Konzertkritik:Mannsbilder mit Spieltrieb

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Das Trio "Knedl und Kraut" begeistert im Ebersberger Alten Kino mit einem vor allem musikalisch bemerkenswerten Heimatabend

Von Anja Blum, Ebersberg

Am Ende wackelt und qualmt sogar das "Alpendixi", so sehr lassen es die Drei auf der Bühne krachen: Der Heimatabend mit Knedl und Kraut im Ebersberger Alten Kino ist meilenweit entfernt von der Beschaulichkeit und Steifheit, mit der Veranstaltungen der Brauchtumspflege sonst gerne daherkommen. Zwar geht es den Mannsbildern, wie sie gleich zu Beginn klar stellen, ebenfalls darum, bayerisches Kulturgut zu pflegen, doch sie tun dies auf ihre ganz eigene Weise: hochmusikantisch und mit jeder Menge Humor, also verspielt im besten Sinne des Wortes. Ihr Programm nennen sie "lachlederne Wirtshausmusi".

Das Alpendixi, das es zum Schluss fast zerlegt, ist Teil eines für ein Musikkabarett recht aufwendigen Bühnenbilds: Knedl und Kraut sitzen an einem eigens aufgebauten Stammtisch, ein Zimmer mit Tisch und Eckbank, rustikal und mit viel Liebe zum Detail ausgeschmückt - so dass manch Bauerntheatertruppe sicher neidisch wär. An der Wand hängen alte Fotos, allerhand Instrumente und das obligatorische Geweih, auf dem Tisch stehen drei Steinkrüge, durch das Fenster mit rot-weiß karierten Vorhängen sieht man, es versteht sich fast von selbst, ein Alpenpanorama. "Wir sind die einzige Stubnmusi weltweit, die ihre eigene Stub'n immer dabei hat", erklären die Musiker nicht ohne Stolz. Und da, wo getrunken wird, sich meist bald auch andere Bedürfnisse einstellen, steht daneben noch das Alpendixi, ein hölzernes "Scheißheisl" wie aus dem bayerischen Bilderbuch. Den Musikern dient es allerdings, das stellt sich später heraus, als schmucker Geräteschuppen.

Knedl und Kraut nämlich beschränken sich mitnichten auf das klassische Instrumentarium. Zwar kommen auch Akkordeon, Gitarre, Tuba und Geige zum Einsatz - und gerade bei ersterem sind im Laufe des Abends die unterschiedlichsten Varianten zu bewundern, antiquarische Unikate oder Miniaturausgaben zum Beispiel. Doch am Ende bleibt nur bewundernd festzuhalten: Diese Mannsbilder spielen auf allem, was ihnen zwischen die Finger kommt. So sind sie die Erfinder des "Parodontose-Rechens", ein Rhythmusinstrument, das während des Stücks nach und nach seine Zähne verliert, der "Alpenkastagnetten", die lautstark über den Wirtshaustisch gezogen werden, und der "Klaritube". An diesem Abend wird der Gewehrlauf zum Didgeridoo, die Schaufel zur E-Gitarre und ein ordinärer Hacklstecker zur Querflöte. Denn Toni Bartl aus Partenkirchen, ehemaliger Weltmeister der diatonischen Harmonika, Multiinstrumentalist Juri Lex aus Pullach und Daniel Neuner aus Garmisch sind allesamt grandiose Musiker - mit einem ausgeprägten Spieltrieb.

Zu hören gibt es bayerische Weisen, zünftigen Dreigsang, Gstanzl, und ab und an einen Jodler, aber auch italienische Gassenhauer, Schlager und Rock. Dabei wechseln sich Eigenkompositionen ab mit bekannten Stücken, die von dem Trio jedoch stets gehörig aufgemöbelt werden. Sei es durch ein ungewöhnliches Instrumentarium, wie etwa beim "Lambada" mit der Maultrommel, oder durch freche neue Texte. Zur Melodie von "The lion sleeps tonight" zum Beispiel erzählen Knedl und Kraut mit scharfer Zunge von einem Abstecher nach Kitzbühel, wo sich eine höchst zweifelhafte VIP-Gesellschaft tummle. "Promifiziert dank Stanglwirt", singen die Musiker, und von "Viagra, dass a Stangl wird". Lustig machen sie sich aber auch über moderne Moden in der Landwirtschaft, wo die Odelgrube neuerdings als Whirlpool deklariert werde, nur um die Subventionen anzukurbeln. Musikalisch international durchexerziert wird dagegen das Lied "Hans bleib do": Es gibt eine amerikanische, russische, spanische, türkische und italienische Version zu hören, wobei vor allem Neuner als Sänger sein komödiantisches Talent voll ausspielt. Ein Brackl von einem Kerl, mit spitzbübischem Gesicht, erweist er sich an diesem Abend nicht nur als Stimmwunder, das über eine chorknabengleiche Kopfstimme verfügt, sondern auch als bayerischer Copperfield und "Jimi Hendrix der Suppenlöffel". Alles in allem also ein höchst unterhaltsamer, vor allem musikalisch bemerkenswerter Ritt quer durchs bayerische Gemüsebeet.

© SZ vom 21.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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