Kulturpreis der SZ:Vom Dorfanger in den Regenwald

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Kandidaten für Tassilo: Mit einem großen, vielfältigen Musikfestival sammelt der Zornedinger Verein "Pro Mbayan" Spenden für ein Dorf in Kamerun

Von Rita Baedeker, Zorneding

Kirche, Rathaus und Jugendzentrum liegen in Rufweite auseinander, dazwischen der Dorfanger mit Trampelpfad. Wie gut sich das Zornedinger Areal für ein Musikfestival eignet, erkannten vor fünf Jahren Barbara Weiß, Gemeinderätin der Grünen und Stadtführerin in München, Klaus Benz, Übersetzer für englische Fachliteratur und Mitglied der Band Schorsch und die Bagasch, sowie Gerhard Müllritter, der das Salonorchester München sowie einen Chor leitet und die Internet-Plattform "Musicalion" betreibt.

Was die Drei eint, ist einmal die Idee, mit Benefizkonzerten Spendengelder für das seit 20 Jahren bestehende Hilfsprojekt "Pro Mbayan", so der Name eines Dorfes im Regenwald von Kamerun, zu sammeln. Zum anderen kennen sie sich seit der fünften Klasse am Pestalozzi-Gymnasium, einer Talentschmiede für Musiker und Sänger, aus der sich vielfältige Verbindungen in die Musikszene ergeben.

Fünf Jahre ist es her, da hatte Barbara Weiß die Idee, zugunsten des Projekts einen Liederabend zu veranstalten. Doch Müllritter wollte das Ganze sogleich größer aufziehen. Und so ging Weiß daran, endlose To-Do-Listen anzulegen, einen Fahrplan zu basteln, die Rechtslage zu prüfen, Versicherungsfragen zu klären, sowie Bürgermeister Piet Mayr und Pfarrer Groß ins Boot zu holen. Bald standen Termine und Musikprogramm auf einem festen Fundament.

Das Zornedinger Festival von "Pro Mbayan" bietet Musik für fast jeden Geschmack. (Foto: Christian Endt)

Bei der Premiere gaben sich unter anderem Schorsch und die Bagasch sowie die Band Markt Schwabens Finest, in der Weiß Saxofon spielt, die Ehre. Müllritter rekrutierte Musiker aus allen Genres - mit zwei Ausnahmen: "Kein Schlager und nichts Volkstümliches, wohl aber echte Volksmusik". 17 Ensembles waren es beim ersten Mal. "Anfangs waren wir alle unsicher, wie stark der Zuspruch sein würde", sagt Weiß, doch die Sorgen waren unbegründet: "Es war phänomenal, wie die Leute in die Gebäude strömten, da ging ein Ruck durch die Gemeinde."

Vergangenen November ging das vierte Zornedinger Musikfestival über die drei Bühnen. Es spielten 24 Acts: Bands, Solisten, Ensembles, Prominenz wie der Vaterstettener Jazzpianist Chris Gall und der australische Beethoveninterpret Michael Leslie, ein original chinesisches Orchester verlieh der evangelischen Kirche fernöstlichen Charme.

Die Musiker kommen überwiegend aus dem Landkreis, vom Flötenensemble bis zur Bigband des Gymnasiums Kirchseeon, von Ebersbergs Lieblingsmusiker, dem Gitarristen Jeremy Teigan, bis zur irischen Folkgruppe und zur jungen Indie-Band, die das Jugendzentrum neben der Grundschule zum Hot-Spot machen, meist mit einer magischen Lightshow. Da kommt es dann durchaus zu einer sonst unüblichen Vermischung der Generationen. Da gibt es den jungen Mann, der nie im Leben auf die Idee gekommen wäre, sich im Rathaus ein Konzert anzuhören und nun hellauf begeistert ist. Und da sind die älteren Semester, die - zögerlich, aber doch - dem JUZ einen Besuch abstatten und ziemlich lange bleiben. Um das Programm dort kümmert sich der Verein "Jüngste Kultur".

2016 feierten die Aktiven von "Pro Mbayan" den 20. Geburtstag ihres Kamerun-Projektes. (Foto: OH)

Alle halbe Stunde beginnt ein Konzert. Die Wege werden nach Einbruch der Dunkelheit mit Fackeln beleuchtet. Auch hungern muss keiner. Das Küchenteam der Kirche, darunter Geflüchtete, bietet afrikanischen Eintopf mit Süßkartoffeln, Fleisch, Bananen und allerlei Würzigem. Im Vordergrund aber steht der Benefizgedanke. Die Musiker spielen ohne Honorar, der Eintritt ist frei. Beim letzten Mal las jeder Musiker ein Dankesschreiben vor, Briefe junger Frauen und Männer aus Mbayan, denen der Verein Studium oder Berufsausbildung finanziert hat. Der Verein hat die Regierung von Kamerun überzeugt, eine Schule zu bauen, deren Unterhalt der Verein ebenso finanziert wie das Gehalt der Lehrer. Letztes Mal kamen 6000 Euro an Spenden zusammen. Zur Vereinsgründung vor 20 Jahren kam es, nachdem ein Mann aus Mbayan im Martinstadl einen Vortrag über sein Land gehalten hatte.

Barbara Weiß kann eine Menge erzählen von ihren Besuchen im Regenwald. Wie sich die Dorfbewohner darüber amüsierten, dass die Deutschen Duschen und Toiletten in der Schule einbauen lassen wollten. Wie die Frauen bei ihrer Ankunft tanzten. Wie die Zornedinger halfen, bei einem plötzlichen Regenguss die noch nicht geernteten Kakaobohnen zu retten. Und wie man abends einen Generator angeworfen habe, um bei Licht feiern zu können. "Vor drei Jahren ließen wir eine Fotovoltaikanlage installieren", sagt Weiß. "Vorher gab es nur Ölfunzeln. Als ich mal nachts durchs Dorf spazierte, brannte in einer Hütte ein schwaches Licht. Es war die Lehrerin, die etwas schrieb. Da war mir klar: Wo kaum Licht brennt, hat es die Bildung schwer." Das Anliegen des Vereins sei zu zeigen, "dass es andere Lebenswelten gibt, und man im Kleinen etwas verändern kann."

"Arcana Obscura" trat bei dem vielfältigen Musikfestival auf. (Foto: Christian Endt)

Dass "Pro Mbayan" darüber hinaus den Menschen in Zorneding einmal alle zwei Jahre zehn Stunden lang tolle Musik und Lebensfreude schenkt, macht ihn zum würdigen Kandidaten für Tassilo.

© SZ vom 17.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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