Kunst:Wenn die Mäuse in den Bildern tanzen

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Steffen Haas zeigt die Bilder zur "Mose Show" über einen Diaprojektor, Jewgjenij Schuhr vertont das Gezeigte mit verschiedenen Instrumenten und Geräten. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Steffen Haas gedenkt seines ehemaligen Meisters Robin Page bei der Finissage im Ebersberger Kunstverein mit einer live vertonten Comic-Performance

Von Peter Kees, Ebersberg

Was träumen kleinen Mäuse, nachdem sie sich die Bäuche vollgeschlagen haben und eingeschlafen sind? Der Künstler und Illustrator Steffen Haas gibt in seinen "Motionless Movies" Antwort darauf. So am vergangenen Sonntag zur Finissage der Ausstellung "A Tribute to Robin Page" im Ebersberger Kunstverein. Haas ist einer von 33 ehemaligen Robin Page-Studenten, die anlässlich des ersten Todestages ihres Kunstprofessors eine Gedenkausstellung an den großen Fluxuskünstler, auch "Bluebeard" genannt, in der Galerie Alte Brennerei im Klosterbauhof ausgerichtet haben.

Zur Finissage hat Haas zwei Diaprojektoren aufgebaut. Darunter steht ein ganzer Stapel an Magazinen voll mit Dias, daneben ein Instrumentarium mit allen möglichen Geräusche erzeugenden Dingen. Das ist die Ausstattung für die Filmvorführung "See Mose live". Ein Filmscreening im herkömmlichen Sinne ist die Performance des Künstlers allerdings nicht. Der Karikaturist hatte einst kleine comicartige Bildergeschichten samt den dazugehörenden Texten erfunden. Deren einzelne Cartoons hat er abfotografiert, um sie an die Wand zu projizieren. Ein Bild folgt dem anderen. Ähnlich wie im Comic-Heftchen kann man sich das vorstellen, nur, dass die Bilder nicht mehr in Reihe bleiben, sondern nacheinander vergrößert an die Wand geworfen werden. Dazu spricht der Autor live die englischsprachigen Texte seiner Illustrationen. Um Mäuse, Insekten und Kleinsäuger geht es dabei. Zwei dieser filmartigen Geschichten erzählen von Träumen einer kleinen Maus. Da verwandelt sich beispielsweise ein Klavier in ein bösartiges Lebewesen und verfolgt singend und polternd die kleine Maus. Das Klavier ist nicht umsonst eines der Marke "Bösendorfer", spielt der Autor doch mit dem Firmennamen und trennt das "Böse" vom "Dorfer". Die Maus wird am Ende aber nicht verschlungen, schließlich ist alles nur ein Traum. Fein ausgedacht ist auch der Traum, in dem eine Maus zum Maler wird. Weil ihr die eigenen Gemälde aber nicht gefallen, schüttet sie Ahornsirup darüber und sogleich tanzen die Puppen: die abgebildeten Tiere werden lebendig und verlassen die Leinwände. Doch, oh weh, Punkt fünf Uhr platzen die Gemälde und transformieren zu "guten" Bildern. Weil der Vorführer auf englisch spricht und "to pop" soviel wie platzen heißt, ist hiermit die "Popart" erfunden. Ironie ist also durchaus ein Mittel, das hier Anwendung findet.

Nun begeistert aber nicht nur die Fantasie dieser Geschichten, sondern auch ihre Machart, weisen diese Comics doch ein gewisses Können und vor allem eine eigene Bildsprache auf. Lustig ist es schon, zuzuschauen, lustig auch, weil Haas als Filmvorführer und Sprecher einen Geräuschemacher zu Seite hat, ganz wie einst im Stummfilm. Da steht eine Gitarre, eine Trommel, eine Fahrradluftpumpe mit Querflötenmundstück, verschiedene Blechdosen, Drahtbürsten, ein Schlauch, Schlüssel und was sonst noch alles skurrile und schräge Geräusche erzeugen kann um den Gitarristen und Schlagzeuger Jewgjenij Schuhr, der diese Bildfolgen äußerst amüsant vertont. Das Publikum schaut gebannt auf die 1993 entstandenen Serien, in denen natürlich auch mal der blaue Bart vorkommt, den der Meister Robin Page nun mal trug. Auch eine Auseinandersetzung mit Joan Miró ist abgebildet. Da werden die Farben plötzlich zarter und die Gestaltung nimmt die Formgebung des spanischen Malers an.

Das war also der Abschluss der Page-Ausstellung in Ebersberg. Doch ganz zu Ende war es damit noch nicht, denn vor der Galerie war ein großer Grill aufgebaut, auf dem über Stunden ein Truthahn brutzelte. Tatsächlich gab es bei Page die Tradition, jeweils zu Thanksgiving einen Truthahn für seine Studenten zuzubereiten. Wie die in der Ausstellung eingespielten Videos aus der Klasse Robin Page an der Münchner Akademie zeigen, und wie es auch den Erzählungen seiner einstigen Studenten zu entnehmen ist, so war der Unterricht viel mit Party verbunden. Das war es wohl, was die Studenten stark mit ihrem Meister verbunden hat und weshalb es ihnen wichtig war, seiner mit einer Ausstellung zu gedenken. Mit der Finissage jedenfalls hat die Hommage an Robin Page einen würdigen Abschluss gefunden.

© SZ vom 17.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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