Lebendige Erinnerung:Himmlische Kunst

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Eine Ausstellung im Rathaus Ebersberg erzählt die Geschichte der Heilig-Geist-Kirche und des protestantischen Lebens in der Kreisstadt

Von Daniela Gorgs, Ebersberg

Die Familie kommt zusammen, sitzt rund um den Tisch, lacht, erzählt und schwelgt in Erinnerungen. Man kennt sich, duzt sich. Den Bürgermeister Walter Brilmayer sowieso. Auch der ehemalige Pfarrer Strack heißt an diesem Abend Hans Dieter. 60 Jahre Heilig-Geist-Kirche in Ebersberg feierte die evangelische Gemeinde im vergangenen Sommer. Der Förderverein unter dem Vorsitz von Helmut Weber und Karl Heinz Ernst trug zu diesem Anlass die Geschichte des außergewöhnlichen sakralen Baus zusammen. Diese Ausstellung ist jetzt im Rathaus Ebersberg zu sehen.

Bei der Vernissage am Montagabend versammelt sich die evangelische Gemeinde zunächst im Sitzungssaal zum Einführungsreferat von Dekan a. D. Hans Dieter Strack, der an die Anfänge des protestantischen Lebens in der Kreisstadt erinnert - und dabei viel mehr als 60 Jahre zurückblickt. Tief in die Geschichte der Reformation ist der ehemalige Ebersberger Pfarrer eingetaucht und hat dabei unter anderem entdeckt, dass sich im Jahr 1803 die ersten Protestanten in Angelbrechting angesiedelt hatten. Dann bedankt sich Strack bei Bürgermeister Brilmayer, dass er die Ausstellung zur evangelischen Kirche in seinem Rathaus beherbergt - im katholischen Bayern sei das nicht selbstverständlich. Brilmayer lacht und erwidert, er freue sich über jeden Protestanten. Seit Schulzeiten schon. Die Regelung an seinem damaligen Gymnasium nämlich habe gelautet: Wenn der Anteil der Protestanten mehr als ein Drittel betrug, blieb die Schule am Buß- und Bettag geschlossen.

Die Christusfigur in der Heilig-Geist-Kirche weist den Blick hinauf in den Kirchturm. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der Abend im Ebersberger Rathaus ist sehr familiär und humorvoll. Es wird viel gelacht und gestaunt. Etwa als der Kunstschmied Manfred Bergmeister, Ehrenbürger der Kreisstadt, einen Briefumschlag hochhält und erklärt, er habe den Kostenvoranschlag und die Originalrechnung für den goldenen Posaunenengel auf dem Turm der Kirche dabei. 60 Jahre altes, vergilbtes Papier. Oder als Helmut Weber, Vorsitzender des Fördervereins und promovierter Chemiker, erzählt, wie er vor 40 Jahren erstmals in der Kirche saß, sich umblickte und dachte: "Junge, da hast du einiges zu tun." Auch die Renovierung des schnell in die Jahre gekommenen Baus wird in der Ausstellung auf Schautafeln beschrieben. Und natürlich der Beginn des evangelischen Lebens in Ebersberg.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war im Raum Rosenheim die evangelische Kirchengemeinde auf 5000 Menschen angewachsen. Der damalige Pfarrer Ottmar Dimmling setzte sich für eine eigene Kirche in der Kreisstadt ein. Und nach langer Grundstückssuche fand sich in der Abt-Williram-Straße im Stadtteil Friedenseiche ein Platz für die evangelische Kirche. Am 13. Juli 1958 wurde die Heilig-Geist-Kirche offiziell eingeweiht. Der einfache Stahlskelettbau mit Betonverkleidung ist an einer Seite mit rechteckigen Fenstern ausgemauert. Wenn das Licht von Süden durch das bunte Fensterglas einfällt, schimmert es im Innenraum der Kirche. Christina Girardét, die Gestalterin der Glasbausteinfenster, verdiente sich damals als Studentin mit dem Auftrag in Ebersberg ein willkommenes Zubrot.

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(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Über den Einsatz der US-Armee, ...

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(Foto: Peter Hinz-Rosin)

... die den Posaunenengel auf der Turmspitze platzierte, wird heute noch geredet.

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(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Sehr bedeutend sind Kunstwerke wie das Glasbausteinfenster, ...

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(Foto: Peter Hinz-Rosin)

... Taufbecken, Altarbild, Christusfigur sowie die großen Farbdrucke über die vier Evangelisten (rechts), ein Schwarz-Weiß-Druck ...

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(Foto: Peter Hinz-Rosin)

... oder der Lebensbaum auf dem Vorplatz.

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(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der ehemalige Pfarrer Hans Dieter Strack referiert, Karl Heinz Ernst und Helmut Weber (von links) hören zu.

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(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Im Ebersberger Rathaus sind nun historische Fotos vom Kirchenbau zu sehen.

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(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Schautafeln zeigen zudem die Pfarrer, die seit der Einweihung in der Kirche gewirkt haben.

Die Leiterin des Ebersberger Stadtarchivs, Antje Berberich, widmete sich bereits zum 50. Jubiläum der Heilig-Geist-Kirche den dort vorhandenen Kunstwerken und ihren Schöpfern. Ihre kunsthistorischen Fußnoten bereichern heute die Ausstellung im Rathaus. Lange recherchierte Antje Berberich, bis sie die Ideengeberin der bunten Fenster fand. Als sie diese dann endlich traf, berichtete sie ihr von einem gelben Fenster, durch das das Licht unglücklicherweise direkt auf die Kanzel treffe und den Pfarrer in einen morbiden Schein tauche. Edzard Everts, Ebersbergs evangelischer Pfarrer, erzählt schmunzelnd, dass er vor seinem Antritt der Stelle gewarnt worden sei: Bei der Predigt werde er aussehen, als habe er die Pest.

Für Antje Berberich war die Recherche eine "Herzenssache", wie sie auf der Vernissage berichtet, denn der Architekt Helmut von Werz sei mit ihrer Mutter in Kronstadt in die Schule gegangen. Gemeinsam mit dem Architekten Johann-Christoph Ottow plante er die Heilig-Geist-Kirche und viele weitere großartige Gebäude wie das Museum "Archäologische Staatssammlung" in München oder das Hochhaus des Bayerischen Rundfunks. Informationen trug Berberich auch zum Künstler Karlheinz Hoffmann zusammen, der die imposante Christusfigur über dem Alter schuf. Die Kirche schmücken zudem vier große Farbdrucke von Heinz Seeber über die vier Evangelisten. Der Madonnenkopf über der Sakristei stammt von Erich Zmarsly. Das große Altarbild, das "Lamm Gottes" auf dem Altartisch und den Aufsatz des Taufbeckens gestaltete German Larasser. Gemeinsam mit Bergmeister entwarf er auch den goldenen Posaunenengel. Ein Hubschrauber der US-Armee hatte den Engel damals auf der Turmspitze platziert. Auch an dieses Spektakel können sich noch viele erinnern.

Die Ausstellung "60 Jahre Heilig-Geist-Kirche Ebersberg" ist bis 14. Februar werktags von 8 bis 16.30 Uhr und freitags von 8 bis 12 Uhr im Rathaus Ebersberg zu sehen.

© SZ vom 09.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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