Kulturkritik:Drei Ringe gegen den Krieg

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Ein Mann, eine Parabel: Nik Mayr transferiert Lessing. (Foto: Christian Flamm/oh)

Theater Wasserburg zeigt Collage zu "Nathan der Weise"

Von Theresa Parstorfer, Wasserburg

Da war ein König, der hatte drei Söhne. Unglücklicherweise hatte er sie alle gleich lieb. Unglücklich war das, weil er deshalb nicht entscheiden konnte, welchem Sohn er den Ring schenken sollte, der darüber bestimmen würde, wer von ihnen nach seinem Tod den Thron würde besteigen dürfen. Doch da hatte der alternde König einen klugen Einfall: Er beauftragte einen Künstler, zwei weitere Ringe zu fertigen, die nicht vom Original zu unterscheiden waren. So entging er zwar der Entscheidung, doch nachdem er reinen Gewissens gestorben war, entbrannte unter den Brüdern ein Streit, wer denn nun den echten Ring, den echten Anspruch auf die Königswürde, am Finger trug. Soweit die Ringparabel, das Herzstück des Dramas "Nathan der Weise" von Gotthold Ephraim Lessing.

Wer im Deutschunterricht aufgepasst hat, weiß, dass die drei identischen Ringe die drei monotheistischen Religion - Judentum, Christentum und Islam - symbolisieren, und dass Lessing schon vor mehr als 200 Jahren eine Antwort auf die Frage suchte, wie ein friedliches Zusammenleben der Religionen aussehen könnte, die allesamt den Anspruch erheben, die einzig wahre zu sein.

Seit der Uraufführung von "Nathan der Weise" 1783 hat sich in dieser Hinsicht nicht viel geändert, denn mit der Feststellung, wie schlecht die Welt ist und wie "uferlos" schlecht die Menschen sind, beginnt auch das moderne Ein-Mann-Stück mit dem Titel "Ringparabellum", das derzeit im Theater Wasserburg zu sehen ist. Nicht das ganze Drama wird hier gespielt, sondern lediglich der originale Kerntext der Ringparabel, eingebettet in eine Collage aus Textfragmenten unterschiedlicher Epochen und Stilrichtungen. Kants kategorischer Imperativ ist mit dabei, Martin Luther Kings "I have a dream"-Rede, aber auch Pop-Musik wie "Rettet die Wale" von Gustav und psychologische Ausführungen zu "Symptomen der Angst".

Eine knappe Stunde lang darf das Publikum Schauspieler Nik Mayr dabei zusehen, wie er ein minimalistisches, pyramidenartiges Bühnenbild, an dessen Spitze ein Rednerpult thront, beschreitet und dabei eine große, schwere Frage stellt: Wer Schuld daran trägt, dass auch heute Menschen sterben, weil sie einer "falschen" Religion angehören. Sind es Waffen wie die Parabellumpistole, die 1900 entworfen und nach dem Motto "Si vis pacem para bellum" (Wenn du Frieden willst, bereite den Krieg vor) benannt wurde? Ist es das System? Der Leviathan? Der Demagoge? Oder sind es die Menschen - jeder einzelne - die all das möglich machen?

Das ist die Botschaft der Fragmente, die Regisseurin Annett Segerer geschickt um die Ringparabel arrangiert hat: Die Menschen sind schlecht, denken aber, sie seien ganz wundervoll. Und ändern werden sie sich nicht. Vielleicht aber ist der berühmte erste Schritt der Erkenntnis heute wie zur Zeit der Aufklärung ein Schritt zu mehr Toleranz. Das klingt nach "Friede Freude Eierkuchen"? Nach einem "Ende wie aus der Seifenoper"? Ja, findet Mayr, als er die Vorstellung mit einem gelungenen, zur Selbstreflexion aufrufenden Bruch beendet. Er liest die letzte Szene aus dem "Nathan". Alle Beteiligten liegen sich da versöhnlich in den Armen. Sehr wahrscheinlich ist das nicht, aber bei ein bisschen Popmusik im Licht einer Discokugel erscheint der Gedanke, bei sich selbst anzufangen und andere Menschen in ihrem Glauben zu akzeptieren, doch sinnvoll - und durchaus machbar.

© SZ vom 06.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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