Landrat Gottlieb Fauth:Spekulationen in Schüben

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"Ich bin momentan ja, was die Sprache betrifft, behindert": Der Ebersberger Landrat Gottlieb Fauth kämpft seit Jahren gegen eine chronische Erkrankung des Nervensystems. Sein Amt will er nicht aufgeben.

Lars Brunckhorst

Wenn Ebersbergs Landrat dieser Tage im Urlaub ist, dann erholt er sich von einem Comeback, das ihm selbst enge politische Freunde nicht zugetraut haben. Seit November war Gottlieb Fauth, der an einer heimtückischen Krankheit leidet, nicht mehr im Amt, bis er vor zwei Monaten zur Überraschung vieler in die Kreispolitik zurückkehrte. "Letztlich muss ich entscheiden, was ich kann und was ich nicht kann", sagt Fauth dazu.

Scheut öffentliche Auftritte nicht - trotz seiner Krankheit: der Ebersberger Landrat Gottlieb Fauth. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Politik und Krankheit - das passt in der Regel nicht. Oskar Lafontaine etwa hat sich aus der ersten Reihe zurückgezogen, seit er an Krebs erkrankt ist. Horst Seehofer wiederum ignorierte vor Jahren Alarmzeichen seines Körpers, bis ihn eine Herzmuskelentzündung für Monate außer Gefecht setzte. Krankheit gilt in der Politik als Schwäche, und Politiker, die ihre Krankheit öffentlich zugeben, sind die Ausnahme.

Ebersbergs Landrat ist eine solche Ausnahme. Seit fünf Jahren kämpft der CSU-Politiker gegen seine schwere Erkrankung, und der ganze Landkreis nimmt daran Anteil. Als Gottlieb Fauth 2005 zum ersten Mal in eine Klinik eingeliefert wurde, lautete die Diagnose zunächst Sommergrippe. Doch dann stellte sich heraus, dass es viel ernster war: Eine Entzündung hatte Nerven und Gehirn befallen. Bis heute rätseln die Ärzte über die genaue Ursache und die richtige Therapie.

Von einer schubförmig verlaufenden chronischen Erkrankung des Nervensystems, die auch eine Entzündung des Kleinhirns zur Folge hat, spricht der Direktor der Neurologischen Klinik und Poliklinik am Münchner Klinikum rechts der Isar, Professor Dr. Bernhard Hemmer, in dessen Behandlung sich Ebersbergs Landrat befindet. Fauth hat ein Bulletin des Neurologen an die Presse geben lassen, um Spekulationen über seine Krankheit zu beenden.

Insgesamt drei Rückfälle hat er in den vergangenen Jahren erlitten. Der jüngste war besonders schwer. Trotz eines monatelangen Krankenhausaufenthalts und anschließender Rehabilitation sind von der Attacke Koordinations- und Sprachstörungen geblieben. Man merkt es an Fauths unsicherem Gang - und wer ihn reden hört, hat den Eindruck, er sucht nach den Worten. Diese kommen dann stockend über seine Lippen, manche Silben purzeln durcheinander oder werden ganz verschluckt. Fauth weiß das und scheut dennoch öffentliche Auftritte nicht.

Zum Beispiel unlängst beim Sommerfest im Betreuungszentrum Steinhöring, ausgerechnet im Betreuungszentrum, möchte man sagen. "Was ist denn mit dem los? Ist der krank?", fragte dort ein Bewohner des Heims, als der Landrat ein paar Grußworte sprach. Fauth hat offenkundig kein Problem damit, dass die Menschen über seine Schwäche reden. Er steht dazu. "Ich bin momentan ja, was die Sprache betrifft, behindert", sagt er selbst, allerdings nicht ohne anzufügen: "Wenn immer groß gesagt wird, man ist für die Integration Behinderter, dann muss man auch akzeptieren, dass jemand vorübergehend gehandikapt ist." Das ist an seine politischen Gegner in den anderen Parteien, aber auch in seiner eigenen, der CSU, gerichtet, die in den vergangenen Monaten über Neuwahlen spekuliert hatten.

