Markt Schwaben:Späte Erkenntnis

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Markt Schwaben räumt ein, mit dem Vorhaben "Wohnen auf Zeit" am Bahnhof gescheitert zu sein. Im Vertrag mit der Immobilienfirma ist nicht vermerkt, wie viele Personen dort wie lange wohnen dürfen

Von Korbinian Eisenberger, Markt Schwaben

Wenn zwei einen Vertrag unterschreiben, und einer sich später ärgert, dann ist man "im Grunde selber Schuld". So resümierte einst der Spaßmacher Gerhard Polt in seiner berühmten Tirade über einen frechen Leasinghändler. In Markt Schwaben hätten sie auch gerne was zu lachen gehabt am Dienstagabend, auch dort wurde vor nicht allzu langer Zeit ein Vertrag unterzeichnet. Was die Verwaltung jedoch in der Sitzung verkündete, fanden die Gemeinderäte weniger amüsant, es ging ja auch nicht um Belustigung sondern um ein großes Bauprojekt im Ort. CSU-Politikerin Monika Schützeichel fasste es so zusammen: "Da wurden wir über den Tisch gezogen."

Was ist passiert? In der Nähe des Bahnhofs entsteht gerade ein riesiges Gebäude mit knapp 140 Appartements. Eine Immobilienfirma kann auf dem "Spitz" bauen, weil die Gemeinde ihr das Grundstück im Tausch überlassen hat. Voraussetzung für den Gemeinderat war dabei, dass dort später Zeitarbeiter, Studenten und Praktikanten einziehen - also Menschen, die nach einer gewissen Zeit wieder ausziehen und in aller Regel ohne Familie anrücken. Die Einnahmen der Kommune würden so steigen, ohne dass Zusatzausgaben in den Ausbau von Kindergarten- und Schulplätzen fließen müssten. Dieses selbst gesteckte Ziel hat der Markt Schwabener Gemeinderat nun auch ganz offiziell verfehlt.

Der Grund ist der Vertrag, hier liegt der Hund begraben. "Danach können wir nicht überwachen, ob dort Zeitmieter einziehen oder nicht", sagte Walter Rohwer vom Markt Schwabener Bauamt. Er war damals noch gar nicht bei der Gemeinde, dafür durfte er nun zu später Stunde die interessante Botschaft überbringen. Von der Struktur seien die Appartements zwar "eher für Einzelpersonen ausgelegt", so Rohwer. Allerdings gebe es im Vertrag keine Klausel, die dies auch vorschreibt.

Vertragspartner der Gemeinde ist hier die Firma Delius aus Pullach (Landkreis München). Von dort heißt es, dass man sich lediglich an den Vertrag halte. Dort ist formuliert, dass die Wohnanlage von 2019 an für "Wohnen auf Zeit" genutzt werden muss. Welchen Zeitraum "auf Zeit" beinhalte, darüber sei im Vertrag allerdings nichts vermerkt, so Delius. Erschwerend für die Gemeinde kommt hinzu, dass die Firma viele Appartements gar nicht selbst vermietet, sondern verkauft. Delius gibt zwar auf Nachfrage an, dass "nicht länger als für drei Jahre vermietet werden soll". Kontrollieren kann das aus der Gemeinde aber niemand.

Für Markt Schwabens Gemeinderäte ist die Delius nun so was wie der Polt'sche Leasinghändler. "Ich finde das eine Sauerei", sagte Elfriede Gindert (CSU), und dass man das noch mal überprüfen lassen solle. Joachim Weikel von den Grünen berichtete schließlich von seinen Recherchen auf der Webseite immobilienscout24.de. Dort werden die Appartements seit längerem ganz ohne den "Wohnen auf Zeit"-Hinweis angeboten. Sonderlich gehoben hat diese Info die Stimmung im Gemeinderat nicht. "Dem sollten wir nicht zustimmen", sagte Gindert. Rohwer gab dann noch höflich zu verstehen, dass dies bereits geschehen ist.

Es läuft nicht für Markt Schwabens Gemeinderat. Erst die Gaudi mit dem Hallenbad, wie Polt es sagen würde. Und jetzt auch noch der Lapsus mit der Delius. Monika Schützeichel erinnerte sogleich an ein weiteres Beispiel im Falkenhof im Markt Schwabener Ortskern. Das dortige Gebäude war einst für ein Betreutes Wohnen für Senioren ausgelegt, "jetzt wohnen dort vor allem junge Leute", so Schützeichel. Passiert ist so was schnell, das sieht man auch an der Gemeinde Vaterstetten. Dort genehmigte der Bauausschuss vor 14 Jahren einmal weniger Parkplätze als üblich. Der Bauherr hatte um eine Ausnahmeregelung gebeten, weil ältere, weniger motorisierte Leute einziehen würden, wie er versicherte. Seither herrscht an der Brunnenstraße in der Nähe des Baldhamer Bahnhofs ein Park-Chaos. Immer das gleiche, wenn Autos und Verträge zusammen kommen.

© SZ vom 27.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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