Markt Schwaben:Dem Königsjodler die Bühne bereitet

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Liebevoller Blick auf das Lebenswerk eines ganz Großen: Karin Nahrhaft und Karl Haushofer würdigen Fredl Fesl in der Theaterhalle am Bürgerfeld mit einer Collage aus Fotos, Filmzitaten und Fotoaufnahmen, und natürlich mit viel Musik. (Foto: Christian Endt)

Ein biografischer Abend mit Fredl Fesl in Markt Schwaben gerät zur flüssig-süffigen Feier für Musik mit Herz und Humor

Von Ulrich Pfaffenberger, Markt Schwaben

Chapeau für Karin Nahrhaft und Karl Haushofer. Die beiden hatten am Samstagabend in der Theaterhalle am Burgerfeld einen Gast, der es einem nur vermeintlich leicht macht: Fredl Fesl. Für alle, die in Bayern daheim sind und Mitte der Siebzigerjahre schon selbständig einen Kassettenrekorder bedienen konnten, gehören dieser Urvater des mundartlichen Musikkabaretts, sein Ritter Hadubrand und der Königsjodler zum Soundtrack der eigenen Biografie. Da sind die Erwartungen hoch und ist die Versuchung groß, mit Versatzbildern zu arbeiten und in einer ach so guten alten Zeit zu schwelgen. Nahrhaft und Haushofer aber, die den Sänger aus Niederbayern zu einem biografischen Abend eingeladen hatten - wie schon vor einigen Monaten den Filmregisseur Franz Xaver Bogner - haben genau hingehört und hingeschaut, nähern sich ihm aufmerksam und liebevoll, mit Blick fürs Wesentliche. So machen sie zum Beispiel die leicht zu überhörende, große Könnerschaft Fesls beim Jodeln scheinbar nebenbei sichtbar. Wichtiger aber noch: Sie lassen ihren Gast, zusammen mit seiner Frau Monika, selbst das Bild und den Ton des Abends bestimmen, den Takt angeben und die Akzente setzen. Fesl, seinen 70. Geburtstag vor Augen, genau genommen "meinen 130, am 7.7.2077", nimmt das Angebot in der gewohnt lakonischen Beiläufigkeit an: in seiner Artikulation eingeschränkt als Folge der fortschreitenden Parkinson-Krankheit - "ein Depp, der sich die hat einfallen lassen"-; in seinen geistreichen, tiefgründigen Repliken aber wie eh und je von maximaler Treffsicherheit: "Wos für an Preiß hob i gwonna?"

Fredl Fesls Wortwitz hat ein ganzes Genre begründet

Die sorgfältig komponierte Collage aus Fotos, Filmzitaten, Fernsehaufnahmen und biografischen Notizen bündelt im ersten Teil des Abends ein Lebensbild, das in manchen Elementen dem vieler Anwesender gleicht. Die strenge Hand des Vaters, der dünne Butteraufstrich auf dem dicken Brot, die fürs wahre Kindertalent blinden Lehrer, das Erstkommunionbild als Lieblingsfoto der Oma. Fesl bringt den Grundstein seiner Lebensphilosophie auf den Punkt: "Schule, das hätten die auf freiwilliger Basis machen sollen. Die anderen soll'n in Wald gehen und spielen." Weshalb er dann dort auch gekündigt hat. Lieber hat er beim Volkssänger Arthur Loibl gelernt, "a Mords-Chaot, a echts Vorbild mit zwei Hobbys: Durst und Musik". Er selbst: Wehrdienst, Bierfahrer, Gewichtheber, Techniker für Spezialeffekte in Geiselgasteig, Musikkneipenbesucher mit Alibi-Gitarre für den freien Eintritt, Zufalls-Ersatz-Gig für nicht erschienene Musiker im "Song Parnass", wegen seiner saukomischen Vorreden zu jeder Nummer entdeckt und geliebt - was für ein Leben! Es auszurollen und lebendig werden zu lassen, ist eine Kunst. Daher auch "Chapeau".

Nach der Pause mutiert die inszenierte Biografie in einen Hoagascht. Zunächst etwas sperrig und ungelenk, genau wie die improvisierte Wirtshaus-Kulisse mit rustikaler Eckbank, doch von Takt zu Takt immer flüssiger und süffiger, immer menschlicher und näher, angeregt begleitet von der Stubenmusik um Martin Schimpf. Eine beseelte Neu-Interpretation vom "Ritter Sepp" ist zu hören und das Lied von "de Dickkopfadn". Bei beiden zeigt Ferdinand Maurer singend und Gitarre spielend, dass die wahre Kunst der Referenz darin liegt, das Original zu schätzen und den eigenen Ton zu bewahren. Es erklingen Bibel-Gstanzln mit heidnischem Jodler sowie das Klagelied "Und ewig dauert der Berg". Sepp Kloiber aus Lenggries, Großneffe vom Kraudn Sepp, lässt den "Stolz von der Au" über die Bühne schlendern. Zuvor hat er, gemeinsam mit Maurer, das Publikum auf jene unvergessliche Taxi-Fahrt mitgenommen "vom MUH in de Ottobrunnerstraß", bei der sich die Mehrheit der Zuhörer als ebenso textsicher im Mitsingen erweist wie beim "Schnucki, ach, Schnucki, fahr' ma nach Kentucky".

Wie soll man aber auch an sich halten, wenn einem die Melodie der eigenen jungen Jahre wieder durch den Gehörgang braust? Wenn die Gefühle von damals wieder mit Drang erwachen, "dann in die Pampas, auf a Flaschn Schampas", "über d'Donnersbergerbrückn und durchs Leuchtenbergtunnel, dann de Abkürzung noch Solln naus, denn de is besonders schnell!" Dieser Abend zeigt: Fredl Fesl hat in seiner Karriere eine ganze Menge Bausteine in die tradierte bayerische Volksmusik eingefügt und mit seinem Wortwitz ein ganzes Genre begründet. Was als Überschrift über seiner Biografie steht, hat ihm an diesem Abend daher zu Recht jauchzende Ovationen in der ausverkauften Theaterhalle beschert: "Ohne Gaudi iss ois nix!"

© SZ vom 10.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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