Kostenloses Angebot:Rettende Nummer

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Eine neue Nummer fürs Telefon. (Foto: dpa)

Von Dezember an steht auch im Landkreis ein Psychiatrischer Krisendienst zur Verfügung. Täglich sollen von neun Uhr bis Mitternacht professionelle Helfer telefonisch erreichbar sein und bei Bedarf ins Haus kommen.

Von Anja Blum, Ebersberg

Es gibt Telefonnummern, die können Leben retten. Im Landkreis kommt nun eine weitere hinzu: Der Psychiatrische Krisendienst, der seinen Ursprung in München hat, wird auf ganz Oberbayern ausgeweitet. Am 1. Dezember startet das Angebot auch in Ebersberg.

Der neue Notruf steht Menschen in seelischen Krisen und deren Angehörigen zur Verfügung - egal, welcher Art die Probleme sind. "Das kann eine Überlastung sein, eine beginnende Depression oder eine schwere Psychose", sagt Constanze Mauermayer, Pressesprecherin des Bezirks Oberbayern.

"Einfach, wenn man nicht mehr weiter weiß." Das Angebot reicht - je nach Bedarf - von einem beratenden, therapeutischen Gespräch am Telefon über einen deeskalierenden Einsatz von psychologisch geschulten Helfern vor Ort bis hin zur Vermittlung kurzfristiger ambulanter Termine oder einer stationären Behandlung. "Es geht darum, dass Menschen in Krisen schnell und wohnortnah die für sie richtige Unterstützung finden", so Mauermayer.

Von Einsatzkräften überwältigt und in eine Klinik eingeliefert: So erging es erst kürzlich einem 26-jährigen Markt Schwabener, der an Halluzinationen und Angstzuständen litt. Diese drastischen Maßnahmen waren nötig, weil laut Polizei Suizidgefahr bestand. "Bei psychiatrischen Notfällen, die eskalieren, kommt es häufig zu Zwangseinweisungen, weil kein Fachpersonal vor Ort ist", sagt Mauermayer.

Sondern meist nur Notarzt, Feuerwehr und Polizei. Diese wüssten sich in schwierigen Fällen oft nicht anders zu helfen, als den Betroffenen in eine Klinik zu bringen. Das trage zur Stigmatisierung psychischer Krankheiten bei und erhöhe bei Patienten und Angehörigen die Hemmschwelle, Hilfe zu holen.

Diesen Teufelskreis zu durchbrechen, ist das Ziel des Psychiatrischen Krisendienstes. Schließlich gehören seelische Probleme zu den häufigsten Krankheitsbildern überhaupt: Laut einer Studie des Robert Koch-Instituts gerät jeder dritte Mensch einmal im Leben in eine Krise, in der er professionelle Hilfe benötigt. "Diese muss jedoch keinesfalls immer stationär geleistet werden", sagt Mauermayer.

Erreicht werden soll dieses Ziel mit drei organisatorischen Bausteinen: einer Leitstelle in München, mit mehreren mobilen Einsatzteams sowie diversen kooperierenden Institutionen in ganz Oberbayern. Im Landkreis Ebersberg ist dies der Sozialpsychiatrische Dienst in der Kreisstadt. "Hier werden von Dezember an stets ambulante Zeitfenster freigehalten, so dass über den Krisendienst eine schnelle Terminvergabe möglich ist", erklärt die Sprecherin. Außerdem werde das Personal aufgestockt.

Träger des neu organisierten Dienstes ist der Bezirk Oberbayern, er übernimmt alle Kosten. "Ist das Netz erst einmal komplett ausgebaut, werden sich diese auf etwa 7,4 Millionen Euro pro Jahr belaufen", so Mauermayer. Für Betroffene und Angehörige ist der Dienst komplett kostenlos. Ausgelegt sei das Angebot auf 20 000 Anrufe im Jahr, der Personalbedarf liege bei knapp 90 Stellen.

Laut Mauermayer ist dieses Projekt deutschlandweit einmalig: "Es gibt zwar diverse Krisendienste, aber keinen in diesem räumlichen Umfang und mit diesem umfassenden Angebot." Zugrunde liegt dem Projekt ein Beschluss des Sozial- und Gesundheitsausschusses des Bezirktags von 2015. Dass die Umsetzung bis jetzt gedauert hat, liegt laut Mauermayer vor allem am Personalmangel: Der sozialpädagogisch-therapeutische Markt sei wie leergefegt. Doch nun könne es mit dem Ausbau des Netzwerkes losgehen, bis Ende 2017 soll der Psychiatrische Krisendienst in ganz Oberbayern verfügbar sein.

Die Politik hat dem Projekt allerdings eine fünf Jahre dauernde Probephase verschrieben, danach soll es auf den Prüfstand und gegebenenfalls modifiziert werden. "Das Problem ist, dass es bislang ja keine Erfahrungswerte gibt", sagt die Sprecherin. "Deswegen muss man erst abwarten, wie hoch der Bedarf tatsächlich ist und ob die neu geschaffenen Strukturen zur Zufriedenheit der Betroffenen sind."

Der Münchner Krisendienst, der bereits seit fast zehn Jahren existiert, habe zuletzt etwa 14 000 Anrufe im Jahr verzeichnet. Wie viele davon nicht aus der Stadt, sondern von weiter weg eingingen, sei allerdings nicht bekannt. "Wir gehen aber davon aus, dass die Ausweitung des Dienstes gerade in den ländlichen Gebieten zu einer deutlichen Verbesserung der Versorgung seelisch Erkrankter führt, denn dort ist die Dichte der Angebote längst nicht so hoch wie beispielsweise in München", sagt Mauermayer.

© SZ vom 06.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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