Kritik an Planung:Verkehrlich beschwerlich

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Der Widerstand gegen das geplante Gewerbegebiet in Parsdorf wächst. Neben den Nachbargemeinden warnen auch das Staatliche Bauamt und die Autobahndirektion vor Chaos auf den Straßen

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

Als möglichen Standort des Autobauers BMW werben die Befürworter des neuen Gewerbegebietes in Parsdorf für das Projekt. Dies ist auch nötig, denn von dem Vorhaben sind nicht alle überzeugt, im Gemeinderat etwa SPD, Grüne und FBU. Auch von den Nachbarn kommt seit Monaten Kritik, der sich mittlerweile das Staatliche Bauamt Rosenheim und die Autobahndirektion Südbayern angeschlossen haben. Der Kern dieser Kritik passt eigentlich ganz gut zum Vorzeigeprojekt des neuen Gewerbegebietes: zu viele Autos.

Im Bauausschuss stand nun der Bebauungsplan auf der Tagesordnung - mit zahlreichen kritischen Stellungnahmen. Etwa von den Nachbargemeinden, die eine Zunahme der Verkehrsbelastung auf den eigenen Straßen befürchten, sollten die Vaterstettener nördlich der Autobahn ihre Pläne umsetzen. Diese sehen derzeit so aus, dass BMW im Norden der rund 40 Hektar großen Fläche ein Logistikzentrum errichtet. An dem größeren Teil im Süden soll ein Münchner Maschinenbauunternehmen interessiert sein. Laut Gemeinde könnte die Firma einen Produktionsstandort mit 1000 bis 1500 Arbeitsplätzen aufbauen.

Der daraus resultierende Pendelverkehr ist selbst nach einem von Vaterstetten beauftragten Gutachten erheblich: Erwartet werden zur Frühschicht um 6 Uhr etwa 700 Mitarbeiter, 200 weitere kommen um 7 Uhr. Außerdem sollen je 250 Mitarbeiter der Büros und Entwicklungsabteilungen vor 7 sowie zwischen 8 und 9 Uhr mit ihrer Arbeit beginnen. Insgesamt also 1400 Fahrten im Berufsverkehr in einem Gebiet mit ohnehin überlasteten Straßen. Nicht zu vergessen die ganztägig fahrenden Lastwagen des BMW-Logistikzentrums.

Was aber laut Vaterstettener Verwaltung meistens kein Problem für die Nachbarn darstellen werde. Etwa 80 Prozent des durch das neue Gewerbegebiet entstehenden Verkehrs würden über die A 94 abgeleitet. Zwar könne es auf deren Zufahrten, etwa der Gruber Straße, enger werden, gibt man in Vaterstetten auf eine entsprechende Stellungnahme der Poinger zu - aber die seien daran selber schuld. Denn ein Drittel der zu erwartenden Zunahme des Verkehrs um etwa 1700 Autos pro Tag, liege an den Poinger Neubaugebieten.

Dass es durch eventuelle Staus auf der Autobahn auch zu Ausweichverkehr in die Nachbarkommunen kommt, schließt man in Vaterstetten ebenfalls nicht aus. Ändern lasse sich dies aber nicht, so eine Antwort auf eine Stellungnahme aus Anzing, diese Gemeinde sei nun mal "Teil des Großraumes München, dem entwicklungsstärksten Raum in der Bundesrepublik. Dieser Vorgang kann nicht punktuell gestoppt werden". Insgesamt aber, so bescheinigt man es den Plieningern, sei "die Verträglichkeit der Planungen mit der Verkehrsinfrastruktur gegeben", dies habe das von Vaterstetten beauftragte Verkehrsgutachten ergeben. "Die Planung erfolgte in enger Abstimmung mit den zuständigen Straßenbaubehörden."

Wobei "Abstimmung" ausdrücklich nicht "Übereinstimmung" bedeutet, wie zwei weitere Stellungnahmen zeigen. So warnt das Staatliche Bauamt Rosenheim vor einer Überlastung der Autobahnzufahrt in Parsdorf. Die Autobahndirektion erwartet zudem, dass auch die A94 mit dem zusätzlichen Verkehr aus dem und in das neue Gewerbegebiet überfordert werden könnte. Dass das Vaterstettener Verkehrsgutachten zu einem anderen Schluss kommt, überzeugt die Autobahndirektion nicht, da "die vorgelegten Gutachten wie auch die restlichen Unterlagen fehlerhaft" seien. Autobahndirektion wie Staatliches Bauamt regen dringend einen Umbau der Anschlussstelle an - die "auf Kosten der Gemeinde zu realisieren" seien.

Eine Aussicht, die im Ausschuss einige etwas nervös machte. So warnte etwa Herbert Uhl (FW), ansonsten ein Befürworter der Gewerbepläne, vor einem Risiko für die Gemeindekasse. Es müsse ausgeschlossen sein, dass, "am Ende wir den Ausbau zahlen müssen", forderte Uhl, und schlug einen entsprechenden Vertrag mit dem Investor vor. Der zu 30 Prozent aus der Gemeinde Vatersteten bestehe, entgegnete Zweiter Bürgermeister Martin Wagner (CSU). Ohnehin sei dies nicht nötig, so Bauamtsleiterin Brigitte Littke, sie verwies auf die Stellungnahme der Verwaltung. Demnach bleibt laut Gutachten die Zufahrt leistungsfähig "solange Poing nicht deutlich wächst". Des weiteren sei die Autobahndirektion in der Pflicht, endlich "den Sanierungsstau" an der A94 und 99 aufzulösen und neue Brücken und Fahrstreifen zu errichten. Außerdem seien Staus in der Region unvermeidlich: "Angesichts der im Landesentwicklungsprogramm dokumentierten erheblichen Einwohner- und Strukturentwicklung im Umland von München ist eine Überlastung der Verkehrsinfrastruktur der Regelfall." Keinesfalls könne deswegen in die Planungshoheit der Gemeinden eingegriffen werden.

Eine Einschätzung, die nicht alle im Ausschuss überzeugte. Die Freien Wähler stimmten am Ende zusammen mit SPD, Grünen und FBU gegen diesen Punkt, wurden aber von einer Mehrheit aus CSU, FDP und Bürgermeister Georg Reitsberger (FW) knapp überstimmt. Dieser betonte anschließend noch einmal die Bedeutung des Projekts - auch wenn noch nicht sicher sei, dass es überhaupt zustande kommt. Denn der dafür nötige Grundstückstausch mit dem Freistaat kommt nicht recht voran. Trotzdem solle man "in Vorleistung gehen" so Reitsberger und den Bebauungsplan weiterverfolgen. Dem stimmten dann auch seine Freien Wähler wieder zu. Gegen die Stimmen von SPD, Grünen und FBU - die unter anderem den hohen Flächenverbrauch und die noch sehr unkonkreten Planungen bemängeln - wurde die Auslegung beschlossen.

© SZ vom 18.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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