Markt Schwaben:Des Meisters unbekannte Seite

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Schöne Erlösung: Salvador Dalís malerische Interpretation der biblischen Ehebrecherin. (Foto: Veranstalter/oh)

Pfarrer Herbert Specht präsentiert in Markt Schwaben "Bilder zur Bibel" von Salvador Dalí

Von Anja Blum, Markt Schwaben

Salvador Dalí (1904 bis '89) war ein großer Künstler und ein Exzentriker. "Er hat viel Unfug getrieben, da gibt es jede Menge Geschichten", sagt Herbert Specht, ehemals Pfarrer in Poing, und lacht. Und die surrealen Bildwelten des spanischen Malers erkennen normalerweise sogar diejenigen auf Anhieb, die Besuche in Kunstmuseen sonst eher für Zeitverschwendung halten. Dalís Markenzeichen sind zerfließende Uhren und ein spitz gezwirbelter Schnurrbart. Was jedoch wahrscheinlich die wenigsten wissen: Dalí hat nicht nur Dantes "Göttliche Komödie", sondern auch die Bibel illustriert. Eine Serie, die Kunstliebhaber Specht zum Schwärmen bringt: Diese Bilder seien unglaublich in ihrer Tiefe, sagt er, und absolut herausragend, einem Rembrandt vergleichbar. "Das übertrifft alles, was ich kenne."

Die sogenannte Biblia-Sacra-Serie umfasst 105 Aquarelle zum Alten und Neuen Testament, die der Maler von 1963 bis 1965 anfertigte. Anschließend wurden sie in Form von Lithografien, aufwendigen Farbgrafiken, umgesetzt. Eine Ausstellung im evangelischen Gemeindezentrum Markt Schwaben zeigt nun einige dieser "Bilder zur Bibel", Drucke aus dem Besitz Spechts. Zur Eröffnung am Sonntag, 17. September, wird der Pfarrer im Gottesdienst um 10 Uhr zum Bild "Jesus und die Samariterin" predigen. Danach können die Werke besichtigt werden, die Schau wird von 11 bis 13 Uhr sowie von 14.30 bis 16 Uhr geöffnet sein. "Die Ausstellung ist mein Beitrag zum neuen Gemeindezentrum in Markt Schwaben", sagt Specht, der mittlerweile in Bad Wörishofen daheim ist, aber noch guten Kontakt zu seiner früheren Heimat hält.

Außerdem ist es Specht ein Anliegen, die Bibel-Bilder Dalís einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen. Der Zyklus nämlich sei "leider untergegangen": Dalí sei damals wegen der Spielsucht seiner Frau in großen Nöten gewesen und habe deshalb das Copyright an seinen Freund Giuseppe Albaretto verkauft, erklärt der Pfarrer. "Und das macht die rechtliche Lage so kompliziert, dass diese Arbeiten in den meisten Kunstbüchern über Dalí nicht auftauchen." Auch Herbert Specht entdeckte diesen Schatz erst vor zwei Jahren, ganz zufällig, im Internet. Der Pfarrer wunderte sich, kaufte - und begann zu recherchieren.

Aus Sicht des Künstlers aber war es vermutlich nur konsequent, die Rechte an Albaretto abzutreten: Die Bilder nämlich waren eine Auftragsarbeit für den frommen Turiner, der eine neue Bibel herausgeben wollte. Salvador Dalís Aquarelle sollten den Text illustrieren. Außerdem, so behauptete Albaretto später, habe er dem Künstlerfreund dadurch - ganz nebenbei - Gott und Kirche wieder etwas näherbringen wollen.

Doch kann einer, der nicht glaubt, überhaupt ernstzunehmende biblische Bilder malen? Specht jedenfalls hat so seine Zweifel an der Darstellung Albarettos: Würde sie stimmen, so der Pfarrer, müsste in den Aquarellen doch ein gewisses Herantasten an das Thema spürbar sein. "Aber das ist es für mich nicht. Dalí geht hier sofort in die Vollen, diese Bilder sind ganz und gar gläubig. Man könnte fast meinen, der Künstler habe zwölf Semester Theologie studiert" - so sensibel, menschenfreundlich und Gott zugewandt seien seine Illustrationen. "Man muss etwas länger hinschauen, aber dann ist jede von ihnen so tief wie eine wirklich gelungene Predigt." Auch seine Studenten - Specht lehrt an der Universität in Duisburg Theologie - seien begeistert gewesen.

Das Bild zur geretteten Ehebrecherin zum Beispiel (Johannes 8) zeige sehr schön, wie Dalí "weiterdenke": Die Steine wurden nicht auf die Sünderin geworfen - aber hat man sie einfach weggelegt? Rechts neben der Frau, unter dem Kreuz, ist eine Krippenszene zu sehen, Josef und Maria neigen sich zu ihrem Kind hinab. Die Krippe aber ist nicht dargestellt. Stattdessen sieht man einen großen braunen Stein. "Die Steine wurden auf Jesus geworfen! So geschieht die Rechtfertigung des Sünders: Dass der Retter die Steine abbekommt", erklärt Specht.

Doch Dalí erweist sich in diesen Arbeiten freilich nicht nur als tiefsinniger Bibelausleger, sondern auch als genialer Künstler. "Dalí war 60, als er diese Aquarelle gemalt hat - also auf der Höhe seines künstlerischen Schaffens", weiß Specht. Insofern faszinieren sie freilich auch durch Komposition und Farbgebung sowie einen schwungvollen, fast expressionistischen Pinselstrich, den der Meister des Surrealen hier führte.

Eine Episode, die Specht gerne erzählt, lautet so: Dali fragte einmal seine Frau: "Sag mal, wie schnell wird man dieses Bild wieder vergessen haben?" Sie habe geantwortet: "Wer dieses Bild gesehen hat, wird es nie mehr vergessen." - So ähnlich geht es dem Pfarrer bei den Bildern zur Bibel. "Und wenn es nur drei oder fünf sind, die man nie mehr vergisst, so hat es sich allemal gelohnt, diese Ausstellung zu besuchen."

"Salvador Dali: Bilder zur Bibel": Ausstellung im evangelischen Gemeindezentrum Markt Schwaben, Eröffnung ist am Sonntag, 17. September, um 11 Uhr. Am Donnerstag, 28. September, findet um 19.30 Uhr ein Kunstgespräch mit Pfarrer Herbert Specht statt. Finissage ist am Sonntag, 19. November, um 11 Uhr.

© SZ vom 14.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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