten." So ein Fall ereigne sich nur selten und ist etwas anderes als die meisten Verbrechen - das war für das ZDF-Team Grund genug, sich damit zu befassen. Für den Dreh musste sogar am Dienstagvormittag die Ebersberger Straße vor der Tankstelle zeitweise gesperrt werden. Zudem hat sich der Tankstellenbetreiber dazu verpflichtet, die Tanksäulen abzuschalten, die durch die nachgestellte Karambolage beschädigt werden könnten.

Ganz typisch für dieses Sendungsformat sei, dass die Hauptrollen meistens von den Protagonisten selbst - in diesem Fall Kandlbinder - gespielt werden. Das wirke zwar authentischer, so Haenisch-Korus, sei aber auch aufwendiger, da man mit schauspielerischen Laien arbeiten müsse. Das fiel auch der Tochter Anna Kandlbinder auf: "Ich habe noch nie gesehen, dass er so über die Straße gelaufen wäre." Doch das Filmteam gab dem Protagonisten Anweisungen, wie er sich vor der Kamera zu verhalten habe.

Die anderen Darsteller waren professionelle Schauspieler, die die Rolle der Familienmitglieder einnahmen, und sogar Stuntleute, die die Autoinsassen spielten. Auch wurde zu großen Teilen an den Originalschauplätzen gedreht, was nicht immer der Fall sei. Haenisch-Korus sagte: "Wir hatten echt Glück, dass uns die Tankstelle hier hat arbeiten lassen und dass wir so reibungslos alle Genehmigungen erhalten haben."

Am 8. Juni soll dann der Beitrag aus Markt Schwaben zu der Verfolgungsjagd im Fernsehen ausgestrahlt werden.

© SZ vom 23.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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