Lesung in Moosach:Geschichten aus dem Kessel

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Der Münchner Autor Wolfger Pöhlmann ist der Wurst durchs ganze Land hinterhergereist. (Foto: Martina Bieräugel/oh)

Wolfger Pöhlmann stellt im Meta Theater seine "Wurstbibel" vor

Von Peter Kees, Moosach

All seine Freunde hätten den Kopf geschüttelt über seinen Plan, ein Buch über die Wurst zu schreiben. Mit diesen Worten beginnt der Kunsthistoriker und Ausstellungsmacher Wolfger Pöhlmann seine Lesung im Meta Theater. "Es geht um die Wurst", so der Titel seines im Knaus-Verlag erschienen Werkes. "Als ich dann aber erzählte, was ich konkret vorhatte, waren sie begeistert." Gewonnen ist auch das Moosacher Publikum schnell, denn Pöhlmann geht in seiner "Wurstbibel" weit über das Fleischprodukt hinaus. Ist der Mann doch bewandert genug, um kulturhistorische Zusammenhänge verständlich zu machen und zugleich Probleme unserer Zeit zu spiegeln. Etwa den Verlust von Regionalität, der auch an Metzgereien abzulesen ist, schließlich hat der Siegeszug der industriell produzierten Wurst viele kleine Handwerker und deren individuelle Note längst vertrieben. Pöhlmann porträtiert einige Metzger, auch dem Moosacher Nachbarn Karl Ludwig Schweisfurth von den Herrmannsdorfer Landwerkstätten, ein Pionier auf dem Gebiet der ökologischen Lebensmittelherstellung, ist ein Kapitel gewidmet. Darin kommt natürlich die Brutalität zur Sprache, mit der Tiere in Großbetrieben gehalten und geschlachtet werden. In einer lehrreichen Szene schildert Pöhlmann Schweisfurths Entrüstung darüber sehr anschaulich.

Das Buch ist nicht nur eine Liebeserklärung an die Wurst, ein Abriss deutscher Kulturgeschichte, es ist auch ein Reisebuch. Vom Süden in den Norden der Republik wandert der Autor der Wurst hinterher. Man erfährt etwas über Wilhelm Busch, über Karl Valentin, über die Namensgebung der Münchner Kammerspiele, die zunächst, nach der gleichnamigen Burleske von Arthur Schnitzler, unter dem Namen "Zum großen Wurstel" gegründet wurden, oder über die Erfindungen von Konrad Adenauer. Der spätere erste deutsche Bundeskanzler hat als Zweiter Bürgermeister der Stadt Köln während des ersten Weltkrieges unter anderem eine Kölner Wurst, eine Sojawurst, erfunden. Ein Patent für diese "Friedenswurst" gab es allerdings erst nach dem Krieg - von den Briten, die zunächst einmal abwarten wollten, ob eine solche fleischlose Wurst nicht kriegsgefährdend sein könnte, war sie doch zur Ernährung der Bevölkerung während des Krieges gedacht. Ohnehin ist es hübsch, von den Tüfteleien des einstigen Kanzlers zu hören, von seinem Rheinischen Schrotbrot, leuchtenden Stopfei oder elektrischen Insektentöter.

Pöhlmann liest im Plauderton, amüsant, gewitzt und voller Kenntnis - wie eben sein Buch geschrieben ist. Der einstige Kulturmanager erinnert an den Altmeister Joseph Beuys, der in den frühen 1970er Jahren eine Wurst als Stempel benutzt hat, oder beschreibt das Schwabinger Lebensgefühl der 70er Jahre. Pöhlmann lebte damals in der Adalbertstraße. Da der Mann auch beim Goethe-Institut tätig war, dort das Fest zum 250. Geburtstag Goethes ausgerichtet hat, findet sich in seiner Schrift natürlich auch etwas zu dem großen Dichter: Er muss ein rechter Wurstliebhaber gewesen sein, wie Zeilen aus seinen Briefen an Charlotte von Stein, Christiane Vulpius oder Caroline Sartorius belegen.

Zu finden sind bei Pöhlmann auch so einige skurrile Geschichten - etwa die von einem Metzger aus Kleve, der aufgrund eines Rechtschreibfehlers auf seinem Werbeflyer ein pompöses Geschäft machte: Statt der Zeile "Heute wieder frisch Gehacktes" wurde versehentlich "frisch Gekacktes" beworben. Pöhlmann erzählt von der mit der Wurst verwobenen Berliner Kultur, von einer "Wurstlücke" im Gesetz, von essbaren Devotionalien aus dem Papst-Geburtsort Markl am Inn, von der durch die Staatsanwaltschaft beschlagnahmte Coburger Bratwurst und vielem mehr. Am Ende verlässt das Publikum das Moosacher Theater so erheitert wie bereichert.

© SZ vom 05.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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