Markt Schwaben:Meerkohl und gestreifte Tomaten

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Und was ist das? Grünen-Politikerin Sigi Hagl betrachtet interessiert die Pflanzen von Doris Seibt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Doris Seibt lässt auf dem Storchenacker in Markt Schwaben alte und seltene Sorten wachsen. Sigi Hagl, Landesvorsitzende der Grünen, würdigt das Projekt bei einem Besuch als vorbildlich

Von Isabel Meixner, Markt Schwaben

Der Vorgänger der Schwarzwurzel, die Haferwurz, ist Supermarkteinkäufern relativ unbekannt. Die Kichererbse zwar nicht; dass sie hierzulande aber auf dem Feld wächst, mag aber den ein oder anderen überraschen. Diese und weitere alte Pflanzen wachsen in Markt Schwaben auf dem Storchenacker. Doris Seibt zieht für den Verein zur Erhaltung von Nutzpflanzenvielfalt seit drei Jahren Samen von Sorten nach, die durch die Monokulturen der modernen Agrarlandwirtschaft verloren zu gehen drohen. Am Dienstag stellte sie der Landesvorsitzenden der Grünen, Sigi Hagl, ihr Projekt vor.

"Wenn wir die Pflanzen nicht nutzen, ist das Wissen über sie weg", sagt Seibt, als sie mit Hagl über den Storchenacker geht. Sie wolle ihre Kenntnisse an die nächste Generation weitergeben. Insgesamt bauen auf dem Feld am Ende der Grafen-von-Sempt-Straße 35 Personen ihr Gemüse an. In den vier Reihen, die die frühere Grünen-Gemeinderätin kultiviert, wachsen die Pflanzen besonders vielfältig: Hafer, Gerste und Senf sind hier zu finden, Amaranth, grün-gelb gestreifte Tomaten, verschiedene Kohlarten wie der Meerkohl, einer der ältesten seiner Art. Auch Sonnenblumen, das Symbol der Grünen, blühen. Sigi Hagl zeigt sich beeindruckt: "Das ist ein tolles Projekt." Die Landesvorsitzende der Grünen kennt die Probleme der modernen Landwirtschaft gut. Die Pflanzenzucht sei über Jahre vernachlässigt worden, Öko-Betriebe hätten inzwischen große Schwierigkeiten, überhaupt Samen zu finden. Und Zustände wie in den USA will sie in Deutschland vermeiden: Dort habe das Unternehmen Monsanto das Monopol auf Saatgut, Bauern seien gezwungen, die Samen mitsamt der Düngemittel dort zu kaufen. Markt Schwaben sei da, wenn auch nur im Kleinen, ein Gegenbeispiel, sagt Hagl: "Das sollte gefördert werden."

Doch Fördermittel hat Doris Seibt bisher keine erhalten. Die Samen hat sie von ihrem eigenen Geld gekauft oder auf Saatgut-Messen getauscht. Im Herbst erntet sie die Samen, die sie entweder im darauffolgenden Jahr wieder auf dem Feld ausbringt oder die sie für andere Landwirte sammelt. Um die Sorten anständig erhalten zu können, müsste sie 20 bis 30 Pflanzen auf dem Storchenacker anbauen, sagt Seibt. Doch den Platz hat sie nicht. Und ein weiteres Problem bereitet ihr Kopfzerbrechen: Jedes Jahr wird das Feld umgepflügt, in der Regel alle zwei Jahre muss der Storchenacker ein Stück weiterziehen, wenn der Eigentümer ein andere Fläche brach legt. Doch manche Pflanzen müssten erst zwei Jahre wachsen, ehe ihre Samen geerntet werden können, sagt Seibt: "Ich bräuchte einen Permanentgarten." Fündig geworden ist sie in Markt Schwaben noch nicht.

Die Hobbygärtnerin bleibt an einem Busch stehen. "Was ist das?", fragt sie Sigi Hagl. Die schaut nur ratlos. Es handelt sich um Buchweizen, klärt Seibt auf. Er werde hierzulande nicht mehr angepflanzt, weil er große Flächen benötige. Gleiches gilt für die Linse, hier ist die Ernte sehr mühsam. Die Artenvielfalt überrascht das gute Dutzend an Besuchern, die zu dem Termin gekommen sind. Eine Zuckererbsenschote wird gegessen und Dill probiert. Entzückung ruft auch der Kartoffelkäfer hervor, der auf der Hand einer Teilnehmerin landet: "Den habe ich schon ewig nicht mehr gesehen." Dass sich Bienen und Käfer auf dem Storchenacker wohl fühlen, dürfte auch daran liegen, dass hier keine Pestizide eingesetzt werden dürfen, auch keine Mittel gegen Schnecken.

Zum Abschied erhält Hagl Rote-Bete-Rüben. Sie hoffe, mit ihrer Rundtour das Thema nachhaltige Landwirtschaft voranzubringen, sagt die Grünen-Politikerin. Das wäre ganz im Sinn von Doris Seibt: Sie hofft auf junge Nachfolger, denen sie ihr Wissen weitergeben kann.

© SZ vom 22.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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