Konzertkritik:Wie eine Pralinenschachtel

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Kalifornische Leichtigkeit verströmt "Arcsecond" aus Ebersberg beim Bandabend im Alten Kino. Lenny Bachmeier (links) und Flo Heimbucher sind Frontmänner ohne Allüren. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Im Alten Kino treten "Arcsecond" aus München und das Ebersberger Trio "Sunspiration" auf: zwei Bands, die mit verschiedenen Genres arbeiten, aber beide genau wissen, was sie tun

Von Annalena Ehrlicher, Ebersberg

Hätten die Beach Boys und die Kings of Leon in einer Patchworkfamilie ein gemeinsames Liebeskind großgezogen, dann wäre vielleicht so etwas wie das Ebersberger Trio Sunspiration dabei herausgekommen. Das Markenzeichen der Band war und bleibt ein leicht melancholischer zweistimmiger Gesang von Lenny Bachmeier und Flo Heimbucher, allerdings haben die Mittzwanziger ihren melodischen Gitarrensound mittlerweile um elektronische Klänge angereichert. Stefan Gackstatter (Drums) sitzt etwas versteckt hinter den Kollegen, erdet mit seinem präzisen Spiel jedoch die Frontmänner gekonnt. Das Ergebnis ist extrem tanzbar und lässt die Zuhörer gleichzeitig ein wenig von kalifornischen Stränden träumen. Der Bandabend im Alten Kino Ebersberg startete am Samstag mit leichter Verspätung - das Publikum fehlte. Offenbar war die Konkurrenz von Grafinger Volksfest und lauem Sommerabend zu groß, als dass sich der Saal in der Eberhardstraße pünktlich gefüllt hätte. Gelobt seien da die treuen Fans, die schnell vor Beginn noch ein bisschen Druck auf Freunde und Bekannte ausübten und so doch noch ein paar zusätzliche Zuschauerinnen und Zuschauer anlocken konnten.

Enttäuscht wurden diese jedenfalls nicht: "Wir hätten jetzt noch was zum Mitsingen", kündigt Heimbucher grinsend an. "Geil!", tönt es zurück. Zu jedem Zeitpunkt merkt man: Da steht ein eingespieltes Team auf der Bühne, das weiß, was es tut und keinerlei Allüren hat. Die Akustikgitarre will nicht? Dann wird der nächste Song eben auch auf der elektronischen gespielt - und es funktioniert. Unterstützt werden die drei jungen Musiker von Christof Bachmeier am Bass. Der Onkel von Lenny Bachmeier hat das jüngste Album "The Wind" der Band produziert und tritt bei Gelegenheit als Gastmusiker mit auf. Ein Familienbetrieb, kann man also sagen: Die Texte zu den Songs nämlich stammen von Violetta Ditterer, der Cousine von Gitarrist, Keyboarder und Sänger Bachmeier. Ihr Spektrum spannt sich auf zwischen erstaunlich genauen Alltagsbeobachtungen und den großen Fragen der jungen Generation. "The wind" etwa, Titelsong des Albums, handelt von Freundschaft, Liebe und der Suche nach einem Platz zwischen Zuhause und der weiten Welt.

Der zweite Teil des Abends gehört der Münchner Band Arcsecond, die mit ihrem Album "War against stagnation" unterwegs ist. Was in der Ankündigung nach einer etwas wilden Mischung klingt - "Psychedelischer Jazz-Hip-Hop-Pop mit Indie-Elementen" - entpuppt sich als feinste Fusion. Das Programm der vier Münchner - Nikodemus Hasselt (Gitarre/Vocals), Aurel von Egloffstein (Bass), Johannes Schibler (Tasten), Michael Neuber (Drums) - ist wie eine Pralinenschachtel: Man weiß nie genau, was man bekommt, aber es macht Spaß. Vor allem, wenn man aufhört, nach einer Schublade für die Songs zu suchen. Was mit einem Jazz-Schlagzeug beginnt, wird von einer Bluesgitarre unterbrochen und in Funkbeats aufgelöst. Hasselts helle Stimme ist treffsicher und überraschend wandelbar. Im Song "Shaky Fingers", zu Deutsch in etwa: zittrige Finger, beginnt er samtweich und lässt sich von Schlagzeug und Gitarre zu gepressten, harten Tönen hochpeitschen. Im als Ballade angekündigten Song "King of Nothing" hingegen gibt es eine Art Sprechgesang: bestechend schön und ohne einen Hauch von kitschiger Süßlichkeit, eher eine Art Hommage an eine Generation zwischen Hybris und Selbstzweifeln.

Die vier jungen Männer stehen seit 2015 gemeinsam auf der Bühne, das erste Album "War against stagnation" gab es 2016. Die Songs zu den Texten von Leadsänger Hasselt schreiben die Musiker gemeinsam: "Wir jammen viel, nehmen die Jams auf und arrangieren dann im Nachgang die entstandenen Teile zu Songs", erzählt Schlagzeuger Neuber. Das mag erst einmal überraschend wirken, da einige Lieder fast verkopft wirken, kantiger, auch etwas härter als der kalifornisch angehauchte Sound der Vorgängerband. "Rumgetüftelt" werde natürlich viel, bestätigt Neuber. "Es ist aber nie so, dass einer mit einem fertigen Song ankommt. Es entsteht alles beim Spielen und jeder spielt sein Instrument, wie er es für gut und passend hält."

Vielleicht kommt auf diese Weise die Varietät der Songs zustande, die anspruchsvoll ist, auch für das Publikum. "Deshalb gehen wir raus ins Umland", sagt Bassist von Egloffstein. "In München ist der Druck auf die Betreiber groß, dass der Laden unbedingt voll sein muss, so dass es für die ein großes Risiko ist, uns spielen zu lassen." In Ebersberg sind Arcsecond nun zum ersten, sicherlich aber nicht zum letzten Mal aufgetreten. Und für den nächsten Gig findet sich bestimmt auch noch ein bisschen mehr Publikum.

© SZ vom 15.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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