An diesem Freitag:Bestsellerautor Tom Hillenbrand liest in Grafing

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Tom Hillenbrand, geboren 1972, hat Europapolitik studiert. Seine Sachbücher und Romane haben sich Hunderttausende Male verkauft und sind in mehrere Sprachen übersetzt worden. (Foto: Catherina Hess)

Im SZ-Interview spricht der 47-Jährige über die Recherchen für seinen Krimi, den er nun im Fair-Weltladen vorstellt.

Interview von Michaela Pelz

Tom Hillenbrand fährt normalerweise an die Orte, an denen seine Bücher spielen. Doch bei den Recherchen zu "Bittere Schokolade" hat er darauf verzichtet: Es gab in der entsprechenden Gegend im Kongo eine Ebolawarnung. Stattdessen hat er analog zum "Method Acting" per "Method Writing" mit Hilfe von 80 Tafeln Schokolade von einem Spezialitätenversand, hundertseitigen Berichten ("die es zwar gibt, aber in die sonst kein Mensch reinschaut"), der International Labour Organization (ILO) und Oxfam sowie einer "großartigen CNN-Doku" einen sowohl mitreißend spannenden wie aufrüttelnden Krimi geschrieben. Darin geht es unter anderem um die Machenschaften von Lebensmittelkonzernen sowie um die Produktionsbedingungen bei der Herstellung von Schokolade. Damit beschäftigt sich der Luxemburger Koch und Restaurantbesitzer Xavier Kieffer in seinem sechsten Fall, nachdem die Jugendliebe Ketti vor seinen Augen ermordet wurde. Die Patisseurin hatte ihm kurz vor ihrem Tod Fotos einer Plantage in Westafrika geschickt, von der sie ihren besonders fair angebauten Kakao bezog. Das Buch faszinierte Angela Reichmeyer vom Vorstand des Fair-Weltladens Grafing so sehr, dass sie den preisgekrönten Autor einlud. Die Ebersberger SZ hat vorab mit dem Wahlmünchner gesprochen.

SZ: Herr Hillenbrand, Sie stammen aus Hamburg, leben in Bayern - wieso agiert Ihr Held in Luxemburg?

Tom Hillenbrand: Als ich meinen ersten Krimi schrieb, gab es auf der Karte fast keine weißen Flecken mehr - nur Luxemburg war noch frei (lacht). Nein, im Ernst: In meinem Buch sollte es ums Essen und ums Kochen gehen, deswegen war für mich klar, dass der Protagonist frankophon und frankophil sein sollte. Und da ich ungefähr 15 Jahre zuvor als Student ein zehnwöchiges Praktikum beim Europaparlament in Luxemburg gemacht hatte, kannte ich mich vor Ort ein wenig aus. Zudem ist das Großherzogtum für die deutschen Leser einfach auch deswegen interessant, weil sie darüber meist nur wissen, dass es irgendetwas mit EU, Steuern und Jean Claude Juncker zu tun hat.

Ihr Held aus "Bittere Schokolade", Xavier Kieffer, ist Koch. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Ich koche gern, ich esse gern, meine Eltern stammen aus Baden und dem Saarland - da wurde mir das praktisch schon in die Wiege gelegt.

Kieffer ist zwar in der Küche ein Ass, hat aber mit moderner Technik nicht wirklich viel am Hut: In seinem Uraltauto hört er Kassetten, sein Smartphone kann er kaum bedienen, bei Internetrecherchen tut er sich schwer ... Was ist so reizvoll an diesem etwas antiquierten Typen?

Stimmt, er ist wirklich ein wenig aus der Zeit gefallen: raucht wie ein Schlot (tut man heute auch nicht mehr), macht nicht bei allem mit ... dadurch wird die Figur menschlich. Natürlich ist das Lösen der Fälle dadurch manchmal schwieriger, aber auch interessanter.

Wenn er Hilfe braucht, hat Kieffer ja überall Freunde und Kontakte - vom EU-Agrarexperten bis zum Börsenanalysten...

Richtig. Aber ich möchte betonen: Im Gegensatz zu ihm interessiere ich mich sehr wohl für Technologie und kenne mich auch fachlich aus - sonst hätte ich Science-Fiction-Thriller wie "Drohnenland" oder "Hologrammatica" ja gar nicht schreiben können.

Sie waren nicht nur Technologie-, sondern auch Wirtschaftsredakteur. Unter anderem geht es in "Bittere Schokolade" um Unternehmensverflechtungen - lassen da die Pananama-Papers grüßen?

Die waren ja nichts anderes als eine Bestätigung für etwas, das wir schon lange wussten, nur nicht beweisen konnten. Bei den Lebensmittelschweinereien ist es ein wenig anders: Wenn eine Million Leute eine Frucht wollen, weil man diese laut Internet in Kalifornien isst, gibt es einen Pull-Effekt. Der Produzent wiederum will in jeder Marktwirtschaft ein möglichst preiswertes Produkt. Also kann er entweder an der Entlohnung für die Erzeuger oder an der Qualität sparen.

Den politischen Aspekt sparen Sie ausdrücklich nicht aus...

Das Buch sollte absichtlich kein Wohlfühl-Cosy-Crime sein, in dem man sich parallel zum Plot an gutem Essen ergötzt, sondern ich wollte, dass den Leuten beim Lesen mindestens ein Mal der Bissen im Hals stecken bleibt.

War das auch während des Schreibens der Fall?

Fast (lacht). Aber aus anderen Gründen. Da ich gegen Nüsse allergisch bin, sah ich mich ob des nussigen Geschmacks einer der Tafeln schon mit einem anaphylaktischen Schock im Büro blau anlaufen und sterben.

Zum Glück ist das ja nicht passiert.

Nein, denn da waren gar keine Nüsse drin, sondern es handelte sich um die natürlichen Aromen des Kakaos! Das ist fast wie bei Wein. Ich staune immer wieder, wie vielfältig das sein kann. Allerdings ruiniert man sich mit solchen Erfahrungen fürs Leben (lacht) - ich bin nun für immer für das billige Zeug verdorben.

Welche anderen Erkenntnisse hat Ihnen diese intensive Beschäftigung mit der Materie beschert?

Mir wurde klar, wie langweilig und gleichförmig Supermarktschokolade schmeckt. Die wird es bei der Lesung im Fair-Weltladen Grafing aber natürlich nicht geben. Stattdessen haben die Gäste die Möglichkeit, feinste Schokolade aus Ghana zu kosten.

Krimilesung von Tom Hillenbrand am Freitag, 15. November, um 18 Uhr im Fair-Weltladen Grafing. In der Pause gibt es einen kleinen Stehimbiss und die Möglichkeit, fair gehandelte Schokolade aus Ghana zu probieren. Der Eintritt ist frei.

© SZ vom 09.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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