Konzert in Zorneding:Perlende Klarheit

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Technische Virtuosität und Ausdruckskraft demonstriert die koreanische Pianistin Myunghwa Wiede im Spiel, hier beim 2. Klavierkonzert von Fréderic Chopin. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Bei seinem Frühlingskonzert ehrt das Symphonieorchester des Kulturvereins Zorneding-Baldham mit dem Trauermarsch aus Beethovens "Eroica" den verstorbenen Maestro Hans Walter Kämpfel

Von Rita Baedeker, Zorneding

Allmählich scheinen sich auch Musiker, jedenfalls junge, von Noten auf Papier zu verabschieden. Die koreanische Pianistin Myunghwa Wiede, Solistin beim Frühjahrskonzert des Symphonieorchesters im Kulturverein Zorneding-Baldham, jedenfalls hatte statt einer gedruckten Partitur von Chopins zweitem Klavierkonzert in f-Moll ein Tablet vor sich.

Das "Umblättern" erledigte sie mittels eines über Funk verbundenen Fußschalters. Das alles wirkte zwar irgendwie sehr technisch, auf Wiedes Musizieren hatte das aber keinen Einfluss. Die Solistin bot eine durchweg kraftvolle, energische und stark phrasierende Interpretation, so, als wolle sie jedes Verströmen lyrisch-dramatischer Läufe verhindern und sich von den leidenschaftlichen Ausbrüchen in der Komposition nicht überwältigen lassen. Wiede meidet die große Emotion zugunsten von Genauigkeit und perlender Klarheit. Nur manchmal wünschte man sich, sie hätte sich doch mal fallen lassen in die weit geöffneten Arme des Komponisten - es heißt, er war sehr verliebt, als er die Partitur schrieb. Den dritten Satz spielte sie mit burschikosem jugendlichen Temperament. Das Orchester bereitete der herausragenden Solistin und Dirigentin eine zuverlässige, klanglich innige Stütze. Das Publikum spendete ihr minutenlangen Applaus.

Zunächst aber saßen die Orchestermusiker des Gymnasiums Kirchseeon mit im Martinstadl, der mit der schieren Zahl von kleinen und großen Musikern und Besuchern immer wieder an seine räumlichen Grenzen gerät. Gespielt wurde Léo Delibes "Le Roi s' amuse", Begleitmusik zu einem amüsanten Theaterstück von Victor Hugo. Darin geht es zwar um Macht, Unzucht und Verbrechen, für das Orchester aber stellte das Werk eine glückliche Wahl dar. In den einzelnen Tanzsätzen kamen die Bläser mit den Fanfaren ebenso zum Zuge wie die Streicher bei der melodieseligen "Scène du bouquet". Rhythmisch keck der Satz "Passepied", festlich glanzvoll das Finale. Mit dieser schönen und heiter stimmenden Aufführung war das Gastspiel der Kirchseeoner Gymnasiasten, einstudiert von Rafael Gütter, Leiter des Fachbereichs Musik, und Cellist, zu Ende. Wieder einmal ist es unter Leitung von Dirigent Andreas Pascal Heinzmann gelungen, an beiden Abenden, in Kirchseeon und in Zorneding, aus vielen verschiedenen Gliedern und Spielniveaus einen Klangkörper zu schaffen, der zu einem harmonischen Ganzen fand. Für die Mitglieder des Schulorchesters, die mit viel Beifall bedacht stolz aus dem Saal marschierten, ist die Patenschaft der Zornedinger ein Geschenk fürs Leben.

Nach der Pause stand Beethovens vierte Symphonie in B auf dem Programm. Im Programmheft wurde die "Allgemeine musikalische Zeitung" zitiert, in der das Werk als "heiter, verständlich, geistreich und sehr einnehmend" beschrieben wurde. Das Orchester hatte sich durch geistreiche musikalische Figuren, gewagte Modulationen und, wie es weiter heißt, entfernteste Tonbereiche zu spielen. Eine große Herausforderung. Manchmal schien die Struktur der Komposition zu bröckeln, manchmal litt auch die Klangreinheit. Was jedoch viel wichtiger ist: Ob lyrische Passage oder Akkord-Donner, Heinzmann und das Orchester fühlen sich aus ganzem Herzen Ausdruck und Gestaltung verpflichtet. Im vierten Satz, dem Allegro ma non troppo, hatte das Musizieren plötzlich eine neue Qualität. Das Orchester wuchs über sich hinaus.

So war es auch beim Trauermarsch aus Beethovens dritter Sinfonie, der "Eroica". Dieses ergreifend interpretierte Stück widmete das Orchester seinem Gründungsdirigenten und langjährigen Leiter, Hans Walter Kämpfel, der am 22. April starb. Mehr als 30 Jahre hat Kämpfel das Orchester geleitet und zu Höchstleistungen motiviert. Heinzmann beschrieb den verstorbenen Generalmusikdirektor in einer kurzen Ansprache als Mann, der für zahlreiche Menschen in Zorneding einen Lebensmittelpunkt neben Beruf und Familie geschaffen hat. "Er hat Menschen zusammengebracht, die sonst niemals zusammengekommen wären", sagte Heinzmann. Am Tag vorher hatte das Orchester, in der kleinen Pöringer Kirche um Kämpfels Sarg herum sitzend, ein Requiem gespielt. "Niemand hätte in dem Moment etwas sagen können, aber spielen, das konnten alle."

© SZ vom 03.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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