Auch im Kreistag geht Fauth offensiv mit seiner Behinderung um. "Wenn mich jemand nicht versteht, dann soll er es einfach sagen", forderte er die Kreisräte jüngst zu Sitzungsbeginn auf. Das war dann jedoch nicht nötig, weil Fauth seinen Beamten die längeren Ausführungen überließ, nachdem er seine Einleitung von einem Blatt abgelesen hatte.

Überhaupt haben etliche Kreispolitiker den Eindruck, dass es die Beamten im Landratsamt sind, die momentan die Politik im Kreis bestimmen.

"Das Gefühl, dass er es in der Hand hat, habe ich nicht", sagt etwa Waltraud Gruber über den Landrat. Die Grünen-Kreisrätin hatte vor Monaten als eine der wenigen öffentlich einen Amtsverzicht Fauths ins Gespräch gebracht. "Der Landkreis braucht einen Landrat, der seine volle Arbeitskraft in den Dienst der Bevölkerung stellen kann", hatten Gruber und ihr Parteifreund Benedikt Mayer formuliert.

In der SPD wird das ähnlich gesehen: "Er geht souverän mit seiner Krankheit um", bescheinigt deren Fraktionschef im Kreistag, Albert Hingerl, zwar dem Landrat. "Aber er kann das Amt nicht optimal ausfüllen."

Die Frage, die sich viele Menschen im Landkreis stellen: Wie soll jemand, der von der Sprache eingeschränkt ist, ausgerechnet in der Politik, wo das Wort und die freie Rede so wichtig sind, mit Rhetorik überzeugen? Und wie kann Fauth seine politische Führungsposition ausfüllen, wenn er seit Jahren immer wieder für Monate nicht an den politischen Diskussionen und Entscheidungen teilnimmt? "Darunter", urteilen etwa die Grünen Gruber und Mayer, "hat der Kontakt des Landrats zum Kreistag und seinen Gremien sehr gelitten."

Obwohl man sich auch in der CSU schon auf vorzeitige Neuwahlen eingestellt hatte und Vizelandrat Walter Brilmayer zur Kandidatur bereit wäre, versucht die Partei, Zweifel zu zerstreuen, ihr Spitzenmann halte bis zur Kommunalwahl 2014 durch. "Sein Gesundheitszustand ist schwierig, aber akzeptabel", sagt Martin Wagner, der Vorsitzende der CSU-Kreistagsfraktion. Wagner räumt aber ein, dass lange Sitzungen seinen Parteifreund anstrengten und der Genesungsprozess lange dauere.

Dass er trotz der seit Jahren wiederkehrenden Krankheit an seinem Amt festhält, begründet Fauth damit, er sei mit seinen 53 Jahren zu jung, sich seinem Schicksal zu ergeben. Von einer Amtsärztin hat sich der dreifache Familienvater seine Dienstfähigkeit unlängst ausdrücklich bescheinigen lassen, um die Zweifel zu zerstreuen, die in den Monaten seiner Abwesenheit gewachsen waren. Andere sagen, Fauths Festhalten am Amt liege daran, dass er nur acht Jahre im Amt ist und Wahlbeamte erst nach zehn Jahren Anspruch auf ihre volle Pension haben.

Aus diesem Grund haben schon andernorts in Bayern Kommunalpolitiker über viele Jahre ihr Amt nicht aufgegeben. Im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen etwa war Landrat Manfred Nagler von 2001 bis 2006 wegen einer Krebserkrankung großteils nicht im Amt. Auch der frühere Landrat von Miesbach, Norbert Kerkel, ließ sich zweieinhalb Jahre lang vertreten, weil er schwer krank war. In Olching im Landkreis Fürstenfeldbruck dauerte es ebenfalls Jahre, bis ein Amtsarzt Bürgermeister Siegfried Waibel für dienstunfähig erklärte.

Davon will Ebersbergs Landrat nichts wissen. Natürlich sei er am Ende eines langen Arbeitstages mit Besprechungen, Sitzungen und abendlichen Repräsentationsterminen manchmal erschöpft, gibt Gottlieb Fauth zu. Seine behandelnden Ärzte seien jedoch der Überzeugung, er habe "sehr gute Chancen, wieder völlig gesund zu werden". Bis dahin ist seine Bitte an Politiker und Wähler: "Gebt mir einfach Zeit."

© SZ vom 19.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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