Markt Schwaben:Erfolgsmodell mit Handicap

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Im Markt Schwabener Turnverein gibt es eine Inklusionsgruppe. Menschen ohne Behinderung nutzen das Sportprogramm bisher allerdings kaum

Von Carolin Schneider, Markt Schwaben

Vorsichtig lehnt sie sich zurück. Die Zungenspitze, die zwischen den Lippen hervorschaut, ist ein Zeichen ihrer Anstrengung. Ihre Hände schließen sich fest um die beiden Ringe. Dann lässt sie sich fallen - und landet auf dem zweiten Kasten, der etwa einen Meter von ihrem Ausgangspunkt steht. "Wow, du bist aber mutig", sagt die Trainerin. Auf dem Gesicht des Mädchens breitet sich ein breites Lächeln aus. Für die meisten Kinder ihres Alters ist das Schwingen von Kasten zu Kasten kein großer Erfolg, doch das Mädchen hat das Downsyndrom und Dinge, die für andere selbstverständlich sind, fallen ihm schwer.

In der Inklusionsgruppe des TV Markt Schwaben kann sie sich mit anderen zusammen ganz ohne Druck bewegen. Die Gruppe wurde Anfang 2017 in Kooperation mit der Offenen Behindertenarbeit der Arbeiterwohlfahrt ins Leben gerufen. "Alle Sportkurse sind immer leistungsorientiert", sagt Silke Liebmann, die die Inklusionsgruppe leitet. Damit kämen Menschen mit Behinderung aber oft nicht klar. "Hier fällt der Leistungsgedanke komplett weg." Es sei egal, ob jemand die ganze Stunde die gleiche Übung macht. Oder wenn ein anderer an einem Tag einfach keine Lust auf Sport hat und deshalb eine Stunde lang an der Seite sitzt und zuguckt. Wichtig sei das Zusammensein.

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(Foto: Christian Endt)

Es geht nicht darum, immer besser zu werden.

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(Foto: Christian Endt)

Ziel ist die gemeinsame Freude an der Bewegung.

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(Foto: Christian Endt)

Wenn jemand mal nur zuschauen möchte, ist das auch in Ordnung.

Die Inklusionsgruppe heißt so, weil Menschen mit und ohne Behinderung zusammen Sport machen sollen. Das Alter ist dabei egal, jeder darf mitmachen. Zurzeit sind die Turner zwischen fünf und 38 Jahre alt. Die Gruppe ist bunt gemischt: Menschen mit Down Syndrom, Autisten, sogar eine blinde Frau kommt regelmäßig zum Sportmachen. Um sich allerdings wirklich Inklusionsgruppe nennen zu können, fehlen noch die Menschen ohne Behinderung. Denn diese lassen sich bis jetzt bis auf einen nicht in der Turnhalle blicken. Dabei könnten sie die Gruppe bereichern: "Wenn mehr Menschen ohne Behinderung mitmachen würden, könnten sie unsere jetzigen Teilnehmer ein bisschen an die Hand nehmen", sagt Liebmann. Denn viele seien sich ein bisschen unsicher und bräuchten jemanden, der eine Übung gemeinsam mit ihnen macht. "Wir können keine Eins-zu-Eins-Betreuung geben", so Liebmann, die zusammen mit ihrem Co-Trainer Richard Kempfer die Gruppe betreut.

Auch Ballspiele wären mit mehr Teilnehmern besser machbar. Zurzeit turnen sieben bis zehn Menschen mit, große Ballspiele machen so keinen Sinn. Trotzdem übt die Gruppe motorische Fähigkeiten mit Bällen: Große Medizin- und Gymnastikbälle sind in einer Ecke verstaut, die Aufgabe von zwei Turnern ist es, die Bälle so schnell wie möglich in die Halle zu werfen. Alle anderen müssen sie wieder einsammeln und zurückwerfen. Dabei wird es in der Halle ziemlich laut. Alle werfen die Bälle durch die Gegend. Nur die Jüngste steht ein bisschen am Rand, weiß nicht so recht, was sie von der ganzen Sache halten soll. Liebmann nimmt sie an der Hand und erklärt ihr, was zu tun ist. Plötzlich ist auch die jüngste Turnerin begeistert dabei. "Durch meine Arbeit bei der Awo kenne ich schon die Eigenheiten der Menschen hier", sagt die Trainerin. Manche der Anwesenden kenne sie schon jahrelang. "Es ist sehr spannend zu sehen, wie sich die Menschen entwickeln und was manche sich nie und ganz plötzlich dann doch irgendwann trauen."

Mit Bällen trainieren die Sportler ihre motorischen Fähigkeiten - und Spaß macht die Übung außerdem. (Foto: Christian Endt)

Nach dem gemeinsamen Ballspiel darf jeder machen, was er will: Gemeinsam wurde ein Parkour aufgebaut. Dort können die Anwesenden über eine wacklige Bank balancieren, an anderer Stelle die Sprossenwand hochklettern oder vom Trampolin auf eine Matte springen. Die Bewegungen sind etwas ungelenk, an manche Hindernisse trauen sich nicht alle, doch wenn irgendwas nicht auf Anhieb klappt, geben die Trainer Hilfestellung. Spaß an der Bewegung haben alle. "Manche hier sind eigentlich echt sportlich und waren schon in anderen Gruppen des Turnvereins", erklärt Liebmann. Doch dem Leistungsdruck, der dort herrsche, seien sie nicht gewachsen gewesen. In der Inklusionsgruppe können sie das machen, worauf sie Lust haben, sagt Liebmann. "Und ich schimpf auch nicht, wenn sie mal einfach gar nichts machen."

Die Inklusionsgruppe trifft sich jeden Donnerstag von 17.30 bis 18.30 Uhr in der Mittelschulturnhalle in Markt Schwaben.

© SZ vom 10.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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