Kulturstadl in Ottersberg:Suche nach Konsens am Rande zum Nonsens

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Thomas und Silvana Prosperi bei einem Auftritt in Ottersberg. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das Duo Thomas und Silvana Prosperi kennt Rudi Zapf bereits seit 40 Jahren. Heuer hat er sie zu seinem alljährlichen Kulturstadl in Ottersberg eingeladen. Als Dank haben "Faltsch Wagoni" wortgewaltige Ratschläge mitgebracht

Von Jörg Lehne, Pliening

Schwer zu sagen, was man sucht, wenn man eine Vorstellung von Faltsch Wagoni besucht. "Zum Glück - kein Ratgeber" heißt die neue Show, die das Duo in Ottersberg beim alljährlichen Kulturstadl präsentiert. Der Titel verrät also schon was man nicht erwarten sollte. Und dennoch halten Thomas und Silvana Prosperi auf der Open-Air-Bühne nicht hinterm Berg mit allerhand Ratschlägen. Manche davon sind eigene, viele sind entliehen, ein paar kann man brauchen und einen ganz bestimmten sollte man mit Vorsicht genießen.

"Haben wir ein Glück", Thomas Prosperis erste Worte, werfen zugleich die Frage auf, was ist denn Glück, wo ist es und wie kommt man da hin? Das "wo" ist schnell beantwortet: Finnland. Liegt doch auf der Hand. Wie kann es auch anders sein, bei einem Volk, das ein Wort für den unangefochtenen Glücksolymp gefunden hat: Kalsarikännit. Der Begriff beschreibt - kein Witz - das Gefühl, sich zuhause allein in Unterwäsche zu betrinken.

Viele Wege führen zum vermeintlichen Glück, Faltsch Wagoni kennt sie alle und lässt in seinen wortgeladenen Dialogen keinen aus. Alltagsdiskussionen werden mit scharfsinnigen Beobachtungen und spitzfindigen Wortklaubereien zur Absurdität zugespitzt und bis auf die Spitze getrieben. Wie ein altes Ehepaar hängen sie sich an Kleinlichkeiten auf, verlieren den Faden, reden munter um einander herum und aneinander vorbei, der Witz versteckt sich dabei oft im Detail - oder unter einem doppelten Boden. Kurz: Suche nach Konsens am Rande zum Nonsens.

Schaukulisse der rasanten Wortgefechte ist die Ver-hör-seh-Bar, an der sich die Prosperis alias Faltsch Wagoni mehrmals im Laufe des Abends einfinden. Immer wieder kehren sie dabei auf die Frage zurück, was es nun ist, das glücklich macht. Was haben die Finnen, was wir nicht haben? Was fehlt uns noch, oder haben wir schon zu viel? Ständig muss man sich entscheiden, überall muss man etwas beachten, dauernd muss man etwas wollen, immer muss man etwas müssen. Da haben das größte Glück vielleicht die Ungeborenen, die müssen nämlich gar nichts. Wenn das nun aber schon nichts geworden ist mit dem Nichtgeborenwerden, muss man ja auch etwas aus sich machen. Doch was man aus sich machen muss, die Antwort bleibt Faltsch Wagoni schuldig. Vielleicht brauche es ja am Ende nicht mehr als etwas Alkohol, eine Unterhose und vielleicht eine Gitarre, sinnierte Thomas Prosperi schon zu Anfang.

Letztere wäre nicht wegzudenken aus einer faltschwagonischen Darbietung. Töne sagen mehr als Worte, daher greift das Duo immer wieder zum Instrument, wenn es mit seinem und ihrem Latein am Ende ist. Thomas Prosperis Gitarre liefert die Harmonien Silvana Prosperi die Rhythmen, trommelnd, schnipsend, klatschend, Zunge klickend und Mund schnalzend. Ihre Lieder handeln von der Qual der Wahl, dem immer nagenden schlechten Gewissen und der Schönheit einer Welt, in der nichts passiert. Sie besingen, was den Menschen bewegt: Konsumwut, Fake News, Disneyland und ein barockes Plüschlabyrinth. Die Texte bleiben so aberwitzig, wie die Dialoge an der Bartheke, so dass sogar die beiden Bühnenprofis hier und da über ihre eigene Zunge stolpern. Der Unterhaltung tut das aber keinen Abbruch, auch wenn ein Song mal eine künstliche Pause oder eine zusätzliche Strophe erhält.

Bei den Abwandlungen von Klassikern wie Iggy Pops "Passenger" oder Bobby McFerrins "Don't Worry, be Happy" steigen auch die Zuschauer klatschend ein und bieten der Darbietung ein taktsicheres Fundament - schön, dass man sich bei allen Fragen, die Faltsch Wagoni an diesem Abend aufgeworfen hat, noch auf eine Sache verlassen kann.

Am Ende muss sich das Künstlerpaar für die eigene Vergesslichkeit entschuldigen. Nicht nur manche Textzeile ist kurz entfallen, auch ein Headset und der CD-Koffer sind heute liegen geblieben. Trotzdem schicken die beiden das Ottersberger Publikum mit zwei Zugaben nach Hause, eine davon ein Ratschlag in allen Lebenslagen und ein resistenter Ohrwurm: "Load it down, load it down!" Egal, was sich das Publikum von dem Abend erwartet hat, fündig geworden sind sicher alle. Falls man aber mal etwas finden will, was man überhaupt nicht sucht, gibt Faltsch Wagoni einen Rat: "Vergessen Sie, was Sie gesucht haben."

© SZ vom 28.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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