Konzertkritik:Überschwang und Lebensfreude

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Der junge Grafinger Pianist Hamlet Ambarzumjan spielt zum Höhepunkt des Konzertabend Schostakowitschs Klavierkonzert Nummer 2. (Foto: Christian Endt)

Zornedinger Orchester und Kirchseeoner Gymnasiasten spielen Musik voller Tiefe und Leidenschaft

Von Rita Baedeker, Kirchseeon/Zorneding

Wenn Komponisten Urlaub machen, haben sie der Welt eine Menge zu erzählen - in der Sprache der Musik. So wie Edward Elgar. Sein "Tanz" aus den "Three Bavarian Dances" entstand unter dem Eindruck einer Reise des britischen Komponisten mit seiner Frau Alice nach Garmisch. Inspiriert von Landschaft, Liedern und Tänzen sowie Erinnerungen an heitere Sommertage, ähnlich heiter, wie jetzt auch der Frühsommertag im späten April, schrieb Alice Elgar im Überschwang einige Liedtexte für ihren Gatten. "Ha! Was bin ich aufgeregt! Komm und lass uns fröhlich tanzen, Trink das glänzend braune Bier, mein Schatz! Bald werden unsere Augen fröhlich strahlen." Elgar vertonte die Szenen zunächst in einer Fassung für Chor und Klavier, später arrangierte er sie zu einer Orchestersuite.

Auch ohne braunes Bier strahlen die jungen Musiker des Schulorchesters vor Aufregung und Freude. Denn wieder hat die Zusammenarbeit mit dem Symphonieorchester im Kulturverein Zorneding-Baldham reiche Früchte getragen: Beim Konzert am Samstag und Sonntag in der Schulaula und einen Tag später im Martinstadl liefern die jungen Instrumentalisten eine solide, sauber intonierte Darbietung ab. Als Dirigent Andreas Pascal Heinzmann die Zuschauer fragt, ob ihnen die Aufführung auch gefalle, wenn sie verwandtschaftliche Bande mal außer Acht ließen, gehen alle Arme zustimmend in die Höhe.

Heinzmann und Rafael Gütter von der Fachschaft Musik haben für den Nachwuchs neben Elgars Hommage an Schuhplattler und " Schnadahupferl" zwei weitere charaktervolle Tänze ausgesucht: Aram Chatchaturjans Walzer und Mazurka aus der Schauspielmusik zu "Maskerade" von Lermontov. Rustikal und ausgelassen klingt Elgars Interpretation bayerischer Folklore. Trotz der derben Bläsersätze und der übermütigen Tempi konnte er einen gewissen vornehm- britischen Ton nicht verleugnen. Das Orchester hat die Klangfarben mit Bravour ausgemalt. Noch gesteigert hat es sich bei Chatchaturjans Walzer, der - später als Zugabe wiederholt - mit berauschendem Elan musiziert wird, als gäbe es kein Morgen. Überschwang und Lebenslust wechseln in dem Stück jäh mit Passagen voller Traurigkeit.

Überhaupt ist es ein Konzertabend der Kontraste und Emotionen: Als Orchesterarbeit haben Heinzmann und die Seinen dieses Mal Beethovens fünfte Sinfonie gewählt. "So klopft das Schicksal an die Pforte"! Mit diesen Worten soll Beethoven das beherrschende Motiv des Werks beschrieben haben. Jeder kennt es, jenes "ta-ta-ta-taaa!" Auch erinnert man sich an die Gänsehaut, wenn die Musik zum Schluss vom schicksalhaften Moll zum triumphalen Dur wechselt. Was noch an musikalischem Genie in dem Werk steckt, wie viel rhythmische Kraft und kaum zu bändigende Fülle an Stimmen, kann das Publikum an diesem Abend ein weiteres Mal erleben. Hochachtung vor Dirigent und Orchester, die diese schwierige Partitur klangschön und kraftvoll gestalten. Zwar sollten die C-Dur-Akkorde am Schluss strahlender, klarer klingen - Gänsehaut bildet sich trotzdem.

Höhepunkt des Konzertabends ist jedoch die Aufführung des Klavierkonzerts Nummer 2 von Dmitri Schostakowitsch, ein Werk, das der Komponist für seinen Sohn Maxim schrieb. Mit eingepackt hat Papa in den Notentext ein paar ungeliebte, aber für angehende Pianisten unvermeidliche Fingerübungen. Die der junge Grafinger Pianist Hamlet Ambarzumjan, hochtalentierter Schüler bei Silke Avenhaus an der Musikhochschule, längst intus hat. In dem burlesken Stück hat sich Schostakowitsch über Marschmusik lustig gemacht. Zuweilen glaubt man, eine Militärkapelle ziehe vorbei - nach dem Saufgelage. Aber so richtig zackig klingt diese Musik mit ihren "falsch" instrumentierten Fanfaren und ihrem grotesken Pathos nun wieder nicht. Schon gar nicht das lyrische Andante des Mittelsatzes. Ambarzumjan und das Orchester verpacken dieses Geschenk in klanglichen Hochgenuss. Der Solist interpretiert die wechselnde Tonsprache des Komponisten eindrucksvoll, in auftrumpfendem Staccato, perkussiv, aber auch weich und lyrisch. Nach lang anhaltendem Applaus spielt Ambarzumjan das erste Stück aus den "Kinderszenen" von Robert Schumann: Es erzählt "von fremden Ländern und Menschen." So wie einst Edward Elgar den Briten etwas von den Bayern erzählt hat.

© SZ vom 23.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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