Markt Schwaben:Deutsch gut. Allgemeinbildung mangelhaft

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Vertreter unterschiedlicher sozialer Institutionen suchen bei der Integrationskonferenz Wege, Randgruppen besser in die Gesellschaft einzubinden. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Auf der vierten Integrationskonferenz wird diskutiert, wie Kinder ohne Förderung durch die Eltern das Abitur schaffen

Von Isabel Meixner, Markt Schwaben

"Wir sind schlicht und ergreifend überfordert mit dem Sonderförderbedarf." Mit diesem Hilferuf hat Ulrike Endres-Hoppe, Lehrerin am Franz-Marc-Gymnasium Markt Schwaben, bei der vierten Integrationskonferenz Alarm geschlagen. Viele Kinder ausländischer Eltern, die in Deutschland aufgewachsen sind und ein gutes Deutsch sprechen, fehle von zu Hause der kulturelle Hintergrund, um am Gymnasium bestehen zu können. Und den Lehrern sei es nicht möglich, sie zu fördern - das Stundenbudget ist zu klein. Das bestätigte auch ihre Kollegin Birgit Phlippen. Durchschnittlich zwei Schüler pro Klasse kämen an ihre Grenzen, nicht weil ihr Deutsch schlecht sei oder sie das Gymnasium intellektuell nicht schaffen könnten, sondern weil Allgemeinwissen nicht vorhanden sei: "Diese Kinder drohen zu scheitern." Eine Lösung dafür? Phlippen schlug eine Integrationskraft für Markt Schwaben vor, die an allen drei Schulen nach Bedarf eingesetzt wird.

Debattiert wurde in der Folge sehr intensiv - allerdings weniger über Phlippens Idee als vielmehr über den Begriff "kultureller Hintergrund". Diesen Kindern ausländischer Herkunft abzusprechen, dagegen wehrte sich die Integrationsbeauftragte des Landkreises Mirjana Šimić, die erstmals bei der Konferenz in Markt Schwaben dabei war. Es gebe auch deutsche Kinder, die die für das Gymnasium wichtigen Begrifflichkeiten nicht von daheim mitbringen. Šimić schlug den Begriff "sprachliche Förderung von Schülern jeglicher Herkunft" vor. Ein Begriff, der Phlippen wiederum nicht gefiel: Die Kinder könnten ja gut Deutsch, sie seien schließlich in Deutschland aufgewachsen. Auch Mustafa Emirgan, Vorsitzender des türkischen Fördervereins Kultur, warnte davor, Kinder wegen ihrer Herkunft abzustempeln. Phlippen und Endres-Hoppe fühlten sich missverstanden. "Es geht darum, dass ich einen Lehrplan habe und die Schüler für das Abitur in Deutsch fit machen muss", sagte Phlippen. "Ich möchte, dass Kinder, die hier geboren sind, auch die Chance haben, hier ihr Abi zu machen." Das Problem, dass auch deutschen Kindern der sprachliche und literarische Hintergrund fehle, gebe es auch, "aber ich dachte, wir sind hier auf einer Integrationskonferenz". Spätestens an diesem Punkt hätte man die zunehmend hitzige Diskussion auch beenden können, denn in der Folge stritten die Konfliktparteien vielmehr über Definitionen und Begrifflichkeiten als über das eigentliche Problem. Die eine Seite stellte in Frage, warum ausländische Schüler nicht als Bereicherung betrachtet werden und ihre Kultur nicht besser in den Unterricht integriert wird, die andere Seite wehrte sich gegen den mehr oder weniger deutlich geäußerten Vorwurf, ausländische Kinder abzustempeln, und wiederholte gebetsmühlenartig ihr Anliegen, jeden Schüler fördern und gleichzeitig den Lehrplan erfüllen zu wollen. Ergebnis der Debatte: eine Unterarbeitsgruppe. Sie soll bis zur nächsten Integrationskonferenz im Oktober feststellen, wie groß der Bedarf an einer Integrationskraft in den Markt Schwabener Schulen ist, und sich über die Finanzierung Gedanken machen.

Ausländische Kinder, die ohne oder mit geringen Deutschkenntnissen in den Landkreis kommen, können seit diesem Schuljahr die Übergangsklasse an der Mittelschule besuchen. Hier werden sie speziell gefördert. Für die Lehrer sei das eine Erleichterung, sagt Endres-Hoppe. Allerdings: Eine Differenzierung nach Alter wäre gut, auch könne der Bedarf nicht abgedeckt werden. In der Klasse werden derzeit 16 bis 20 Schüler im Alter von 10 bis 16 Jahren aus zwölf Nationen unterrichtet. "Es läuft momentan gut, aber noch toller wäre es, wenn es zwei, drei Klassen mehr wären."

© SZ vom 04.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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