Lesung mit Fallhöhe:Schwindlig vor Sprachwitz

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Jörg Maurer stellt im Alten Kino seinen Alpen-Krimi vor

Von Sandra Langmann, Ebersberg

Einen kleinen runden Tisch mit einem schwarzen Stuhl - mehr scheint der bayrische Kabarettist Jörg Maurer nicht zu benötigen, um seinen neuen Alpen-Krimi zum Besten zu geben. Die spärlich ausgestattete Bühne des Alten Kinos in Ebersberg ist am Freitagabend in violettes Licht getaucht, der Saal bis auf den letzten Platz besetzt. Bereits vor Maurers Auftritt ist die Stimmung ausgelassen - das gemütliche Zusammensitzen bei gutem Essen und einem Gläschen Wein hat vermutlich seinen Teil dazu beigetragen. Beste Voraussetzungen für einen Bestseller-Autor also, seinen achten Krimi "Schwindelfrei ist nur der Tod" zu präsentieren.

Mit schwarzem Sakko und rotem Anstecktuch, dafür aber in lässigen Jeans betritt schließlich jener Mann die Bühne, dessen Kult-Geschichten vom Ebersberger Publikum bereits mit großer Spannung erwartet werden. Doch bevor er mit seiner eigentlichen Lesung beginnt, erklärt Maurer seinen Zuhörern noch schnell, warum die Dirndl auf der Wiesn das Schleiferl rechts - "weil heiraten möcht's" - tragen, und die Burschen das Tücherl in der Brust - "ich hätt' heute Lust".

Komische Typen, glücklose Bankräuber und Käfer als Polizeiautos

Der "Schwindel" im Buchtitel bezieht sich freilich nicht nur aufs Lügen, sondern auch auf das Gefühl in schwindelerregender Höhe, wie es in den bayrischen Alpen oftmals der Fall ist. Dort spielt auch der neueste Krimi von Maurer, in dem Kommissar Jennerwein wie gewohnt die Hauptrolle übernimmt. Darin erzählt Maurer zum Beispiel von einem Banküberfall, einer wahren Begebenheit, die sich am 4. August 1971 in der Prinzregentenstraße abgespielt haben soll. Damals, als das Polizeiauto noch ein VW Käfer war und der Schlagerhit "Chirpy Chirpy Cheep Cheep" durch die Gassen dröhnte. Wie es bei einem Raubüberfall häufig der Fall ist, hat sich auch an der Deutschen Bank eine Menge Schaulustiger versammelt. Ein Mann, der seinen kleinen Sohn Kasimir schultert - der später noch einen Schulaufsatz mit dem Titel "Wie ich einmal bei einem Banküberfall dabei war" verfassen wird, ein anderer Mann mit einem viel zu kleinen Hut und viele weitere skurrile Gestalten werden von Maurer bis ins kleinste Detail beschrieben. Mit viel Gefühl für die Sprache lässt der Kabarettist Bilder vor dem geistigen Auge des Zuschauers entstehen - und es fällt einem in solchen Momenten schwer, die Entscheidung zu treffen, ob man sich für die seltsamen Gestalten dieser Geschichten fremdschämen oder einfach darüber lachen soll.

Auch die Bankräuber, die in der Bank festsitzen, hatten sich den Überfall wohl anders vorgestellt: Das falsche Essen wurde gebracht und sogar das Fluchtauto entspricht nicht ihren an die Polizei gestellten Anforderungen. Die Situation wird von Maurer mit originellem Sprachwitz so treffend beschrieben, dass man beinahe Mitleid mit den beiden Verbrechern bekommt. Bevor aber bei der Lesung zu viel verraten wird, führt der Autor das Kapitel abrupt zu Ende.

Jörg Maurer trägt verschiedenste Aus-schnitte aus seinem Buch vor, zum Beispiel schildert er eine wilde Ballonfahrt mit lauter lustig-schrägen Typen - auch ein verliebtes Pärchen im Partnerlook gehört da dazu. Um Langeweile vorzubeugen, weiß der gebürtige Garmischer die manchmal etwas langatmigen Leseeinheiten mit Zaubertricks oder Goethe-Anekdoten aufzulockern. So lässt er Geldscheine und Tücher verschwinden und dichtet des "Wandrers Nachtlied" in verschiedene bayrische Dialektvarianten um.

Da sich das Publikum am Ende gegen das angekündigte Stagediving entscheidet, sich der Kabarettist aber nicht einfach so von der Bühne des Alten Kinos verabschieden möchte, gibt es eine kleine Kostprobe aus seinem neuesten Roman "Bayern für die Hosentasche", in dem er sich bayrischen Klischees widmet. Mit der grantigen Kellnerin, die "außen rau und innen genau so rau ist", trifft der Autor auch hier genau ins Schwarze, außerdem gelingt es ihm wieder einmal, die richtigen Worte für jede Situation zu finden. Nicht umsonst wird Maurer als Krimi-Autor gefeiert, neben dem der übliche "Tatort" reichlich alt aussieht.

© SZ vom 10.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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