Markt Schwaben:Diesel ist dicker als Wasser

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Weil die "Weiherspiele" in Markt Schwaben heuer ausfallen müssen, versucht sich der Theaterverein an einem Stück von Raffael Scherer, einem Nachwuchsautoren aus den eigenen Reihen

Von Victor Sattler, Markt Schwaben

Auf dem Markt Schwabener Weiher wird es dieses Jahr zwar keine Bühne geben, ins Wasser fallen soll das jährlich stattfindende Theater deshalb aber nicht: Dafür hat der 22-jährige Regiestudent Raffael Scherer gesorgt, der dem Theaterverein Markt Schwaben sein Stück "Diesel 1,50 DM" für die Theaterhalle am Burgerfeld vorschlug - und nun mitten in den Proben begriffen ist.

Wenn Gott eine Tür schließt, öffnet er ein Fenster, so die Redensart. In Markt Schwaben war wohl ein echter Gott des Gemetzels am Werk, als 2016 die Besucherzahlen der berühmten "Weiherspiele" um 5000 Leute zurückgingen, was dem Theaterverein finanzielle wie personelle Not bereiten sollte. Auf der Weihnachtsfeier kündigte der zuständige Ausschuss an, dass es folglich 2017 keine Weiherspiele geben werde, zum ersten Mal seit mehr als 30 Jahren. Das war für Vereinsmitglieder und Besucher zwar zuerst betrüblich - doch dadurch öffnete sich wortwörtlich ein Fenster: Nämlich ein Zeitfenster für ein weiteres Projekt im Terminkalender des Theatervereins. Dieses nutzte Raffael Scherer, ein altgedienter Darsteller des Vereins, und schlug dem Vorsitzenden Franz Stetter die Komödie "Diesel 1,50 DM" aus seiner eigenen Feder vor. "Da kam mir offene Neugier entgegen", erzählt Scherer. "Alle waren sehr begeistert, dass jemand etwas Neues versuchen möchte."

Fritz Humplmayer, der die Spielleitung 2016 vom Gründervater und langjährigen Intendanten der Weiherspiele, Josef Schmid, übernommen hatte, vergriff sich seinerzeit mit einem schrillen Vorausblick in die Zukunft: "Planet XX - und dennoch grüßt das Y" hieß das futuristische Stück, das zwar Cyberterroristen kommen sah, aber nicht den eigenen Misserfolg beim Gewohnheitstier Stammpublikum. Insofern ist es nur folgerichtig, dass Raffael Scherer dieses Jahr wieder in die Vergangenheit der Bundesrepublik blicken will, indem er als Schauplatz eine Tankstelle im Jahr 1985 wählte.

Regiestudent Raffael Scherer findet, dass die Stärken des Stücks in den ironischen Dialogen liegen. (Foto: Theaterverein)

"Ich hab' meine Jugend mit dem Input erlebt, wie meine Eltern ihn aus den 80ern mitgenommen haben", erinnert sich Scherer. Neben der Prägung durch sein Elternhaus haben ihm aber auch die Klamotten mächtig gefallen. Dramaturgische Kenntnisse besitzt Scherer dank seinem Regiestudium an der Medienakademie in der Bavaria-Filmstadt, sprachliche Feinheiten recherchierte er kurzerhand - "etwa, ob es denn damals noch Disco oder schon Club hieß", lacht Scherer. "Oder zum Beispiel, ob man schon Ameisenscheiße gesagt hat, hab' ich meine Eltern gefragt."

Auch wirtschaftlich versucht Scherer aus vorangegangenen Fehlern des Vereins zu lernen. Nachdem "Planet XX" Verluste in sechsstelliger Höhe einbrachte, war er nun angehalten, äußerst sparsam bei Kostüm und Bühnenbild zu haushalten. Die Stärken von "Diesel 1,50 DM" lägen seiner Meinung nach ohnehin nicht in teurer Extravaganz, sondern in den ironischen Dialogen, die der verschmähte Bob mit den skurrilen Gestalten an der Tankstelle führt, während er doch eigentlich die Hochzeit seiner großen Liebe zu verhindern sucht. Einen guten Dialog kann man mit Geld nicht kaufen.

Zeitreise ins Jahr 1985: Bob, die Hauptfigur des Stücks "Diesel 1,50 DM", trifft an einer Tankstelle skurrile Gestalten, anstatt die Hochzeit seiner Angebeteten aufzuhalten. (Foto: privat)

Möglich also, dass es in der Zukunft des Markt Schwabener Theatervereins nun rosiger aussieht. Für 2018 sind wieder Weiherspiele angesetzt. Dann kehrt das Theater aufs spiegelnde Wasser zurück und lässt vergangene Trauerspiele hinter sich; so die Hoffnung. Josef Schmid hatte voriges Jahr kein Geheimnis daraus gemacht, wie sehr es dem Verein an Nachwuchs fehlt - Raffael Scherer kann in diesem Pausenjahr einmal "schauen, ob und wie's läuft", sagt der 22-Jährige. So bleibt ihm als Debütant immerhin der Druck erspart, den die traditionsreichen Weiherspiele auf die Verantwortlichen ausüben mögen. Die Ideen frischer Autoren könnten jedenfalls der erste Paddelschlag zu einem neuen Ufer sein.

"Diesel 1,50 DM" wird freitags, 30. Juni und 7. Juli, sowie am Samstag, 1. Juli, jeweils um 20 Uhr im Theater am Burgerfeld in Markt Schwaben aufgeführt. Der Eintritt kostet zehn Euro, Karten stehen bereits online zum Vorverkauf.

© SZ vom 10.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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